Projekt 37018/01

Energieeffiziente Raumklimatisierung mit Pflanzen: Ressourcenschonende Konditionierung der Innenraumluft durch dezentrale Vertikalbegrünungen -Green4indoor-

Projektträger

Bayerisches Zentrum für angewandte Energieforschung e. V. (ZAE Bayern)
Magdalene-Schoch-Str. 3
97074 Würzburg
Telefon: 0931 70564-338

Zielsetzung

Die im Projektvorhaben angestrebten Entwicklungen zielten auf eine Optimierung von Innenraumbegrünungssystemen ab, die die Regelung des Raumklimas unterstützen und somit eine Energieeinsparung im Gebäude ermöglichen sollten. Die Installation von energie- und kostenintensiven Luftkonditionierungsanlagen in Bestandsgebäuden sollte mithilfe dezentraler Befeuchtung über die Evapotranspiration der Innenraumbegrünung reduziert werden. So sollte die Begrünung zur Gebäudebefeuchtung und -kühlung eingesetzt werden und durch Reduktion energetischer Betriebskosten die Energieeffizienz des Gebäudes verbessert werden. Die Wasserabgabe der betrachteten vertikalen Begrünungssysteme erfolgte ohne Ventilatoren nur durch Verdunstung. Somit entstehen keine Aerosole und das Mitreißen von Mikroorganismen aus dem Substrat in die Raumluft sowie die Luftdurchmischung mit Nachbarplätzen wird minimiert. Besonders in der zum Projektstart aktuellen Pandemie und mit dem bisherigen Wissen der Verbreitung des Sars-CoV-2 Virus über Aerosole galt es hohe Luftwechselraten, die eine Aerosolverbreitung begünstigen, zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Die Vertikalbegrünungen können unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes darüber hinaus als Trennwand dienen.
Vor diesem Projekt fehlten technische Einrichtungen, wie z. B. geeignete Sensoren, um die Leistungen der funktionalen Begrünung zu regeln und zu automatisieren. Daher wurden zwei verschiedene vertikale Begrünungssysteme auf ihre Eignung für Innenräume geprüft und mit einer geregelten Pflanzenbewässerung und Sensorik angepasst. Darüber hinaus wurde eine Auswahl von Pflanzen, Substraten und eine zusätzliche Verdunstungsfläche hinsichtlich ihrer Verdunstungsrate in verschiedenen Versuchsaufbauten untersucht. Die Befeuchtung und Kühlung durch Begrünungssysteme sollte berechenbar und regelbar werden, um eine gezielte Befeuchtung ohne die Gefahr einer Überfrachtung der Luft sicherzustellen. Zusätzlich wurde eine Pflegestrategie für die vertikalen Begrünungssysteme ausgearbeitet, um eine langfristige Funktionalität sicher zu stellen.
Die Innovationshöhe dieses Projekts lag in seiner neuartigen Herangehensweise an die Optimierung des Verdunstungspotential der Vertikalbegrünungen. Dies geschah sowohl in Hinblick auf die Pflanzenauswahl als auch auf die Regelung der Bewässerung und Belichtung.
Eine intensive, breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit auf nationalen und internationalen Tagungen sowie hauseigenen Seminaren und entsprechenden Publikationen wurde umgesetzt. Weiterhin werden Besucher des ZAE Bayerns, jetzt überführt in den CAE – Center for Applied Energy Research - regelmäßig sowohl an der Klimaforschungsstation als auch im Informationscenter des Energy Efficiency Centers ausführlich über die Projektarbeit informiert. Über die HSWT finden wiederum die Projektergebnisse Eingang in die Lehre der Hochschule.

Arbeitsschritte

Im Folgenden werden die im Projekt durchgeführten Arbeitspakete und Meilensteine beschrieben.
AP 1: Identifizierung von Pflanzenarten, Pflanz-Substraten, Begrünungssystemen und Materialien mit zu erwartender hoher Verdunstungsrate und Kühlleistung
Im AP 1 wurde eine Auswahl von etwa 10 Pflanzenarten, 5 - 6 Substraten und 2 Begrünungssystemen erarbeitet, die eine hohe Verdunstungsrate erwarten ließen.
Anschließend wurden die Verdunstungsraten unterschiedlicher Pflanzenarten, die sich für eine Vertikalbegrünung im Innenraum bewährt haben, durch Messung der Photosyntheseleistung bei unterschiedlichen Luftfeuchten und die Feuchteabgabe durch Wägung bei definierten klimatischen Bedingungen gemessen. Ziel war es, Pflanzenarten zu ermitteln, die auch bei niedrigen Luftfeuchten die Stomata geöffnet lassen und somit einen Beitrag zur Erhöhung der Luftfeuchte im Raum leisten. Des Weiteren wurden in einem Mess-Screening die Verdunstungsrate und die daraus errechnete Kühlleistung unterschiedlicher Pflanzsubstrate und Begrünungssysteme untersucht, um die theoretisch erarbeitete Auswahl zu belegen.

