Projekt 35615/01

Optimierung eines Museumsdepots und modellhafte Vorbereitung schimmelbelasteter Objekte aus musealen Beständen zur Einlagerung in geeignete Depoträume – Entwicklung eines „integrated pestmanagements“ (IPM) bezogen auf mikrobiellen Befall

Projektträger

LVR-LandesMuseum Bonn Rheinisches Landesmuseum für Archäologie, Kunst- und Kulturgeschichte
Bachstr. 5 - 9
53115 Bonn
Telefon: +492070224

Zielsetzung

Das LVR-LandesMuseum Bonn bewahrt in seinem 1998 speziell als Museumsdepot errichteten Außenlager vorwiegend archäologische Objekte aus Stein, Organik, Keramik und Metall sowie in geringerem Umfang Gemälde und Möbel.
Aufgrund der unterschiedlichen Materialien und Dimensionen sind die Anforderungen an die Lagerungsbedingungen sowie Handhabung einschließlich sachgerechter Verpackung der Objekte sehr unterschiedlich. Die organischen Materialien besitzen z. T. eine erhebliche Empfindlichkeit für klimatische Schwankungen und damit einhergehende mikrobiologische Besiedelung oder Schädlingsbefall. Obwohl beim Bau des Depots eine Klimatisierung installiert wurde, haben sich die Lagerungsbedingungen in den unterschiedlichen Depoträumen als z. T. ungeeignet erwiesen, was zu einer starken Schimmelentwicklung an den Objekten in einem Raumabschnitt geführt hat.
Seit dem zurückliegenden Jahrzehnt treten insgesamt vermehrt Situationen insbesondere in klimatisierten Depots und Ausstellungen von Museen auf, bei denen beobachtet wurde, dass trotz nominell erfüllter Bedingungen eines angeblich für Schimmelpilze ungeeigneten Klimas, mikrobieller Befall nicht ausgeschlossen werden kann.
Die herkömmlichen Methoden zum Umgang mit durch organische Biozide kontaminiertem Material umfassen Verkapseln und Binden (Aktivkohle) bzw. oberflächliches Absprengen oder thermisches Zerstören (CO2-Schnee, Plasma-Reinigung). Die genannten Verfahren wurden regelhaft unter experimentellen Rahmenbedingungen durchgeführt und sind zudem nicht auf alle Materialien anwendbar. Die bisherige Vorgehensweise umfasst im Wesentlichen Schutzmaßnahmen der mit den Objekten umgehenden Personen, aber kaum die Dekontamination der befallenen Objekte.
Zur Entfernung bzw. zum Abbau von Mycotoxinen und Bioziden gibt es erheblichen Untersuchungsbedarf. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim hat zur Abtötung des Befalls stichprobenartig Versuche mittels Ionisation in Kombination mit Ozon durchgeführt. Diese Methode hat sich für die Tötung von Pilzen im experimentellen Setting bedingt bewährt. Die Wirkung dieser Maßnahmen auf unterschiedliche Materialien wurde ansatzweise untersucht. Inwiefern Biozide und Mycotoxine umgesetzt werden und wie schädlich die Umsetzungsprodukte sind, ist bisher jedoch nicht untersucht.
Die Wirksamkeit von im Museumsdepot Meckenheim angewendeten Reinigungen (Trocken- oder Nassreinigung) ist in Bezug auf Vitalität der Organismen, Feuchtigkeitsgehalt des behandelten Materials, sowie eventueller Umsetzungsprodukte der Mycotoxine ebenfalls noch nicht geprüft und kann im Rahmen des Projekts exemplarisch zum Nutzen auch anderer Museen durchgeführt werden. Es sollen insbesondere giftfreie, physikalische Methoden der Dekontamination von Kulturgut untersucht und an die besonderen Anforderungen beim Einsatz an empfindlichen und kulturhistorisch wertvollen Objekten angepasst werden. Für zukünftige Handlungsanweisungen ist zu überprüfen, ob die bisher angewandte Maßnahme der maschinellen Nassreinigung ausreicht, keramisches Material zu sterilisieren. Die Auswirkungen der Hitze- und Feuchteeinwirkung, die zu Veränderungen in der Matrix der Keramik, in Hinblick auf nachfolgende naturwissenschaftliche Untersuchungen (z. B. Lipide) führen könnten, ist bisher nicht bekannt und muss geklärt werden. Darüber hinaus ist eine Änderung von Aufbewahrungssituationen zu erproben. Für Objekte, bei denen sowohl die Materialfeuchte nicht nennenswert verringert werden darf als auch Sauerstoff weitgehend ausgeschlossen sein muss, um den Angriff durch Pilze auszuschließen, ist die u. a. für Bruchholz angewandte Methode der Lagerung unter Schrumpffolie zu erproben. Hierzu ist, um die Übertragbarkeit auf Materialien/Objekte aus verschiedenen Depots/Magazinen/Museen, aber auch Objekt-/Materialkombinationen unter verschiedenen Belastungssituationen (mikrobielle/chemische Schadstoffbelastung) zu gewährleisten, ein Workflow zu erarbeiten, der beiden Anforderungen gerecht wird.
Insbesondere die Fokussierung auf physikalische Methoden für die Anwendung an Kulturgut stellt einen innovativen und vielversprechenden Ansatz dar und unterscheidet diesen maßgeblich von bisherigen Standards. Ergänzung finden muss diese Methode, um den dauerhaften Erhalt der Objekte zu garantieren, durch ein stichprobenartiges Monitoringsystem sowie Notfallplanungen, die zu erarbeiten sind (Integrated Microbial Pest Management). Weiterhin müssen Untersuchungen erfolgen, die zum Ziel haben Rahmenbedingungen zu entwickeln (z. B. biophysikalisch), um Wachstumsmöglichkeiten der relevanten Mikroorganismen auszuschließen. Hierfür ist zunächst zu untersuchen, an welchen Stellen die für eine aktive Klimaregelung erforderlichen Klimadaten zu erfassen sind bzw. wo angesichts explodierender Energiekosten und zunehmender Umweltbelastung auf Klimatisierung weitgehend verzichtet und ein sich selbst einregulierendes Raumklima genutzt werden kann.

