Promotionsstipendium: Moritz Adam

Künstliche Bäume und nachhaltige Entwicklung: Simulation des Zielkonflikts zwischen der Entfernung von atmosphärischem CO2 und einer global gerechten Welt in einem gekoppelten Modell von Erd- und Gesellschaftssystem

Komplexe Erdsystemmodelle sind essentiell für die Bewertung anthropogener Interventionen zur Eindämmung von Klimawandelfolgen. Sie erlauben es die Wirksamkeit von Emissionsreduktionen zu belegen, werden aber auch herangezogen, um Nutzen und Umweltrisiken von großskaliger künstlicher Kohlenstoffdioxidentnahme und solarem Strahlungsmanagement abzuschätzen. Denn während diese Interventionen die planetare Erwärmung begrenzen können, konfligieren sie durch mögliche ungewollte Auswirkungen mit anderen Nachhaltigkeitszielen wie der umsichtigen Land- und Ressourcennutzung, der Beibehaltung eines lebensfreundlichen Oberflächenklimas sowie dem Erhalt natürlicher Kohlenstoffspeicher. Allerdings sind Erdsystemmodelle allgemein und die integrierten Landmodelle im Speziellen ursprünglich nicht primär für quantitative Abschätzungen derartiger Zielkonflikte konzipiert worden. Hierzu fehlen teils die technischen Voraussetzungen in den Modellen. Außerdem können die in den Modellen vorgenommenen Vereinfachungen dazu führen, dass sie statistische Variationen unzureichend abbilden, was sowohl klimatische Variablen wie die Oberflächentemperatur, aber auch die terrestrische Biosphäre betrifft. Diese Variationen beeinflussen die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Klimawandeleindämmung und -anpassung, und damit auch von großskaligen Interventionen in das Erdsystem. 

Mein Promotionsprojekt ist ein klima- und umweltwissenschaftlicher Beitrag zur Quantifizierung und Erweiterung von Modellfähigkeiten anhand eines vielfach verwendeten Erdsystemmodells, dem MPI-ESM. Dabei ist meine Arbeit geleitet von der übergreifenden Fragestellung, unter welchen Voraussetzungen menschengemachte technische Interventionen mit dem Ziel der Klimawandeleindämmung zugleich mit anderen Nachhaltigkeitszielen vereinbar sind. Drei Modellierungsstudien bilden den Kern meiner Dissertationsarbeit. Die Modellierungsansätze und -ergebnisse dieser Studien können außerdem zur Weiterentwicklung anderer Erdsystemmodelle im Bezug auf anthropogene Interventionen beitragen.

Mit einer neuartigen Erweiterung des JSBACH-Landmodells, die ich zur expliziten und dynamischen Repräsentation von landbasierter künstlicher CO2-Entnahme vorgenommen habe, untersuche ich unintendierte Auswirkungen sogenannter „künstlicher Photosynthese“ auf regionales Klima, Kohlenstoffspeicher und Landnutzung (Adam et al., Environmental Research Letters, 2025). Auf Basis meiner Resultate sind substantielle ungewollte Auswirkungen dieses Ansatzes auf Klima und Vegetation innerhalb der Modelllimitierungen nicht zu erwarten. Dahingegen zeigen meine Simulationsexperimente aber das  Potential für Landnutzungskonflikte durch den Einsatz von künstlichen CO2-Senken auf. Diese bestehen insbesondere in dem Fall, dass eine Verschleppung der Dekarbonisierung den großskaligen Einsatz dieser CO2-Senken zur Stabilisierung des globalen Temperaturniveaus ausweglos macht und erhoffte Effizienzsteigerungen verfehlt werden.

