Hochschule Pforzheim
Fakultät für Technik
Nachhaltige Produktentwicklung
Tiefenbronner Str. 65
75175 Pforzheim
Das Projekt "PMMA in der Circular Economy" (Akronym PACE) zielt darauf ab, die werkstoffliche Verwertung von Polymethylmethacrylat (PMMA) oder Acrylglas in Deutschland zu optimieren. PMMA ist ein weit verbreiteter Kunststoff mit hervorragenden Eigenschaften wie Transparenz und Witterungsbeständigkeit. Allerdings stellt die Entsorgung und das Recycling von PMMA aufgrund kaum geschlossener Stoffkreisläufe eine Herausforderung dar. In Europa wurden 2019 etwa 300.000 Tonnen Acrylglas (Formmassen und Halbzeug) vorrangig für Anwendungen im Bau- und Ausbaubereich und daneben in geringerem Umfang für Elektronik-, Kfz- und Haushalts-/Sportartikel verarbeitet . Das Volumen des europäischen Halbzeugmarktes für Acrylglas lag 2020 bei etwa 230.000 Tonnen, wobei etwa ein Drittel dieser Masse allein im deutschen Baubereich Anwendung findet.
Die Hauptziele des Projekts umfassen die Entwicklung und Validierung einer Kreislaufführung für PMMA-Halbzeuge, die sowohl Post-Industrial- als auch Post-Consumer-Qualitäten umfasst. Dabei werden innovative Identifikations- und Sortierverfahren eingesetzt, um die Machbarkeit der Lösungen im betrieblichen Umfeld zu demonstrieren. Zu den getesteten Technologien gehören Fluoreszenzmarker, Nahinfrarotspektroskopie (NIR) und Objekterkennung. Die Sortierherausforderung besteht nicht nur in der Differenzierung von PMMA und anderen glasklaren Polymeren, sondern auch zwischen PMMA-Ausführungen, bspw. aus dem Produktionsverfahren der Extrusion und des Gusses, welche sich derzeit mittels NIR-Sortierung nicht differenzieren lassen.
Das Projekt wurde in fünf wesentlichen Arbeitspaketen bearbeitet: der qualitativen Erfassung von Anfallmengen und von Sortierbedarfen (AP1), der Entwicklung eines Gesamtkonzepts zur umweltverträglichen Kreislaufschließung von PMMA (AP2), der Material- und Produktentwicklung mit der Additivierung von Tracern in PMMA-Halbzeugen (AP3), der Durchführung von Detektionstests und Sortierversuchen (AP4) und der ökobilanziellen Bewertung des Konzepts (AP5). Ergänzt wurden diese Arbeitspakete durch einen Ergebnistransfer und der öffentlichkeitswirksamen Außendarstellung des Projektkonsortiums (AP6).
Die Hochschule Pforzheim übernimmt in dem Forschungsvorhaben PACE die wissenschaftliche Projektkoordination. Inhaltlich beschäftigt sich die Hochschule Pforzheim mit den abfallwirtschaftlichen Fragestellungen und der Entwicklung eines Gesamtkonzepts. Pekutherm ist für die Sortierprozesse verantwortlich, während Polysecure innovative Marker- und Sort4Circle-Technologien entwickelt und der assoziierte Partner Polyvantis als PMMA- und PC-Halbzeughersteller sich auf die Produktentwicklung und -kennzeichnung konzentriert.
Die Vorhabensergebnisse zeigten, dass eine einzelne Identifikations-Technologie voraussichtlich nicht ausreichend ist, um die PMMA-Halbzeuge in der gewünschten Reinheit zu sortieren. Vielmehr ist eine Kombination verschiedener Detektoren notwendig. So kann mittels NIR-Spektroskopie PMMA von anderen technischen Polymeren differenziert werden. Allerdings ist eine Differenzierung zwischen Extrusion- und Guss-PMMA sowie der Einsatz von Additiven wie z. B. Schlagzähmodifikatoren damit nicht möglich. Hierfür könnten Fluoreszenzmarker zum Einsatz kommen, während zur Erkennung der Farbe und Transparenz VIS-Farbmessungen geeignet sind. Zudem besteht die Möglichkeit, viele Informationen (Hersteller, Extrusion vs. Guss, Additive) über die Schutzfolie mittels KI und Texterkennung auszulesen, vorausgesetzt, die Schutzfolie mit den Aufdrucken ist vorhanden. Während der Vorhabenslaufzeit wurde an den Produkten des Projektpartners Polyvantis eine recyclingverbessernde Modifikation der Schutzfolien-Bedruckung umgesetzt.
Zur Weiterentwicklung der Tracer-Technologie und deren Erprobung initiierten Polysecure und Polyvantis in enger Abstimmung mehrere Produktionskampagnen, in denen die Partikelgröße, die Konzentration sowie die Einbringungsart von Tracermaterialien bei der PMMA-Verarbeitung variiert wurden. Die Versuche ergaben eine gute Verarbeitbarkeit und Witterungsbeständigkeit der PMMA-Halbzeuge. Zudem wiesen markerhaltige PMMA-Halbzeuge weiterhin spezifikationsgerechte mechanische und optische Eigenschaften auf. Auch die Marker-Detektion im Sub-ppm-Bereich in den Produkten stellte für Polysecure kein Nachweisproblem dar und ist so für einen industriellen Einsatz grundsätzlich geeignet.
Eine Sortierkampagne der Hochschule Pforzheim bei Pekutherm zeigte, dass derzeit rund 30 % des Eingangsmaterials für ein hochwertiges mechanisches Recycling geeignet sind. Ein weiterer Anteil von 30 % besteht aus PMMA der Guss-Qualität, welches nicht mechanisch aufbereitet werden kann und daher chemisch rezykliert wird. Gleiches gilt für ca. 23 % des Eingangsmaterials, das verschmutzt, degradiert oder umgeformt ist. Eine ökobilanzielle Analyse der Verwertungswege zeigt, dass bei der Herstellung von 1 kg PMMA-Halbzeug aus mechanisch rezykliertem Material rund 0,66 kg CO2e verursacht werden, während bei der chemischen Verwertung diese Emissionen bei ca. 2,13 kg CO2e liegen. Im Vergleich zu PMMA-Neuware (4,28 kg CO2e) ist das Recycling demnach ökologisch vorteilhaft.
Die Ergebnisse des PACE-Forschungsvorhabens wurden durch verschiedene Publikationen, Vorträge und weiterer Aktivitäten der Öffentlichkeit vorgestellt und zugänglich gemacht. Hervorzuheben sind hier ein Vortrag auf dem wip-Forum Kunststoffpraxis 2023 sowie eine Posterpräsentation mit Tagungsbeitrag auf dem 13. DGAW-Wissenschaftskongress 2024. Zum Projektabschluss fand am 10.032025 eine öffentliche Online-Abschlussveranstaltung statt, an der ca. 20 externe Unternehmensvertreter aus der Kunststoffbranche teilnahmen. Ergänzt wurden diese Aktivitäten durch zahlreiche Pressemitteilungen, LinkedIn-Beiträge und die Projektwebsite.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Projekt positive Ergebnisse für die Kreislaufführung von PMMA zeigt. Als erster Erfolg ist die Neugestaltung der Schutzfolie durch Polyvantis zu werten, wodurch recyclingrelevante Informationen auf die Schutzfolie aufgedruckt werden, und der Recycler (Pekutherm) daher besser sortieren kann. Die Verarbeitungs- und Detektionsversuche mit dem Tracer belegen zudem die Eignung der Technologie für den industriellen Einsatz.
Projektkoordination: Hochschule PforzheimPekutherm KunststoffePolysecure GmbH