Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und
Systemzuverlässigkeit LBF
Schlossgartenstr. 6
64289 Darmstadt
Der Konsum von Einwegverpackungen wurde in den letzten Jahren sehr kritisch betrachtet, da die Verwertung dieser Abfälle größtenteils in Müllheizkraftwerken stattfindet. Daher hat man weder ressourcenschonende Nutzung der eingesetzten Materialien noch die Wiederverwendung wertvoller Rohstoffe. Im Gegensatz zu Einwegverpackungen sind die Lösungsansätze zu Mehrwegverpackungen jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn neben klaren ökologischen Vorteilen gleichzeitig auch eine hohe Akzeptanz beim Konsumenten geschaffen wird. Pfand-Systeme werden in Deutschland grundsätzlich akzeptiert, sofern eine einfache und nutzerfreundliche Rücknahme mit ökologischen Vorteilen sichergestellt werden kann. Zurzeit gibt es keine flächendeckenden und zufriedenstellenden Mehrweglösungen zur signifikanten Reduktion von Einwegbechern/Einwegverpackungen. Eine Lösung mit einem Höchstanteil der Wiederverwertung der eingesetzten Rohstoffe und einer ressourcenschonenden Aufbereitung mit minimalem CO2-Bedarf kann ein Ansatz in der richtigen Richtung sein. So wurde im Vorfeld dieses Projekts in einer Kooperation zwischen Fa. Löning + Partner und dem Fraunhofer LBF die grundsätzliche Machbarkeit eines neuen und innovativen Pfand-Mehrwegsystems am Beispiel eines Mehrwegbechers durchgeführt. Darauf basiert sollte im vorliegenden Projekt eine technische Lösung erarbeitet und ein Demonstrator der Mehrwegverpackung hergestellt werden.
Daher war das Ziel des Projekts, die Eignung des neuen Verpackungssystems am Beispiel von Pfand-Mehrwegbechern für den Ersatz von „to-go“ Einwegbechern zu demonstrieren. Es sollte ein neuartiges Pfand-Mehrweg-Verpackungssystem entwickelt werden, welches bei der Aufbereitung (Refurbish) auf wasserbasierte Reinigungsverfahren verzichtet. Das Projekt fokussierte auf die Entwicklung eines kunststoffbasierten Mehrweg-Systems, welches ca. 90% der eingesetzten Kunststoffe mehrmalig wiederverwendet, Hygienesicherheit gewährleistet und erhebliche CO2-Einsparung im Gegensatz zu herkömmlichen Verpackungen bringt. Die restlichen 10% der Materialen können über definierte Recyclingströme im geschlossenen Kreislauf geführt werden. Des Weiteren sollte in der Verpackung ein NFC-Chip integriert werden, der die Rücknahme der Verpackung an den Rücknahmeautomaten über eine Datenbank und dazu die eindeutige Zuordnung jeder Verpackung mit ihrem Status im Kreislauf ermöglicht. Diese Funktionalität kann dem Nutzer in Form einer APP zur Verfügung gestellt werden.
Das Mehrweg-Pfandverpackungssystem "IQPAK" besteht aus drei Komponenten. Der Becherkern (Systemlayer) bildet die Hauptkomponente für die Wiederverwertung. Außen- (Handlinglayer) und Innenschicht (Contentlayer) bestehen aus möglichst dünnem, reißfestem Polymermonomaterial, das bei der Aufbereitung (Refurbishing-Prozess) in den werkstofflichen Recycling-Kreislauf zurückgeführt werden kann. Die schematische Darstellung des Aufbauprinzips ist in Abbildung 1 ersichtlich. Hierbei kommt das Füllgut nicht in Berührung mit dem Systemlayer. Der NFC-Chip wird am Boden des Systemlayers angebracht und ermöglicht die Kommunikation mit der IQPAK-Datenbank. In einem ersten Arbeitsschritt wurden kommerziell verfügbare Materialien und Verarbeitungsverfahren ausgewählt, die die Anforderungen des Pfand-Mehrwegbechersystems hinsichtlich der Verarbeitbarkeit erfüllen. Um eine prototypische Umsetzung des Mehrweg-Pfandbechersystems zu realisieren, wurde das Thermoforming-Verfahren ausgewählt und für die Herstellung des Contentlayers für 500 ml Becher, ein Einsatz für das bei der Fa. Kiefel vorhandene Werkzeug entwickelt und Tiefziehversuche für den Contentlayer in einem Systemlayer durchgeführt. Um die Eignung der Polymermaterialien für den Tiefziehprozess zu untersuchen, wurden Folien aus verschiedenen Polymeren getestet. Zur Realisierung des Handlinglayers wurden Schrumpffolien verwendet, die in Form eines Sleeves auf der Außenseite des Bechers angebracht wurden. Es wurden technologische Überlegungen zur Realisierung möglicher Formen des Deckels im Rahmen eines Workshops durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Ansätze zum Verschluss-System im Kontext des Verpackungssystems gesammelt und ausgewertet. In einem darauffolgenden Schritt wurden technische Überlegungen zur Montage, Demontage und Kreislauffähigkeit der Elektronik in Form eines NFC-Chips im Verpackungssystem durchgeführt. Parallel dazu wurde eine Datenbank-Struktur für die Hinterlegung von Information (Nutzungszyklus, CO2-Einsparung, verwendete Materialien etc.) über IQPAK aufgebaut und dazu ein IQPAK-App entwickelt, die über den NFC-Chip mit der Datenbank kommunizieren kann. Nach erfolgreichen Vorversuchen wurden anschließend die IQPAK-Demonstratoren mit allen Komponenten zusammengebaut. Um diese Demonstratoren in großtechnische Serienproduktion bringen zu können, wurden die Schritte des Produktionsprozesses definiert und die grundsätzliche Umsetzbarkeit aufgezeigt.
1) Für die Herstellung des Mehrweg-Pfandbechers wurden Materialien ausgewählt, die zum Herstellen von Folien geeignet sind, da solche im Thermoformingprozess für die Formgebung eingesetzt wurden. Dabei wurden Folien aus PP, HDPE, LLDPE, PET (Kristallin) und PET (Amorph) verwendet.
2) Thermoformingversuche für den Contentlayer wurden unter Parametervariation von Foliendicke, Tiefziehgeschwindigkeit und Temperatur durchgeführt. Von allen getesteten Materialien hat sich PP hinsichtlich der Foliendicke und der Formstabilität (auch beim Heißwasserversuch) als am besten geeignetes Material erwiesen. Der Materialbedarf für die Form (als Contentlayer) lag bei ca.1,5 g pro Becher. Die Innenstruktur der Systemlayer wurde so verändert, dass auf den Contentlayer beim Tiefziehen die Struktur des Systemlayer geprägt wurde. Der Contentlayer hat dadurch eine Strukturstabilität erhalten.
3) Es wurden Versuche zur Aromabarriere von Contentlayer durchgeführt. Nach 48 h Aufbewahrung von Milch, Kaffee oder Cola in dem Contentlayer (der auf dem Systemlayer aufgestezt war) wurden keine Gerüche im Systemlayer festgestellt. Der Contentlayer konnte die Aromamoleküle für die Testzeit vollständig zurückhalten.
4) Die Realisierung des Außenlayers (Handlinglayer) geschah in erster Näherung über eine Schrumpf-Sleeve-Folie. Je nach Material ergeben sich unterschiedliche Schrumpfungsgrade.
Jedoch gab es auch Einschränkungen in der Anwendung von Schrumpffolien, so dass zunächst der Boden nicht vollständig mit der geschrumpften Folie umschlossen werden kann. Dafür wurde ein Boden in einem Thermoforming-Prozess gefertigt und am Boden des Systemlayers inklusive NFC-Chip angebracht (Abbildung 3). In der zukünftigen Serienfertigung soll der NFC-Chip während der Herstellung des Systemlayers direkt in den Boden integriert werden.
5) Für den Deckel wurden in einem Workshop die Möglichkeiten der Mehrweg oder Einweglösung in Betracht gezogen und verschiedene Konzepte zur Deckelgeometrie und Anbindung entwickelt. Von allen Varianten erscheint ein Siegeldeckel (Anbringung von Siegelfolie) die am einfachsten durchführbare und materialminimalistische Varianten des Deckels zu sein. Diese werden in weiterführenden Projekte eingesetzt, um die Machbarkeit einschätzen zu können.
6) Unter Berücksichtigung der notwendigen Materialmenge wurde eine CO2-EInsparung für die 500 ml Becher berechnet. (PP Neuware: 7,4 kg und für Recyclingmaterial 3,8 pro 1000 Becher) Einsparpotential bis zu 68%.
- Teilnahme an NFC Forum Membership: IQPAK ist seit Juni 2023 ein Mitglied des NFC-Forums und kann über diese Plattform viele relevante Akteure kontaktieren.
- Teilnahme am InnoTalk Podcast: Gemeinsame Teilnahme von Fraunhofer LBF und Löning + Partner im Okt. 2023 am Podcast, in dem das IQPAK-System vorgestellt wurde.
- Entwicklung der IQPAK-App: Die IQPAK-App für die Kommunikation mit dem Nutzer wurde im Sep. 2023 entwickelt und erfolgreich umgesetzt.
- Hompepage IQPAK: Die Homepage für IQPAK (iqpak.com) wurde im Sep. 2023 erstellt.
- Teilnahme an der Tagung „21. Inno-Meeting“: Vortrag seitens Fraunhofer LBF über IQPAK im Feb. 2024
- Pressemitteilung für IQPAK zum Gutachten des ifeu: Veröffentlicht gemeinsam von Fraunhofer LBF und Löning + Partner im Okt. 2023
- Mitgliedschaft im Mehrwegverband Deutschland e.V.: IQPAK ist Mitglied seit Okt.2023.
- Artikel in VDI-Sonderausgabe: Veröffentlicht im März 2024
- Erteiltes Patent für das IQPAK-System: DE 10 2022 128 475 B3 2024.04.11
Im Rahmen des Projekts konnte die Machbarkeit einer bereits in Vorarbeiten konzipierten Mehrwegverpackung (IQPAK) am Beispiel eines Mehrweg-Pfandbechersystems erfolgreich demonstriert werden. Die hergestellten Handmuster eines 3-Schichten-Aufbaus zeigen, dass das Aufbauprinzip für einen Getränkebecher funktioniert. Das ausgewählte Thermoforming-Verfahren erweist sich als geeignet für den Großserienprozess zur Herstellung von IQPAK. Die Technologie kann anhand der bisher durchgeführten Versuche und der gewonnenen Erkenntnisse weiterentwickelt werden. Zur Herstellung der Innen- und Außenschicht durch den Thermoforming-Prozess wurden in Zusammenarbeit mit der Fa. Kiefel Ansätze erarbeitet. Diese werden für die Realisierung in großtechnischen Anlagen weiterentwickelt. Die Einbringung eines NFC-Chips in den Systemlayer soll zunächst über einen Spritzgußprozess erfolgen. Fa. Löning + Partner möchte in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer LBF eine Firma (IQPAK GmbH) gründen, die eine großtechnische Serienproduktion und die Vermarktung der IQPAK-Mehrwegverpackung betreiben kann. In einem Refurbishment-Verfahren werden die Innen- und Außenschichten nach dem Gebrauch getauscht. Das benutzte Material kann sortenrein 100% zu Rezyklat verarbeitet werden.
Der Einsatz von IQPAK-500 ml Becher zeigt ein CO2-Einsparpotential von bis zu 68% (PP Neuware: 7,4 kg und für Recyclingmaterial 3,8 pro 1000 Becher) im Vergleich zu kommerziell erhältlichen Mehrwegbecher.