In meiner zweiten Modellierungsstudie beschäftige ich mich mit der Variabilität des Oberflächenklimas und des Kohlenstoffkreislaufs der Landbiosphäre unter zeitlich variierenden Änderungen in der planetaren Strahlungsbilanz (Adam et al., in Vorbereitung). „Variabilität“ beschreibt hierbei die Häufigkeit und Verteilung extremer Klima- und Umweltbedingungen. Diese Bedingungen beeinflussen maßgeblich die Resilienz von natürlichen Kohlenstoffspeichern an Land, aber auch inwieweit die verschiedenen Möglichkeiten der Klimawandelanpassung tatsächlich nachhaltig funktionieren können. Als variierenden Einflussfaktor auf die Strahlungsbilanz dient vergangenes vulkanisches Aerosolforcing als Analogon einer möglichen zukünftigen Intervention durch das Ausbringen von Aerosolpartikeln in die Stratosphäre. Denn auch hier stellt sich die Frage, inwieweit gegenwärtige Modelle in der Lage sind, die Reaktion des Erdsystems auf anthropogene Interventionen präzise abzubilden und inwieweit resultierende Zielkonflikte ihrer eigentlichen Intention gegenüberstehen. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Resilienz terrestrischer Kohlenstoffspeicher gegenüber variablem Aerosoleinfluss. Zum Anderen lassen sich potentiell viele der durch das komplexe Erdsystemmodell simulierten Veränderungen in der Klimavariabilität als Antwort auf Strahlungsinterventionen auch mittels statistischer Modelle („Emulatoren“) nachbilden. Diese Erkenntnis ist sehr hilfreich, denn sie ermöglicht die effiziente Betrachtung vieler möglicher „Zukünfte“ wie sie mit einem rechenintensiven Erdsystemmodell alleine kaum möglich wäre.

Meine abschließende Studie (Adam et al., in Vorbereitung) knüpft an ein Ergebnis aus den beiden vorgehenden Projekte an. In beiden Projekten fällt die hohe simulierte Resilienz von Landbiosphäre und Kohlenstoffspeichern sowohl gegenüber Landnutzung für künstliche CO2-Entnahme als auch gegenüber zusätzlicher Variabilität in der Strahlungsbilanz auf. Deshalb ist es angebracht die Sensitivitäten des MPI-ESM gegenüber klimatischen Extrembedingungen systematisch zu beobachtungsbasierten Daten und einem anderen Landmodell zu vergleichen. Es zeigt sich allgemein eine hohe Übereinstimmung der beobachteten und simulierten Reaktion von biosphärischen Kohlenstoffflüssen auf klimatische Extreme, was die Glaubwürdigkeit der zuvor erzielten Modellergebnisse auf einer globalen Ebene unterstreicht. Die beobachtete räumliche Streuung zeigt jedoch die Grenzen bei der Modellierung lokalisierter Prozesse auf.

Wie die Resultate meiner ersten Modellierungsstudie zeigen, sind die ursprünglich erwarteten klimatischen Effekte als Treiber von idealisierten Landnutzungskonflikten zumindest für die „künstliche Photosynthese“ als beispielhaftem CDR-Ansatz nicht in einem Maß zu erwarten, dass eine maßgebliche Rolle für/gegen eine lokale Implementation durch Landnutzungsagenten anzunehmen ist. Vielmehr erscheinen der Flächenverbrauch an sich, sowie ökonomische Aspekte auschlaggebend. Darum fokussiere ich mich in der restlichen Promotionszeit auf die beiden verwandten und bereits fortgeschrittenen Studien zu Interventionen in die planetare Strahlungsbilanz und zur Modellsensitivität. Durch beide Studien verfolge ich weiterhin die übergreifende inhaltliche Frage nach Zielkonflikten beim Erreichen eines nachhaltigen Klimapfads sowie einen innovativen Modellierungsansatz. Auch die Methodik ist ähnlich, so beispielsweise durch den Einsatz statistischer Emulatoren und der Klimadatenanalyse. Dadurch ist es realistisch mein Promotionsprojekt über das kommende Jahr abschzuließen. Die klima- und umweltwissenschaftlichen Erkenntnisse meiner Arbeit sind insbesondere für eine quantitativere Erforschung neuartiger anthropogener Interventionen und resultierender Zielkonflikte relevant. Diese Grundlagenforschung ist in Anbetracht der wachsenden Unvermeidbarkeit von anthropogenen Interventionen essentiell, um Risiken für Menschen und Umwelt zu reduzieren.

 

AZ: 20023/001

Zeitraum

01.07.2023 - 30.06.2026

Institut

Universität Tübingen Fachbereich Geowissenschaften und Fachbereich Physik

Betreuer

Prof. Dr. Kira Rehfeld