Arbeitsschritte

Im Projekt werden Untersuchungen zur Effizienz giftfreier und materialverträglicher Dekontaminationsmethoden für Mikroorganismen auf im Museumsdepot des LVR-LMB gelagertem Kunst- und Kulturgut durchgeführt. Neben der desinfizierenden Wirkung ist dabei zu berücksichtigen, dass Informationen, die z. B. in archäologischen Scherben zu ursprünglich in den Gefäßen gelagerten Gütern enthalten sind, durch die eingesetzten Dekontaminationsmaßnahmen für eine spätere Analytik in ausreichendem Maße erhalten bleiben.

Bestimmung der Schadkeime 2020/21
- Bestimmung der für den Befall relevanten Mikroorganismen mittels
Mikroskopie und Anzucht auf Nährmedien.
- Untersuchung der Wachstumsbedingungen (Temperatur- und
Feuchteabhängigkeit) der relevanten Mikroorganismen auf Nährböden.

Effizienz und Materialverträglichkeit 2020/23

- Untersuchung der Wirksamkeit der im Museumsdepot angewendeten
Reinigungsmethode für die Masse der befallenen Objekte. Bei den befallenen
Objekten handelt es sich primär um Scherben, Steine und Knochenmaterial,
welche durch Waschen von Staub und Pilzbefall gereinigt werden.
- Bestimmung der Keimbelastung von Scherbenproben vor der Reinigung und
nach der Reinigung durch Kultivierung auf Nährböden.
- Bestimmung der Keimbelastung der Reinigungswässer durch Kultivierung auf
Nährböden und Bestimmung der keimbildenden Einheiten (KBE/ml).
- Untersuchung der Wirkung von Dekontaminationsmethoden (UVC, Ozon,
Ozon mit Ionisation, Kaltplasma) auf:
• Mikroorganismen zur Erfassung der erforderlichen Parameter zur
Dekontamination.
• Biogene Schadstoffe (Mykotoxine) zur Erfassung des prozentualen Abbaus
(der Nachweis erfolgt mittels Enzyme linked immuno sorbent assay [ELISA]).
• In den Scherben enthaltene organische Stoffe (Vergleich des Gehaltes vor
und nach der Behandlung; der Nachweis erfolgt durch Derivatisierung und
Analyse mittels Gaschromatographie und Massenspektroskopie [GC/MS]) für
ölige Substanzen. Für weitere organische Stoffe (Proteine) wie:
Gluten/Gliadin, Haselnuss, Fischkollagen, Ovalbumin (der Nachweis erfolgt
mittels ELISA).

Klimaparameter und Präventionsmaßnahmen 2023

Kontrolle der Effektivität ausgeführter Maßnahmen im Depot durch verschiedene Monitoringmaßnahmen:
- Positionierung von Feuchte- und Temperaturfühlern an repräsentativen
Stellen in unterschiedlichen Depoträumen zur Aufzeichnung von
Klimaverläufen.
- Auslegen von mit Sporen beimpften Probeplatten zur Kontrolle auf
befallskritische Klimabedingungen (Kontrolle erfolgt im monatlichen Abstand
visuell, gegebenenfalls durch ergänzende Analytik [ATP]).
- Feststellung der aktuellen Keimbelastung in der Raumluft durch
Luftkeimmessung in unterschiedlichen Depoträumen und Bestimmung der
keimbildenden Einheiten (KBE/m³).
- Erarbeiten und Untersuchen von konstruktions- und bauteilbedingten
Maßnahmen einschließlich verschiedener Temperierungsmöglichkeiten.
- Prüfung der Maßnahme zur Kompensation von Temperaturgefällen in der
Rollregalanlage.
- Parallel Messung der Temperatur- und Feuchteentwicklung in einem Raum
mit Rollregalanlage ohne Klimatisierung (klimatisch abgeschlossener Raum
ohne Eintragung von Feuchtigkeit). Die Entwicklung wird mit Datenloggern
aufgezeichnet, sowie mit Probeplatten überwacht.

Erarbeitung eines Workflows 2023/24

Ziel ist es einen allgemeingültigen Workflow zu entwickeln, der es erlaubt, bei eingeschränkter Personallage, effizient und vorausschauend handeln zu können:
• Die Räume mit bestehenden eingelagerten Materialien auf Klimasicherheit zu
überwachen.
• Bei eventueller Entgleisung des Klimas schnell Kenntnis von diesem Zustand
zu erhalten, um regulierend eingreifen zu können, bevor sich ein Befall
großflächig etablieren kann.
• Praktikable Maßnahmen zur Entkeimung zur Verfügung zu haben.
• Prozeduren ergreifen zu können, um neu einzulagerndes Material sicher
vorzubereiten.

Durch die Optimierung der Lagerung erfolgt eine Sicherstellung der Erhaltung von wichtigem Kunst- und Kulturgut. Kostenintensive Maßnahmen (Depoteinrichtung und -bewirtschaftung) sind durch die Vermeidung eines mikrobiellen Befalles nachhaltiger, da kostenintensive Restaurierungs- und Reinigungsmaßnahmen erspart werden. Die benötigten Vorgänge sind unkompliziert und auch bei eingeschränkter Personallage durchführbar. Die Maßnahmen benötigen keine Fachleute, sondern können auch von dafür nachträglich geschultem Personal durchgeführt werden.
Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse wird eine Handlungsempfehlung (Handlungsleitfaden) zur Einlagerung in und Unterhaltung von Depots entwickelt. Die Ergebnisse werden auf einer Abschlusstagung vorgestellt.

Übersicht

Fördersumme

122.439,00 €

Förderzeitraum

24.08.2020 - 24.02.2024

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung