Projekt 38563/01

Dekarbonisierung der Energieversorgung einer Molkerei durch die anaerobe Vergärung landwirtschaftlicher Reststoffe

Projektdurchführung

Fachhochschule Münster
Fachbereich Energie, Gebäude, Umwelt
Institutsverbund Ressourcen, Energie und Infrastruktur
Stegerwaldstr. 39
48565 Steinfurt



Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der Erdgasbedarf der Europäischen Union betrug für das Jahr 2024 ca. 340 Mrd. m³ (Statistical Office of the
European Union (Eurostat) 2025). Gleichzeitig sieht die Europäische Union einen Ausbau der Biomethanerzeugung auf 35 Mrd. m³/a vor. Hintergrund sind steigende Energiepreise bzw. das Ziel einer unabhängigen sowie dekarbonisierten Energieerzeugung. Ergänzend besteht das Ziel eine möglichst nachhaltige Energiebereitstellung sicherzustellen, indem organische Abfälle aus land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen genutzt werden (European Commission 2023).
Die Privatmolkerei Naarmann, wie auch die gesamte Milchwirtschaft strebt im dargestellten Rahmen eine wirtschaftlich sinnvolle Dekarbonisierung der Milchverarbeitung an. Die bereits abgeschlossenen Untersuchungen zur anaeroben Abwasserbehandlung, mit dem Ziel fossiles Erdgas zu substituieren (Projekt EnerMolk, FKZ: 35227) hatten zum Ergebnis, dass ein Anteil von 6-8 % des Energiebedarfs mit Hilfe des bei der Molkerei anfallenden Abwassers gedeckt werden können. Dieser Weg, eine nachhaltige und defossilisierte Energieversorgung umzusetzen, soll mit diesem Projekt weiter fortgesetzt werden.
Ein weiterer Baustein für dieses Ziel ist die anaerobe Vergärung von Reststoffen aus der Milchviehhaltung.
So können die Reststoffe, die im Kontext der Milchproduktion anfallen genutzt werden, um die
Milchverarbeitung energetisch zu versorgen. Im Umkreis von 60 km beliefern ca. 200 landwirtschaftliche Betriebe die Privatmolkerei Naarmann mit Milch. Die Reststoffpotentiale dieser Betriebe in Form von Mist, Gülle und pflanzlichen Reststoffen gilt es zu erschließen und energetisch zu nutzen.
Das Ziel des Projekts ist es, ein Konzept zur nachhaltigen und dekarbonisierten Energieversorgung der Privatmolkerei Naarmann auf Grundlage der vorhandenen landwirtschaftlichen Reststoffe zu entwickeln. Damit wird ein übertragbares, vorbildhaftes Konzept zur Anwendung erneuerbarer Energien für die Milchwirtschaft bzw. die Lebensmittelindustrie erarbeitet.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenGrundlage der Erdgassubstitution stellt das Energiesystem der Molkerei dar, welches zu Beginn analysiert und dargestellt wird. Dabei stehen die Menge der jährlich genutzten Energie und der Nutzungspfad innerhalb der Molkerei im Vordergrund. Zusätzlich wird der zeitliche Verlauf der Energienutzung betrachtet, um Lastgänge und Verbraucherspitzen zu identifizieren. Die Betrachtung der benötigten Energie ist damit abgeschlossen und lässt sich dann der vorhandenen Energie aus der Produktionsvorkette bzw. regionalen Energieüberschüssen gegenüberstellen. Die verfügbaren Reststoffmengen aus den rohmilchliefernden Betrieben werden mit ihrer räumlichen Verortung erfasst und das entsprechende energetische Potenzial, welches aus den Reststoffen der landwirtschaftlichen Betriebe hervorgeht, gemäß VDI-Richtlinie 4630 über den Methanertrag der Wirtschaftsdünger bestimmt. Daraufhin werden unterschiedliche Verfahrensvarianten zur regenerativen Energieversorgung der Molkerei entwickelt, die sich nachfolgenden Kriterien unterscheiden können:
• Größe der Anlage bzw. Einzugsgebiet der Reststoffe
• Aufbereitung des produzierten Biogases zu Biomethan
• Aufbereitung der Reststoffe
Die entwickelten Verfahrenskonzepte werden bewertet und das aussichtsreichste Konzept für die praktische Umsetzung vorbereitet. Dabei geht es neben wirtschaftlichen und logistischen Kriterien auch insbesondere um eine möglichst hohe Substitution von Erdgas und eine entsprechende CO2-Reduzierung.
Das Alleinstellungsmerkmal des Projekts besteht darin, dass die Dekarbonisierung der Molkerei auf Grundlage der Reststoffe aus der vorgelagerten Produktionskette erfolgen, bei der eine umfassende Treibhausgasminderung im Gesamtsystem forciert wird.



Ergebnisse und Diskussion

Die Analyse des Energiesystems der Molkerei Naarmann zeigte, dass im Jahr 2022 ein Erdgasbedarf von über
54 GWh/a bestand. Durch laufende Elektrifizierungsmaßnahmen und Prozessoptimierungen kann dieser Bedarf zukünftig auf etwa 17 GWh/a reduziert werden. Diese Zielgröße definiert den Umfang der erforderlichen Erdgassubstitution. Das ermittelte regionale Biogaspotenzial von rund 84 GWh/a (9,63 MW) übersteigt den Bedarf der Molkerei deutlich. Unter Berücksichtigung bestehender Nutzungen und eingeschränkter Umsetzbarkeit stellt dies jedoch ein theoretisches Potenzial dar. Etwa die Hälfte der befragten Milchviehbetriebe verfügt bereits über energetische Nutzungskonzepte, sodass das tatsächlich verfügbare Potenzial geringer ausfällt.
In der Konzeptentwicklung wurden vier Ansätze zur Nutzung organischer Reststoffe geprüft: zentrale und dezentrale Biomethananlagen, Rohgascluster sowie die Nutzung einer einzelnen Bestandsanlage. Die Bewertung nach ökologischen, wirtschaftlichen und logistischen Kriterien ergab, dass das Konzept des
Rohgasclusters die besten Gesamtwerte erzielt. Es kombiniert geringe Investitionskosten mit hoher Flexibilität, der Einbindung lokaler Energieüberschüsse (z. B. Klärgas) und einem Substitutionsgrad von bis zu 83 %. Im bevorzugten Szenario, das die Erweiterung zweier Bestandsanlagen um jeweils 443 kW sowie die Integration der Kläranlage vorsieht, ergibt sich eine Gesamtleistung von 1.618 kW und eine jährliche Energieerzeugung von 14,2 GWh/a. Damit kann der Erdgasbedarf der Molkerei nahezu vollständig gedeckt werden. Die kalkulierten Biogaserzeugungskosten liegen zwischen 6,9 und 8,7 ct/kWh, was zu erwarteten minimale Gesamtenergiebezugskosten von 5,9 ct/kWh führt.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Zielgruppe des Projekts ist zum einen die lebensmittelverarbeitende Industrie, welche wie auch die milchverarbeitenden Betriebe einen Zugriff auf signifikante Reststoffmengen hat. Eine unabhängige bzw. klimaschonende Energieversorgung dieses Sektors ist insbesondere aufgrund der gestiegenen Energiekosten sowie der betrieblichen THG-Minderungsziele sinnvoll. Andererseits zielt das Projekt darauf ab, Landwirte bzw. Biogasanlagenbetreibern aufzuzeigen, auf welchem Weg eine direkte Versorgung der lokal ansässigen Unternehmen möglich ist. Darüber hinaus ließen sich die in diesem Projekt entwickelten Konzepte ebenfalls auf Bestandsanlagen, die sich dem Ende der ersten EEG-Förderperiode nähern, anwenden. Im Zuge dessen wurden bereits folgende Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit und Verbreitung der Ergebnisse durchgeführt:

Artikel und Pressemitteilungen
• Tim Harms-Ensink, Sylke Mehnert, Jurek Häner, Matthias Kemper und Elmar Brügging (2023)
Remolk – Forschungsprojekt der FH Münster befasst sich mit zukunftsorientierter
Energieversorgung der milchverarbeitenden Industrie in DMW – die Milchwirtschaft. 22-23/2023
(14. Jg.)
• (2023) Milchprodukte nachhaltig herstellen: Forschungsprojekt „ReMolk“ startet Pressemitteilung der FH Münster vom 07.07.2023. verfügbar unter: https://www.fh-muenster.de/legacy/ news/index.php?newsId=3156
• (2023) Milchprodukte nachhaltig herstellen – Forschungsprojekt „ReMolk“ der FH Münster und der Privatmolkerei Naarmann in Westfälische Nachrichten vom 15.07.2023

Vorträge
• Sylke Mehnert, Jurek Häner, Tim Harms-Ensink, Elmar Brügging, Christof Wetter (2023) ReMolk. Dekarbonisierung der Energieversorgung einer Molkerei durch die anaerobe Vergärung
landwirtschaftlicher Reststoffe. Sommerkolloquium des Institutsverbunds Ressourcen, Energie und Infrastruktur (IREI) der FH Münster am 15.06.2023 in Münster
• Sylke Mehnert, Jurek Häner, Tim Harms-Ensink, Elmar Brügging (2023) ReMolk. Dekarbonisierung der Energieversorgung einer Molkerei durch die anaerobe Vergärung landwirtschaftlicher Reststoffe. Biogas in der Landwirtschaft – Stand und Perspektiven am 11. – 12.09.2023 in Bonn
• Beitrag in: Jurek Häner (2024) Anaerobic digestion for energetic utilization of residue and waste materials and nutrient management. Biogas und anaerobe Vergärung von Rest- und Abfallstoffen in Irland am 17.09.2024 in Dublin
• Tim Harms-Ensink, Jurek Häner, Elmar Brügging. ReMolk (2025) Dekarbonisierung der
Energieversorgung einer Molkerei durch die anaerobe Vergärung landwirtschaftlicher Reststoffe. 18. Biogasinnovationskongress am 21. – 22.05.2025 in Osnabrück
Posterpräsentationen
• Sylke Mehnert, Jurek Häner, Tim Harms-Ensink, Elmar Brügging (2023) ReMolk. Dekarbonisierung der Energieversorgung einer Molkerei durch die anaerobe Vergärung landwirtschaftlicher Reststoffe. Biogas in der Landwirtschaft – Stand und Perspektiven am 11. – 12.09.2023 in Bonn
•Tim Harms-Ensink, Sylke Mehnert, Jurek Häner, Elmar Brügging (2024) ReMolk: Dekarbonisierung der Energieversorgung einer Molkerei durch die anaerobe Vergärung landwirtschaftlicher Reststoffe. Steinfurter Bioenergiefachtagung am 29.02.2024 in Steinfurt. doi:
https://doi.org/10.25974/fhms-17840 Sonstige
• Beitrag in Forschungsbroschüre (2024) FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSPROJEKTE 2024/2025.
verfügbar unter: https://www-backend.fh-muenster.de/team-bruegging-wetter/downloads-teamb-w/Forschungs-und-Entwicklungsprojekte-Bruegging-Wetter-2024-2025.pdf
• Beitrag auf Webseite der FH Münster (2025) REMOLK. verfügbar unter: https://www.fhmuenster.de/de/team-bruegging-wetter/forschung/projekte/remolk



Fazit

Die Untersuchung zeigt, dass landwirtschaftliche Reststoffe aus der Milchviehhaltung ein erhebliches Potenzial zur Substitution fossiler Energieträger bieten. Für die Molkerei Naarmann kann der künftige
Energiebedarf durch regionale Biogasquellen nahezu vollständig gedeckt werden. Das Konzept eines Rohgasclusters bestehender Biogasanlagen erweist sich dabei als technisch, wirtschaftlich und ökologisch sinnvollste Lösung, die zudem regionale Synergien schafft. Für die Umsetzung sind jedoch stabile wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen entscheidend. Mit Blick auf steigende CO?-Preise und die zunehmende Bedeutung von nachhaltigen Energieträgern bietet das Konzept gute Zukunftsperspektiven, wobei ein Projektstart nach Auslaufen der EEG-Vergütung ab 2031 realistisch ist.

Übersicht

Fördersumme

122.423,00 €

Förderzeitraum

23.04.2023 - 23.04.2025

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik