Projekt 37049/01

Stresstest resilientes Quartier – Betroffenheit von Quartieren durch Epidemien und Strategien zur Erhöhung der Resilienz – am Beispiel der SARS-CoV-2-Pandemie

Projektträger

Universität Bremen Institut für Public Health und Pflegeforschung
Grazer Str. 4
28359 Bremen
Telefon: +49 421 218 68820

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die aktuelle COVID-19-Pandemie berührt nach wie vor grundlegend alle Lebensbereiche. Die hohe Infektionsgefahr erfordert aufgrund von Abstandsgeboten einen neuen Umgang mit der Nutzung des privaten Raums, vor allem der Wohnung und des Wohnumfelds, und von öffentlichen Innen- und Freiräumen. Das vorliegende Forschungsprojekt hat sich mit den unterschiedlichen Auswirkungen einer Epidemie einer respiratorischen Infektionskrankheit auf die kleinräumigen Raumnutzungsmuster befasst. Zielsetzung des Forschungsprojekts war es, die Resilienz unterschiedlich strukturierter Quartiere gegenüber dem Stresstest einer Epidemie bzw. Pandemie zu bewerten, um die Notwendigkeit und Anpassungsfähigkeit bestehender städtebaulicher Strukturen zu identifizieren. Zentrale Fragestellung war, welche Konsequenzen sich daraus für die Ausgestaltung und Anwendung formeller und informeller Instrumente, v.a. des Städtebaus sowie des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ergeben, um die Resilienz von Quartieren gegenüber zukünftigen Epidemien von infektiösen respiratorischen Krankheiten zu erhöhen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn einem ersten Schritt wurde eine umfangreiche Recherche nationaler und internationaler wissenschaftlicher Literatur durchgeführt zur Identifizierung von sozioökonomischen und städtebaulichen Faktoren, die mit SARS-CoV-2-Infektionen bzw. COVID-19-Erkrankungen assoziiert sind, sowie von möglichen negativen Folgen der Infektionsschutzmaßnahmen insbesondere hinsichtlich der Verschärfung sozialer Ungleichheiten. Eine ergänzende Presserecherche für mehrere Städte gab Hinweise auf Änderungen z.B. im Mobilitätsverhalten, Nutzung von öffentlichen Freiräumen und auf kurzfristige Maßnahmen.
Auf dieser Grundlage wurden Indikatoren abgeleitet, die kategorisiert und in ihrem Begründungskontext zusammengestellt wurden. Diese wurden mit ausgewählten gesundheitsrelevanten Handlungsfeldern der Stadtentwicklung – Wohnumfeld und öffentlicher Raum, Mobilität, Versorgung und soziale Infrastruktur sowie Wohnen – verknüpft mit einem besonderen Fokus auf vulnerable Gruppen im Quartier. Dabei zeigte sich, dass Gesundheit als Begründungszusammenhang bei vielen Indikatoren nur implizit besteht.
In einem weiteren Schritt wurde die Verfügbarkeit raumbezogener Daten auf städtischer Ebene in Deutschland sowohl hinsichtlich von Inzidenzdaten als auch von Daten für die Indikatoren der Resilienzbewertung umfassend geprüft. Hier bestanden Hürden wie fehlende Datenerfassung und fortschreibung, eingeschränkter Datenzugang oder unklare Zuständigkeiten für die Datenbereitstellung. Geeignete Daten wurden beschafft und für die Analyse aufbereitet.
Die Auswahl von fünf Fallstudien-Quartieren erfolgte nach Ähnlichkeits- und Differenzkriterien in Großstädten in unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Diese fünf Stadtquartiere bildeten die Grundlage für die konkrete Anwendung der Indikatoren. Für die Quartiere wurden charakterisierende Quartiersprofile mit den zentralen quantitativen und qualitativen Merkmalen erstellt und durch Experten*innengespräche qualifiziert. Anhand der identifizierten Indikatoren wurde eine Bewertung der fünf Quartiere hinsichtlich ihrer Resilienz vorgenommen. Hier wurde deutlich, dass alle Quartiere unterschiedlich in Art und Umfang sowohl resiliente Strukturen als auch Defizite aufwiesen. Die für die ausgewählten Handlungsfelder relevanten Instrumente der Stadtplanung – hier vor allem solche, die sich auf den städtebaulichen Bestand orientieren – und von Public Health (insbesondere des Öffentlichen Gesundheitsdienstes) wurden anhand ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Resilienz in den Quartieren und in ihrer wechselseitigen Verknüpfung betrachtet.



Ergebnisse und Diskussion

Wichtigstes Ergebnis des Projekts ist eine praxisorientierte Arbeitshilfe „Stresstest Resilientes Quartier. Arbeitshilfe für die kommunale Praxis zur Förderung der Robustheit und Anpassungsfähigkeit bei Epidemien“, die sich den zentralen raumbezogenen Aspekten von Resilienz im Quartier und generell im urbanen Raum im Kontext von Epidemien widmet und eine Methode zur Bewertung der Resilienz des Quartiers anhand abgeleiteter und kategorisierter Indikatoren vorstellt und beispielhaft erläutert. Instrumente und Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz sind nach Handlungsfeldern differenziert und mit öffentlichen und privaten Akteuren verknüpft. Die Arbeitshilfe richtet sich an Planungs- und Bauverwaltungen, private Unternehmen der Stadt- und Infrastrukturplanung (in der Regel KMU) und den Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie alle Fachämter im Sinne des Ansatzes Health in All Policies, um zu einer Resilienzsteigerung in Stadtquartieren und weitergehend Verankerung von Gesundheitsförderung und Prävention als Querschnittsthema in allen Politikfeldern beizutragen.
Die Arbeitshilfe wurde in einer Entwurfsfassung in einem Workshop mit Expert*innen aus der Stadtplanung und Public Health diskutiert und anschließend entsprechend überarbeitet. Sie ist als PDF-Datei online abrufbar auf der Internetseite des Instituts für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Rahmen der Disseminationsstrategie des Projekts wird die Arbeitshilfe aktiv in die Fachöffentlichkeit kommuniziert. Dies erfolgt in Form von Artikeln in Fachzeitschriften, die sich in erster Linie an die Planungspraxis und die Praxis des Öffentlichen Gesundheitsdienstes richten. Dazu zählt beispielsweise die Fachzeitschrift PLANERIN, in der 2022 ein Beitrag erschien. Eine Projektbeschreibung wurde auf der Homepage des Instituts für Public Health und Pflegeforschung (IPP) sowie in dem Newsletter des Instituts, IPP-Info Nr. 18 / 2021 veröffentlicht. Methodik und Ergebnisse des Projektes wurden auf Fachtagungen vorgestellt wie der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) 2021, der ARL - Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft 2021 und auf der Abschlusskonferenz zur DBU-Förderinitiative „Corona und Nachhaltigkeit - Lernen aus der Krise für eine nachhaltige Entwicklung“ 2022. Der umfangreiche Abschlussbericht des Projektes wurde als IPP-Schrift 19 im Jahr 2022 veröffentlicht und ist online auf der Homepage des Instituts für Public Health und Pflegeforschung verfügbar. Auf die unterschiedlichen Möglichkeiten des Downloads der PDF-Dateien des Berichtes und der Arbeitshilfe wird bei Workshops oder Tagungen hingewiesen. Darüber hinaus bestand bereits Interesse seitens der Interviewpartner*innen, die Ergebnisse des Projekts vor Ort im Quartier vorzustellen.


Fazit

In einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Stadtplanung und Public Health wurde eine Vorgehensweise entwickelt, wie die Robustheit von Stadtquartieren hinsichtlich von Epidemien im jeweils innerstädtischen Vergleich beurteilt werden kann. In dem Projekt wurde die umfassende, praxisorientierte Arbeitshilfe „Stresstest Resilientes Quartier. Arbeitshilfe für die kommunale Praxis zur Förderung der Robustheit und Anpassungsfähigkeit bei Epidemien“ erarbeitet. Sie bezieht sich auf zentrale raumbezogene Aspekte von Resilienz im Quartier und generell im urbanen Raum im Kontext von Epidemien. Es wird eine Methode zur Bewertung der Resilienz eines Quartiers anhand abgeleiteter und kategorisierter Indikatoren vorgestellt und beispielhaft erläutert. Durch die niedrigschwellige Kommunikation der Ergebnisse des Projekts in die Planungspraxis zielt die Arbeitshilfe auf eine unmittelbare Anwendung. Daher sind mögliche Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz nach Handlungsfeldern differenziert dargestellt mit Verweis auf die jeweiligen Instrumente und öffentlichen und privaten Akteure.
Die Arbeitshilfe richtet sich an Planungs- und Bauverwaltungen, private Unternehmen der Stadt- und Infrastrukturplanung (in der Regel KMU) und den Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie alle Fachämter im Sinne des Ansatzes Health in All Policies, um zu einer Resilienzsteigerung in Stadtquartieren und weitergehend Verankerung von Gesundheitsförderung und Prävention als Querschnittsthema in allen Politikfeldern beizutragen. Die Praxistauglichkeit der Arbeitshilfe wurde im Rahmen des Projekts in einem Workshop von Fachleuten aus den Bereichen Stadtplanung und Public Health positiv bewertet. Welchen Beitrag die Arbeitshilfe für eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Resilienz von Quartieren leisten kann, wird sich nach deren Bekanntmachung und Verbreitung in der Zukunft zeigen.

Übersicht

Fördersumme

114.116,00 €

Förderzeitraum

01.11.2020 - 31.10.2021

Bundesland

Bremen

Schlagwörter

Landnutzung
Umwelttechnik