Ziel der Promotionsarbeit ist es, das Gefährdungspotential der Akkumulationen von Spurenelementen an Reifenabrieb im Gewässer unter verschiedenen naturnahen Szenarien abzuschätzen und diese ggf. auf andere Szenarien wie bspw. die Regenwasserrückhaltung in Projekten wie der Schwammstadt anzuwenden.
Jährlich werden bis zu ca. 20.000 t Reifenabrieb in deutsche Gewässer eingetragen. Dieser Eintrag wird sich auch noch weiterhin erhöhen, da zum einen mehr Autos zugelassen werden und zum anderen E-Autos (aktuell) mehr Reifenabrieb produzieren. Mit ca. 30 % stellt Reifenabrieb die größte Einzelquelle von Mikroplastik dar.
Für Mikroplastik ist bekannt, dass es als „Trojanisches Pferd“ Spurenelemente aufnehmen und in Organismen wieder freisetzen kann. Selbiges trifft auch für den Reifenabrieb zuzutreffen. Dabei wurden Reifenabrieb-Proben zu Gewässerproben aus der Freiberger Mulde (hohe Schwermetallfrachten) zugegeben. Eine Akkumulation von prioritären Spurenelementen auf der Partikeloberfläche konnte nachgewiesen werden, die zu einer Verschlechterung der chemischen Gewässergüte mit Bezug zum Schwebstoff führen kann. Der Salzgehalt einer Gewässerprobe scheint sich ebenfalls auf die Adsorption auszuwirken. Dabei ist für Cadmium und Zink eine deutlich verschlechterte Adsorption zu beobachten, die umgekehrt proportional zur Konzentration an Chlorid (= Salz) ist.
Auf Reifenabrieb-Partikeln kann sich Biofilm bilden bzw. Mikroorgansimen können Reifenabrieb im Biofilm inkorporieren. Dies zeigte eine kleine Untersuchung mit Reifenpartikeln in einer Gewässerprobe der Alten Elbe und entsprechender Nährstoffversorgung. Dabei war zu beobachten, dass die Kommunität der Mikroorganismen mit Reifenabrieb anders ist als ohne Reifenabrieb. Dies konnte auch noch einmal bestätigt werden. Dabei gibt es Unterschiede, ob der Reifenabrieb in der Wasserprobe bewegt wird, oder nur auf dem Grund des Probengefäßes verweilt. Kurzfristig scheint der Reifenabrieb keine gut geeignete Oberfläche für Mikroorganismen und die Biofilmbildung zu sein. Mittelfristig kann sich dies jedoch ändern.
Reifenabrieb wird über die Zeit und bei ausreichend niedriger Fließgeschwindigkeit sedimentieren. Dies führt dazu, dass er aus dem sauerstoffreichen Milieu des Fließgewässers in ein sauerstoffarmes Milieu übertritt. Dies ist mit einer Änderung des Redoxpotentials verbunden, die wiederum anderen Bindungseigenschaften hervorrufen kann. Bisherige Versuchskonzepte haben sich als ungeeignete erwiesen. Für die Analyse vom Bindungsverhalten von Spurenelementen an und in Sedimenten hat sich eine sequentielle Extraktion nach Ure et al., 1993 bewährt. Diese Methode konnte erfolgreich für den Reifenabrieb adaptiert werden, sodass für verschiedene Szenarien im Fluss (leichte pH-Änderung, verringerter Sauerstoffanteil oder mikrobielle Zersetzung) demnächst Aussagen zur Bindung von Spurenelementen gemacht werden können.
Anhand zweier Bachelorarbeiten wurden im Rahmen dieses Projekts zum einen auf die Natur der Bindungen zwischen den Spurenelementen und den Reifenabrieb-Partikeln eingegangen sowie auf die Toxizität der Reifenabrieb-Partikel im Rahmen einen Sediment-Toxizitäts-Tests. Diese Toxizitäts-Tests werde derzeit (Sommer 2025) systematisch wiederholt und ausgeweitet. Damit öffnet sich ein komplett neues Kapitel, dass zu Beginn der Dissertation noch nicht absehbar war.
Basierend auf den Ergebnissen der naturnahen Fallbeispiele können praxisbezogen, Gefährdungsabschätzungen des Reifenabriebeintrages im Flussgebietsmaßstab durch staatliche Behörden wie der Bundesanstalt für Gewässerkunde, der Flussgebietsgemeinschaften oder auch Internationalen Kommissionen zum Schutz großer Ströme simuliert werden. Im Austausch mit Stakeholdern der Reifenindustrie (z. B. ETRMA) können weiterführend Maßnahmen u. a. mit einer Kosten / Nutzenanalyse diskutiert werden, die zu einer Verringerung des Gefährdungspotenzials von eingetragenem Reifenabrieb führen. Gleiches gilt für optimierte Straßenreinigungsregime bzw. zusätzliche Rückhaltemaßnahmen in Gullys.