Neben zwei begrünten Substraten wurde auch eine unbegrünte Verdunstungsfläche, die bei Bedarf an hoher Luftfeuchte zugeschaltet werden kann, gebaut und mit den begrünten Systemen verglichen.
Die Untersuchungen wurden im Gewächshaus der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) bzw. in einer Klimakammer am ZAE Bayern, jetzt CAE, durchgeführt.
MS 1: Es wurde eine Auswahl an Pflanzenarten und Substraten, die eine hohe Verdunstungsrate erwarten lassen und für die vertikale Begrünung geeignet sind, ausgewählt und charakterisiert.

AP 2: Optimierung der zwei Begrünungssysteme hinsichtlich Regelbarkeit der Verdunstungsrate und Kühlleistung
Ziel war in diesem Arbeitspaket eine Regelstrategie, die einerseits eine der Raumfeuchte und -temperatur angepasste Verdunstungsrate und Kühlleistung ermöglicht und andererseits eine Überfrachtung der Luft mit Feuchtigkeit vermeidet. Durch verschiedene Messmethoden wurden die im 1. AP erarbeiteten Begrünungssysteme hinsichtlich der Regelbarkeit der Verdunstungsrate und Kühlleistung weiterentwickelt. Eine Regelung und Automatisierung der Bewässerung durch geeignete Bodenfeuchtesensoren, die die Substratfeuchte ermitteln, ließ sich nicht realisieren. Keiner der getesteten Sensoren, ließ eine zuverlässige Bestimmung der Substratfeuchte erkennen. Allerdings konnte eine Regelbarkeit der Verdunstungsrate und somit der Kühlleistung durch Variation der Bewässerungsstrategie dargelegt werden.
Um eine Dauerhaftigkeit der Begrünung zu erreichen, ist eine Pflegestrategie erforderlich, die auf viele Begrünungssysteme übertragbar ist. Diese umfasst auch die Überwachung der Nährlösungsqualität (Sensoren für pH-Wert und Leitfähigkeit, Einsatz von Teststäbchen bei Über- bzw. Unterschreiten von Schwellenwerten für Nährstoffe). Das Pflegemanagement wird in einer Anleitung erfasst.
MS 2: Es wurden keine geeigneten Sensoren identifiziert, aber eine Regelstrategie für die Verdunstungsrate der vertikalen Begrünungen durch Variation der Bewässerungsstrategie sowie eine Pflegestrategie entwickelt.

AP 3: Untersuchung der Begrünungssysteme unter definierten Bedingungen
Die im AP 2 weiterentwickelten Begrünungssysteme wurden unter definierten Raum-bedingungen auf die Regelbarkeit der Verdunstungsrate und Kühlleistung getestet. Dazu wurden die Systeme im CAE-Projekthaus in baugleichen Räumen unter definierten Randbedingungen ohne Nutzereinfluss untersucht (Abbildung 1). Diese Vergleichsräume sind nicht nur baugleich identisch, sondern vor allem auch thermisch und hygrisch, womit sich der direkte Einfluss der Systeme abbilden lässt.

Abbildung 1: Aufbau der baugleichen Messräume mit kontrollierten, identischen Rahmen-bedingungen und entsprechender Sensorik.

Durch Variation der Klimabedingungen und der Einstellung bestimmter Klimasituationen im Raum konnten die Einflüsse der Begrünungssysteme auf die Verdunstungsrate und Kühlleistung ermittelt werden. Hier lag der Fokus auf der Kühlleistung der Systeme.
MS 3: Die Regelbarkeit der Verdunstungsrate und Kühlleistung, und somit der positive Einfluss auf das Raumklima, wurden in Räumen ohne Nutzereinfluss belegt.

Die Ergebnisse des Projekts wurden abschließend evaluiert und in einem Abschlussbericht dargestellt.
Insgesamt war eine Projektlaufzeit von 2 Jahren vorgesehen. Das Projekt startete Anfang März 2021, somit konnte die Vegetationsperiode 2021 im Projekt voll ausgenutzt werden.

Ergebnisse

Im Projekt wurden zwei Innenraumbegrünungssysteme auf ihre Verdunstungsleistung hin untersucht. Dazu wurden sowohl Messungen an den einzelnen Pflanzen im Labor als auch an begrünten Systemen in zwei Testräumen (einer mit Begrünungssystem und ein baugleicher Referenzraum) durchgeführt. Beim Wallflore-System liegt die Evapotranspiration bei einer relativen Luftfeuchte von etwa 45 % und einer Lichtintensität von 90 µmol pro Quadratmeter und Sekunde tagsüber im Bereich von 80 g pro Stunde bis 120 g pro Stunde. Der Anteil des Substrats an der Gesamtverdunstung liegt bei < 50 %. In dem 19 volle Tage umfassenden Auswertezeitraum konnte durch das Wallflore-System der Raumluft eine Gesamtkühlwärme von etwa 16 kWh entzogen werden. Dies entspricht im zeitlichen Mittel einer Kühlleistung von rund 35 W, wobei tagsüber kurzzeitig auch Werte bis zu knapp 80 W erzielt wurden.

Beim Vertiko-System liegt die Evapotranspiration bei einer relativen Luftfeuchte von etwa 45 % und einer Lichtintensität von 90 µmol pro Quadratmeter und Sekunde tagsüber im Bereich von 90 g pro Stunde bis 150 g pro Stunde. Der Anteil des Substrats an der Gesamtverdunstung liegt folglich meist bei > 50 % und damit trotz geringerer Pflanzenfläche höher als beim Wallflore-System. Eine Ursache hierfür kann die Evaporation über das Substrat darstellen, das im Vertiko-System aufgrund der häufigen und regelmäßigen Bewässerung nahezu durchgehend feucht gehalten wurde. Mit einer Gesamtkühlenergie von etwa 22 kWh im Auswertezeitraum liegt das Vertiko-System rund 50 % über dem Wert des Wallflore-Systems. Es ist jedoch zu beachten, dass aufgrund der deutlich verschiedenen Umweltbedingungen zwischen beiden Auswertezeiträumen (Mai bzw. Februar) eine direkte Vergleichbarkeit nur bedingt gegeben ist.

Mit einer durchschnittlichen Kühlleistung von etwa 30 W im aktiven Zustand liegt die Kühlleistung einer im Testraum zusätzlich installieren Verdunstungsfläche, bei der über einen offenen Wasserfilm zusätzlich verdunstet wird, deutlich unter den beiden untersuchten Vertikalbegrünungen. Im Gegensatz zu diesen lässt sich die Evaporation jedoch durch Ansteuerung der Zirkulationspumpe sehr einfach regeln.

Im direkten Vergleich zwischen bepflanztem Wallflore- und Vertiko-System zeigt letzteres eine etwa um den Faktor 1,5 gesteigerte Verdunstungsperformance. Der Unterschied scheint in Anbetracht der unterschiedlichen Gesamt-Oberflächen sowie der unterschiedlichen Bewässerungsstrategien plausibel. Das mehrmals täglich bewässerte Vertiko-System weist zu nahezu allen Zeiten ein feuchtes Substrat auf, während das Substrat des ca. alle 10 Tage bewässerte Wallflore-System zumindest phasenweise abtrocknen kann.

Die Verdunstungsfläche weist grundsätzlich eine deutlich geringere Verdunstung als die Vertikalbegrünungen auf, erhöht allerdings die Regelbarkeit der relativen Luftfeuchte im Raum.

Ohne Verdunstungsfläche ist eine Regelung der relativen Luftfeuchte im Raum auf etwa 50 % durch Variation der Bewässerungshäufigkeit möglich, wobei die Pflanzengesundheit hier ein limitierender Faktor ist.

Eine unkomplizierte und auf Dauer verlässliche Regelung der Luftfeuchte basierend auf den Werten von Bodenfeuchte-Sensoren hat sich jedoch aufgrund der hohen Unsicherheit der Messwerte, selbst bei Verwendung unterschiedlicher Sensoren als nicht realisierbar herausgestellt.

Beide Begrünungssysteme führen dazu das Raumklima tagsüber größtenteils im „behaglichen“ Temperatur-Feuchte-Bereich in Abbildung 2 zu halten, während der unbegrünte Referenzraum nur ein „noch behaglich“ erreicht.

Abbildung 2: Behaglichkeit mit Vertikalbegrünung (Messraum, Grafiken (a), (c), (e)) und ohne Vertikalbegrünung (Referenzraum, Grafiken (b), (d), (f)) des Herstellers Vertiko nach Anpassung der Heizungssteuerung. In (a) und (b) ist jeweils der gesamte Auswertezeitraum aufgetragen, in (c) und (d) nur der Zeitraum von 9 Uhr bis 17 Uhr, in (e) und (f) nur von 19 Uhr bis 7 Uhr. Der Auswertezeitraum erstreckt sich von Donnerstag, den 08.02.23 bis einschl. Dienstag, den 21.02.23. Alle Werte wurden mittels Gauß-Filter geglättet. Die gezeigten Temperaturen sind keine Lufttemperaturen, sondern operative Temperaturen als arithmetischer Mittelwert zwischen Luft- und Globe-Temperatur.

Öffentlichkeitsarbeit

Das Projekt wird vorgestellt auf den Webseiten (siehe Bereich Links) sowie auf Researchgate (ebenfalls Abschnitt Links).
Das Projekt wurde am 10.05.2022 in Stuttgart beim BuGG Tag der Forschung und Lehre in einem Vortrag präsentiert.
Die bereitgestellten Vorträge zum BuGG-Tag der Forschung und Lehre Gebäudegrün 2022 konnten bis zum 31.07.2022 unter online abgerufen werden (Links).
Es wurde ein gemeinsames Projektposter erstellt (auf Researchgate, siehe Links) und auf dem Bundeskongress Gebäudegrün 2021 des BuGG vorgestellt. Das Projekt wurde dort auch im Vortrag „Überblick zur Forschungslandschaft und Wissensstand“ von Frau Prof. Pfoser vorgestellt.
Eine Projektvorstellung ist in der Zeitschrift Gebäudegrün geplant für 2023.
Die Projektergebnisse werden am 27. Juni 2023 auf dem BuGG-Weltkongress Gebäudegrün in Berlin im Rahmen eines Vortrages präsentiert werden.
BuGG Tag der Forschung und Lehre 2023, Frankfurt: geplante Vorstellung der Ergebnisse aus dem Projekt

Projektbeschreibung bei HSWTProjektdarstellung auf ResearchgateProjektposterBuGG Tag der Forschung und Lehre 2022

Fazit

Die Regelbarkeit der Raumklimatisierung konnte im Projekt belegt werden, aber die Abbildung in einer App oder die Anbindung an ein Smart-Home-System stehen noch aus und sollten in einem Folgeprojekt realisiert werden.
Zur Verbesserung Kalkulation der Begrünungseffekte auf die Gebäudeklimatisierung bietet sich die Entwicklung von Raumsimulationsmodellen auf Grundlage der vorhandenen Messwerte für die Befeuchtungs- und Kühlwirkung der Begrünungssysteme an, die in eine Gebäudesimulations-Software implementiert werden können. Somit könnten die Wirkungen von Begrünungssystemen in verschiedenen Gebäudeausführungen mit variablen Klimasituationen simuliert werden und somit weitere Erkenntnisse zum zielführenden Einsatz gewonnen werden.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigten, dass die Messung der Substratfeuchte mit herkömmlichen Bodenfeuchtesensoren in den verwendeten Substraten problematisch ist. Eine Weiterentwicklung und Verbesserung der Bodenfeuchtesensoren zusammen mit einem Industriepartner ist zu prüfen.
Da die Transpirationsleistung der Pflanzen deutlich von der Lichtintensität abhängt, wäre eine Weiterentwicklung der Regelstrategie zur Optimierung der Transpirationsleistung basierend auf dem „Daily Light Integral“ ein vielversprechender Ansatz.
Das Pflegemanagement könnte durch eine innovative App vereinfacht werden, die auf die im vorliegenden Projekt gesammelten Informationen zurückgreift und die Feuchtesensoren sowie Nährlösungsparameter einbezieht. So werden Hilfestellungen für die Pflege gegeben und Störungen durch Alarmierungen frühzeitig erkannt
Der energetische und ökonomische Vorteil der Innenraumbegrünung wurde bislang nicht untersucht. Daher werden in einem weiterführenden Projekt die Quantifizierung der Energieeinsparung und eine Kosten-Nutzen-Analyse anvisiert. Zur ganzheitlichen Betrachtung wird eine Lebenszyklusanalyse (engl. Life Cycle Assessment, LCA) vorgesehen, die mittels kalkulierter oder gemessener Energieeinsparung u. a. die Senkung des Treibhauspotentials darstellt. Ziel dabei ist es, die Effizienz der Innenraumbegrünung über den gesamten Zeitraum, also „from cradle to grave“, zu bewerten und so die Akzeptanz sowie die Verwendung der Begrünung zu steigern.

Übersicht

Fördersumme

124.266,00 €

Förderzeitraum

01.03.2021 - 28.02.2023

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung