Projekt 37078/01

Neues Lernen zu Nachhaltigkeitstransformation – Entwicklung von wegweisenden Lernmodulen für die Privatwirtschaft, den Öffentlichen Sektor und für Non-Profit-Organisationen

Projektträger

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Döppersberg 19
42103 Wuppertal
Telefon: +49 202 2492-121

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist ein offener Suchprozess. Dabei erweist sich der Fortbestand von nicht-nachhaltigen Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens als sehr robust. Die Erwärmung des globalen Klimas und die Auszehrung der natürlichen Ressourcen greifen ineinander mit zeitgleich voranschreitenden sozialen Ungleichheiten und Konflikten, neuen pandemischen Bedrohungslagen und einem gesellschaftlichen Werte- und Kulturwandel. Um tragfähige Antworten auf solche ‚grand societal challenges’ von lokaler bis zur globalen Ebene entwickeln zu können, braucht es neue Herangehensweisen, Führungskompetenz und zeitgemäßes Wissen zu Nachhaltigkeitstransformation. Solche transformativen Fähigkeiten umfassen zum Beispiel reflexives, systemorientiertes Analysieren, adaptives Entscheiden und das Antizipieren von zukünftigen Entwicklungen und Zielkonflikten. Allerdings werden in der großen Mehrzahl der Hochschulausbildungen, Weiterbildungen und Management-Trainings diese Fähigkeiten nicht explizit thematisiert und gelehrt.
Es ist diese Lücke, die wir mit unserem Projekt adressieren möchten. Wir schlagen daher hier ein Projekt zur Förderung vor, welches die Entwicklung von zeitgemäßen Lernmodulen im Themenfeld Nachhaltigkeitstransformation zum Ziel hat. Dabei stehen drei Zielgruppen besonders im Fokus. Die Lernmodule sollen sich insbesondere an (zukünftige) Entscheidungsträger aus Unternehmen des Privatsektors, der Öffentlichen Verwaltung und aus Non-profit Organisationen (NPO’s) richten. Für diese Zielgruppen existieren in Deutschland kaum zeitgemäße Bildungsangebote zu den Dynamiken, Konflikten und Steuerungsansätzen einer nachhaltigen Gesellschaft also zu der Frage, wie komplexe Transformationsherausforderungen gestaltet werden können. Die drei Akteursgruppen nehmen unterschiedliche Rollen in Bezug auf Nachhaltigkeitstransformationen ein, sind in ihrem Zusammenspiel aber entscheidend für dessen Gelingen. Vor diesem Hintergrund ist solides Gestaltungswissen für Transformationsprozesse von entscheidender Bedeutung.
Mit Blick auf die nationalen und internationalen Ziele und Agenden für Nachhaltige Entwicklung (z. B. Sustainable Development Goals (SDGs) mit Zielhorizont im Jahr 2030) und insbesondere für den Klimaschutz ist klar, dass die gerade begonnene Dekade die entscheidende Phase des tiefgreifenden Wandels sein muss, um das Fortschreiten des Klimawandels und die zunehmende Ressourcenauszehrung zu verlangsamen. Wir sind überzeugt, dass es dazu auf der Ebene der (zukünftigen) Entscheider ein vertieftes Verständnis von solchen Transformationsprozessen braucht.
Unser Vorhaben setzt hier mit einer vertieften Analyse der Lernbedarfe und Wissenslücken in den drei Zielgruppen an. Im Anschluss werden basierend auf dem neuesten Stand der internationalen Transformationsforschung Lehr- und Lernmodule entwickelt und in Form von digitalen Lernpaketen aufbereitet. Die Lernmodule sind als Kern von Kompetenztrainings und zertifizierten Weiterbildungen angelegt, für deren spätere Durchführung ein Umsetzungskonzept erstellt wird. In einem Folgeprojekt sollen dann die digitalen Lernmodule und das Weiterbildungskonzept in Form einer ‚Transformations Akademie‘ (TRAFO) etabliert werden.
Unser Projekt liefert wissenschaftliche Ergebnisse mit hoher Praxisrelevanz, die über die spätere Nutzung in Bildungsformaten klar hinausgehen und einen eigenständigen Beitrag zur Transformationsforschung leisten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt wurde in die folgenden vier Arbeitspakete gegliedert:
Arbeitspaket 1 - Analyse der Lernbedarfe: In diesem Arbeitspaket ermitteln wir die konkreten Lernbedarfe und relevanten Wissenslu¨cken in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeitstransformation in Unternehmen, der O¨ffentlichen Verwaltung und dem Non-Profit Sektor.
Methoden: in AP1 wurden strukturierte Interviews mit Führungskräften, Nachhaltigkeitsbeauftragten und weiteren Repräsentant*innen aus den drei Zielgruppen durchgeführt. Hierbei wurden insgesamt n=25 strukturierte Interviews durchgeführt, somit wurde die im Antrag geplante Anzahl der Interviews (n=18) um sieben Interviews überschritten. Der Grund hierfür war die Diversität der drei Zielgruppen sowie die Heterogenität der Antworten während der ersten Interviews. Um die diversen Lernbedarfe möglichst umfassend abzudecken, wurde daher die Anzahl der geführten Interviews erhöht. Die Interviews wurden anhand eines zuvor entwickelten, strukturierten Interviewleitfadens durchgeführt und dauerten zwischen 45min und 90min.
Die Auswertung der Interviews erfolgte anhand eines dafür entwickelten Templates, entsprechend den methodischen Vorgaben der „Template Analyse Technik”. Hiermit wurden die angesprochenen Lernbedarfe identifiziert und zusammengefasst. Die Ergebnisse wurden dann im Projektteam diskutiert, um Überschneidungen, besondere Erkenntnisse und zentrale Themen herauszufiltern. Diese dienten dann als Grundlage der Themenauswahl und Entwicklung der Lernmodule.

Arbeitspaket 2 - Entwicklung der Lehr- und Lernmodule: In diesem Arbeitspaket werden, basierend auf dem neuesten Stand der internationalen Transformationsforschung, die Lehr- und Lernmodule entwickelt.
Methoden: Die Auswahl der Themen für die Module erfolgte auf Basis der Ergebnisse von AP1 sowie einer Literaturanalyse aktueller wissenschaftlicher Publikationen im Bereich der Transformationsforschung. Zwecks weitere Schärfung und Konkretisierung der Themen wurde eine Befragung im Wuppertal Institut durchgeführt. Daraus ergab sich ein Ranking der bevorzugt zu adressierenden Lernbedarfe aus dem aktuellen Themenfeld der nachhaltigkeitsbezogenen Transformationsforschung.
Die hierdurch ausgewählten Themen wurde unter Anwendung von Erkenntnissen aus der BNE-Forschung in visuell ansprechenden Kompaktdarstellungen in Form von „Slide decks“ aufbereitet. Diese „Slide decks“ können in digitalen und analogen Lernkontexten genutzt werden.

Arbeitspaket 3 - Erstellung von digitalen Lern-Paketen: Dieses Arbeitspaket widmet sich der Erstellung von digitalen Lernangeboten. Vorrangig werden kompakte Video-Vorlesungen erstellt, die dem innovativen Lehrformat des ‚flipped classroom’- Konzepts folgen.
Methoden: Die Arbeiten an AP 3 folgten der gleichen Priorisierung wie für AP2. Hier wurden wie geplant 10 Videovorlesungen erstellt, die dem didaktischen Prinzip des ‘flipped classroom’ folgen. Die hauseigene Kommunikationsabteilung am Wuppertal Institut hat hier federführend mitgewirkt. Zudem wurde ein Graphical Recording Artist beauftragt, der zu den ansprechenden Kurzvorlesungen die grafische ‘Storyline’ erstellte. Diese erhöhen nicht nur die visuelle Attraktivität der Videovorlesungen, sondern können auch in pdf-Form als Hand-Outs an potentielle Teilnehmende ausgegeben werden.

Arbeitspaket 4 - Erstellen einer Machbarkeitsstudie fu¨r eine Transformations-Akademie: es wird ein Umsetzungskonzept in Form einer strukturierten Machbarkeitsstudie fu¨r eine Transformations-Akademie erstellt. Ziel ist es, den Akademie-Betrieb sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken zu ermitteln.
Methoden: In AP 4 wurden schließlich die Chancen und Risiken unterschiedlicher Betreibermodelle eines zukünftigen Akademiebetriebs, eine Wettbewerber- und Marktanalyse, sowie die zentralen didaktischen Prinzipien erarbeitet. Hierbei kam die Methode der Szenarienanalyse zur Anwendung. Drei unterschiedliche Zukunftsszenarien von Akademiemodellen wurden Workshop-Teilnehmenden vorgestellt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile kritisch reflektiert.


Ergebnisse und Diskussion

In allen drei Zielgruppen (Privatwirtschaft, Öffentliche Verwaltung, Zivilgesellschaft) wurden relevante Lernbedarfe identifiziert, und die Mehrzahl der Teilnehmenden äußerte deutliches Interesse an den Projektergebnissen sowie an der Teilnahme an zukünftig entstehenden Weiterbildungen und Trainings zu Fragen der Nachhaltigkeitstransformation.
Gleichzeitig bestehen zwischen den drei Zielgruppen auch Unterschiede in den Lernbedarfen und dem angestrebten Kompetenzaufbau zu Fragen der Transformation. Für Vertreter*innen der Zivilgesellschaft bzw. aus dem Non-Profit Sektor stehen oftmals Fragen der Professionalisierung und rechtlichen Institutionalisierung ihrer Aktivitäten sowie Aspekte der (gewinnenden) Kommunikation, Vernetzung, Finanzierungssicherung und Verstetigung im Vordergrund.
Im Öffentlichen Sektor hingegen dominieren Fragen des kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements, der Gestaltung von ressortübergreifender Zusammenarbeit sowie der finanziellen Gestaltung (Nachhaltigkeitshaushalte bzw. nachhaltigkeits- orientierte kommunale Haushaltspläne).
In der Privatwirtschaft beziehen sich die Lernbedarfe insbesondere auf nachhaltige Investments und der Bewertbarkeit von nachhaltiger Erstellung von Produkten und Dienstleistungen. Zentral erscheint, dass Weiterbildungen zu Nachhaltigkeitstransformation den konkreten Bezug zum Unternehmensalltag aufzeigen müssen. Ebenfalls besteht konkreter Lernbedarf in Bezug auf die sich rasch wandelnden regulatorischen Anforderungen an Unternehmen (etwa bzgl. Nachhaltigkeitsreporting, Transparenzverordnung).
Allen drei Zielgruppen ist der Bedarf nach Grundlagen einer gewinnenden Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit gemein. Damit ist sowohl die organisationsinterne als auch die externe und sektorenübergreifende Kommunikation gemeint. Ebenfalls zentral für alle drei Zielgruppen war der Wunsch nach Stärkung einer kontextspezifischen Umsetzungskompetenz, der die konkrete Operationalisierung von Maßnahmen unter Bedingungen großer Unsicherheit und Nicht-Wissens ermöglicht. Herausforderungen ergeben sich zu großen Teilen durch die komplexen interdisziplinären Akteurskonstellationen, die charakteristisch für Transformationsprozesse sind.
Diese teils unterschiedlichen, teils gemeinsam nachgefragten Bedarfe sind in den einzelnen Modulen thematisiert. So können die „Slide decks“ in Kombination mit den Video-Vorlesungen aus AP3 bedarfsgerecht eingesetzt werden; sie sind nicht notwendigerweise aufeinander aufbauend erstellt und können individuell zusammengesetzt werden.
Die abschließend in AP4 erarbeitete Wettbewerberanalyse zeigte deutlich, dass der Weiterbildungsmarkt im deutschsprachigen Raum recht heterogen ist und rasch wächst. Allein innerhalb eines Jahres sind mehrere professionelle Anbieter von zertifizierten Nachhaltigkeits-Weiterbildungen hinzugekommen. Dabei sind die Fokusthemen divers, es dominieren allerdings die zentralen Handlungsfelder bzw. Sektoren: Energie, Mobilität, Gebäude und Bauen, Kreislaufwirtschaft und Materialien (aktuell weniger präsent Ernährung, Wasser und soziale Fragen). Dabei stehen weiterhin technische Herangehensweisen oder Weiterbildungen in der sektorspezifischen Beratung im Vordergrund (z.B. zertifizierter Nachhaltigkeitsmanager für Gebäudeenergie).
Es fällt auch auf, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und der Non Profit Sektor über deutlich weniger professionelle Angebote verfügen als die Privatwirtschaft und die öffentliche Hand, was als wichtige Bedarfslücke erkannt wurde. Neben der Sektorfokussierung wird gleichzeitig ein Mangel an sektorübergreifenden Kompetenztrainings erkannt. Dies kann in Zukunft noch wichtig werden, um weitere Nachhaltigkeitspotentiale durch sogenannte Sektorkopplungen (z.B. Energie-Mobilität; Ernährung - Wasser - Energie) zu heben.
Auch die Abschätzung der Chancen und Risiken verschiedener, im Projekt skizzierter Betreibermodelle lässt einen Transformations-Akademie-Betrieb als sinnvoll erscheinen. Hierfür wurden einige zentrale Qualitätsmerkmale einer solchen Akademie definiert, wie bspw. die verständliche, praxisnahe, multiperspektivische und handlungsorientierte Vermittlung der Transformationsthemen oder die Anwendung innovativer Formate wie Reallabore und Nachhaltigkeitsexperimente. Daneben sind Partnerschaften mit zentralen Institutionen im Bildungsbereich wichtig; ein Aufbau auf bestehenden Strukturen erscheint sinnvoll für eine zukünftige Akademie.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Teile der Projektergebnisse wurden bereits innerhalb der Laufzeit des Projektes wie vorgesehen in der wissenschaftlichen Zeitschrift GAIA publiziert. Die entsprechende Referenz und die Open Access Publikation befinden sich im Anhang dieses Berichtes. In dem publizierten Artikel wurde selbstverständlich auf die DBU als Fördermittelgeber hingewiesen.
Zusätzlich wurden die mit dem Projekt verbundenen Ideen in zahlreichen internen und öffentlichen Veranstaltungen präsentiert, um auf die Potentiale neuer Lehr- und Lernformen zur Gestaltung von Nachhaltigkeitstransformation hinzuweisen und um Kooperationspartner für die Fortführung der Aktivitäten zu gewinnen.
Konkret bestehen aktuell mehrere Umsetzungs- und Fortführungsaktivitäten. Gemeinsam mit der Kulturstiftung des Landes NRW ist die Umsetzung von Lernmodulen zur Nachhaltigkeitstransformation im Kultursektor ab 2023 geplant. Zusätzlich werden Pilotmodule für die Umsetzung gemeinsam mit der Zukunftsagentur Rheinisches Revier zur Anwendung in einer der Kohleausstiegsregionen Deutschlands weiterentwickelt und erprobt.


Fazit

Die geplante Vorgehensweise konnte umgesetzt werden und wichtige Teile der Projektergebnisse wurden bereits publiziert und befinden sich in der Fortführung zur weiteren Umsetzung mit regionalen und überregionalen Partnern.

Übersicht

Fördersumme

62.500,00 €

Förderzeitraum

01.03.2021 - 01.08.2022

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Umweltkommunikation