Digitale Plattform für ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie: circular.fashion zur Vernetzung der Lieferkette
Projektdurchführung
circular.fashion GmbH
Budapester Str. 38 - 50
10787 Berlin
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Das Ziel des Vorhabens ist es, den Wandel für eine textile Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Das circular.fashion-System bietet der Textilindustrie eine Lösung, um sich von der linearen Wirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Dies ist eine vernetzte Softwarelösung, die fehlende Transparenz zwischen Materiallieferant*innen, Modemarken, Konsument*innen, Altkleidersortierer*innen und Recycler*innen im Sinne einer Industrie 4.0 herstellt. Durch die einzelnen Komponenten des Systems, die sich an verschiedene Kundengruppen richten, wird der Kreislauf für Textilien über die ganze Wertschöpfungskette geschlossen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZur Erreichung der beschriebenen Ziele braucht es Werkzeuge, die es den Akteuren entlang der Wertschöpfungskette ermöglichen, ihre Geschäftspraktiken und Produkte schrittweise kreislauffähig zu gestalten. circular.fashion hat für dieses Vorhaben ein Vorgehen festgelegt, das es ermöglicht, die entsprechenden Tools möglichst früh am Markt anbieten zu können und gleichzeitig einen hohen Anspruch an Nachhaltigkeit zu gewährleisten.
In der letzten Phase des Projektes wurden die abschließende Programmierung der noch offenen Software-Features und die Finalisierung von offenen Aktivitäten erfolgreich abgeschlossen sowie auf der Abschlussveranstaltung präsentiert und live demonstriert.
Da sich während dieser Projektphase auch Synergien mit dem parallelen DBU-Projekt des Unternehmens GTS ergeben haben, wurde die Abschlussveranstaltung an zwei aufeinander folgenden Tagen kombiniert. Auch weitere Engagements von circular.fashion im Bereich der Datenstandardisierung waren positiv für den Verlauf der Projektphase, wie beispielsweise Arbeitsgruppen der ISO sowie die DIN Circular Economy Roadmap, bei der Mario Malzacher als stellvertretender Arbeitsgruppenleiter Textil die Initiative mitgeleitet hat. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz konnten wir Synergien für eine Standardisierung der kreislauffähigen Geschäftspraktiken voll ausschöpfen.
Ergebnisse und Diskussion
In der gesamten Laufzeit des DBU-Projekts konnte circular.fashion alle geplanten Meilensteine erreichen. Diese werden in der nachfolgenden Aufzählung zusammengefasst.
Kreislaufchecks von Materialien
Die Kreislaufchecks von Materialien basieren auf den Anforderungen von Recycler*innen. Im Prozess des Kreislaufchecks vergleicht circular.fashion die Materialspezifikationen mit den Anforderungen der Recycler*innen und definiert basierend auf den Ergebnissen, für welche Recyclingströme das Material sich eignet. Um diese Checks nicht komplett manuell durchführen zu müssen, hat circular.fashion bereits ein Excel-Dokument erstellt. In diesem können die Daten zu einem Material eingefügt werden und es wird dann automatisch mit den Anforderungen der Recycler*innen abgeglichen. In der letzten Projektphase wurden die Kreislaufchecks auch in die Circular-Design-Software integriert, um dort automatisiert die angelegten Materialien zu testen. Hersteller*innen können ein Material anlegen und dafür einen Circular-Material-Check beantragen. Dafür wurde eine Validierung des Formulars zur Eintragung der Materialdaten erstellt, sodass Hersteller*innen auf der Übersichtsseite eines Materials sehen können, welche Materialdaten noch fehlen, um einen Circular-Material-Check zu beantragen. Sobald alle Daten vollständig eingetragen wurden, können Hersteller*innen den Check automatisch beantragen sowie den Status übersehen. Das Ergebnis des Checks wird dann ebenfalls auf der Übersichtsseite des Materials angezeigt. Da validierte Materialien direkt in der Circular-Material-Library (CML) angezeigt werden sollen, hat sich circular.fashion entschieden, den Check nicht vollständig automatisiert ablaufen zu lassen. Das Team ist der Überzeugung, dass nur Materialien, deren Daten und Zertifikate zusätzlich durch eine Person validiert wurden, in der CML angezeigt werden sollten. Die Software sendet daher automatisiert eine Nachricht, sobald ein Material alle nötigen Daten und Zertifikate hinterlegt hat und ein Check beantragt wurde. Dieser wird dann entsprechend durchgeführt und das Ergebnis in dem System hinterlegt. Daraufhin wird der Hersteller informiert und das Material livegestellt.
Produktkonfigurator und Produktkreislaufcheck
Über den Produktkonfigurator können über die Circular-Design-Software ganze Produkte von Modemarken angelegt werden. Der Produktkreislaufcheck basiert auf einzelnen Kreislaufchecks von Materialien und prüft, ob die Materialien in einem Produkt vereint werden können, ohne die Recyclingfähigkeit des ganzen Produkts zu verlieren. In den letzten Monaten konnte die technische Entwicklung wie geplant umgesetzt werden. Das erste Minimum Viable Product (MVP) wurde in Q4 2022
realisiert, und Ende Q1 2023 wurde die Version fertiggestellt, mit der der Launch umgesetzt wird. Diese Version wurde bereits zahlreichen Modemarken in einzelnen Demo-Terminen vorgestellt, darunter Marc OPolo, Otto und Zalando. Anhand der Produktdaten können nun die Circular-Design-Criteria in einem interaktiven Format ausgefüllt und bewertet werden. Als Ergebnis erhalten Modemarken die Information darüber, welche Bereiche der Circular Design Criteria erfüllt sind. Diese sind:
1. Safe Inputs, Recycled or Renewable Inputs
2. Design for Recycling
3. Design for Longevity, Functional Durability, Transformability, Repairability & Design enabling
Circular Retail Models
4. Enable Circulation
Das Tool wurde bewusst so konzipiert, dass es ein ansprechendes, einfach verständliches Nutzer-Interface gibt, da die ersten Kund*innen dieses Tools vermutlich keine Software-Tools nutzen, mit denen über eine API-Schnittstelle Produktdaten automatisch an das Tool gesendet werden können. Es wurde aber, wie oben bereits beschrieben, als ein essentielles zukünftiges Feature definiert, dass durch eine API-Schnitstelle, der Datentransfer vom PLM in das Tool automatisiert werden soll.
Warenkorb und Materialverkäufe
Technisch wurde dieses Feature zur Bestellung von Materialmustenr umgesetzt. Die Tests mit Pilotkund*innen haben jedoch gezeigt, dass die Circular Material Database nicht als Beschaffungsplattform genutzt wird, sondern der Wert für Modemarken in der Bewertung von Kreislauffähigkeit der Materialien liegt und der kuratierten Auswahl an Materialinnovationen. Da das Versenden von Materialmustern auch logistisch eine Herausforderung ist und operative Kosten erzeugt, hat sich Circular.fashion dazu entschieden, diesen Service vorläufig nicht mehr anzubieten. Sollte die Nutzung sich zu einem späteren Zeitpunkt verändern, könnte das Feature aber auch wieder genutzt werden.
Recycler-Schnittstelle
Aus den diversen Anforderungen von Recycler*innen hat circular.fashion einen Fragebogen abgeleitet, der die umfangreichen Varianten an Anforderungen abbildet. Dieser Fragebogen ist aktuell noch in einem Excel-Dokument abgebildet, das Recycler*innen ausfüllen können. In den letzten Monaten wurde eine Schnittstelle für
die Software erstellt, in der diese Recycling-Anforderungen eingetragen werden können.
Pilotierung Circular Material Database
Das Feedback der Nutzer*innen ergab, dass der Wert der Circular-Material-Database im Wesentlichen darin gesehen wird, spezielle einzelne noch fehlende kreislauffähige Materialien zu finden sowie vielversprechende Lieferant*innen zu finden, welche bereits generell ein gutes Portfolio von kreislauffähigen
Produkten anbieten. Daher wurde die Strategie gewählt, die Plattform nicht im Sinne der Quantität, sondern der Qualität weiter auszubauen.
Vorbereitung Produkt-Launch
Eine schlanke Version der Circular Material Library, bei der beispielsweise Lieferanten nicht angezeigt werden, wird bereits als freie Version angeboten. Für das Geschäftsmodell hat circular.fashion diverse Unternehmen befragt, um das Erlösmodell und das Angebot an den Bedürfnissen und der Zahlungsbereitschaft der potenziellen Abnehmer*innen auszurichten. Daraus ergaben sich zwei verschiedene Angebote, die verschiedene Services als Gesamtpaket für einen jährlichen Betrag anbieten.
Circular Design Software User Interface und API-Schnittstelle. Diese Modelle wurden mit den interessierten Modeunternehmen bereits getestet und sind auf Interesse gestoßen. Zwei Unternehmen haben bereits mündlich ihr Interesse zugesagt, mit jeweils 25 Nutzern, und sind kurz vor Abschluss des Vertrages.
Rechtsberatung für AGBs und Aboverträge
AGBs und Aboverträge wurden gemeinsam mit einer Anwaltskanzlei vorbereitet und werden den interessierten Unternehmen vorgelegt.
Entwicklung eines Circularity-Scoring für Produkte und Materialien
Um nicht nur eine einfache Bewertung der Recyclingfähigkeit vorzunehmen, sondern auch Nuancen der Recyclingfähigkeit abzubilden, wurde ein Circularity-Scoring für Produkte mit mehreren Leveln konzipiert.
Dabei können Designer*innen ein interaktives Sheet pro Produkt ausfüllen und erhalten direkte Rückmeldung, welches Level der Kreislauffähigkeit ein Produkt erfüllt. Das Geschäftsmodell basiert auf Lizenzen pro Brand inklusive eines Onboarding-Workshops, um die Inhalte und das Format zu erläutern. Die Entwicklung der AGBs ist abgeschlossen und erste Kund*innen haben diesen Service bereits erworben.
Unter anderem nutzen bereits Otto und Marc OPolo das Tool, um Produkte bewerten zu lassen. Für das Material-Scoring hat sich gezeigt, dass die meisten Hersteller*innen aktuell noch nicht auf dem Stand sind, über eine Minimal-Anforderung hinauszugehen. Das Konzept des Scorings hat sich zwar als hilfreich und von
der Gewichtung her als stimmig herausgestellt, jedoch wurde deutlich, dass die Nachfrage, dies zu nutzen, aktuell noch nicht besteht, dass es die zeitlichen Kapazitäten der Nutzer*innen übersteigt, während noch wenig positive Scores erreicht werden, die über die Minimalanforderungen hinausgehen. Die Präferenz liegt hier deutlich auf dem Circular Material Check. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir erneut validieren, ob die Nachfrage für das Material-Scoring durch eine gesteigerte Circularity Readiness der Hersteller*innen gestiegen ist. Daher sind die Entwicklung und das Angebot erfolgreich abgeschlossen und werden aktuell verstärkt für das Circular-Product-Scoring angeboten.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Präsentationen:
Organic Textile Forum by it fits
Presentation Circular Design
10. Mai 2023 Ina Budde
Implementing Circularity by Worn Again
Panel Discussion on textile recycling
25. Mai 2023 Ina Budde
Global Change Award
Exhibition of Circular Design Software
9. Juni 2023 Ina Budde, Jonna Haeggblom
DBU Green Start up - Abschlussveranstaltung
Exhibition of Circular Design Software
3. Juli 2023 Ina Budde, Mario Malzacher
Abschlussveranstaltung
Zum Abschluss des Projekts wurden die Projektergebnisse, die circular.fashion dank dieses geförderten Projekts erreichen konnte, mit verschiedenen Gästen gefeiert und präsentiert. Damit direkt ein größeres Publikum erreicht werden konnte und um die Synergien der Projekte darzustellen, haben wir die Veranstaltung gemeinsam mit einem weiteren DBU-Förderprojekt umgesetzt, das in Kollaboration mit Global Textile Scheme ausgeführt wird. Beide Projekte wurden im Mai 2023 abgeschlossen.
Die Abschlussveranstaltung war ein deutlicher Erfolg mit 60 Gästen, einem gemeinsamen Abendessen am ersten Abend, inhaltsreichen Präsentationen sowie moderierten Austauschformaten, die in neue Vernetzungen und Partnerschaften mündeten. Wir haben uns besonders gefreut und sind dankbar, dass Frau Exner sowie Herr Dr. Berding persönlich an der Veranstaltung teilgenommen und diese jeweils für die betreuten Projekte eröffnet haben.
Gemeinsam haben wir einen umfassenden Überblick über die Themen Circular Design und Digitaler Produktpass aus unterschiedlichen Perspektiven erhalten. Es sind zahlreiche Ideen entstanden, für gemeinsame weiterführende Aktivitäten im Bereich Standards & Zertifikate, interne und externe Kommunikation zur Implementierung und Skalierung von Zirkularität sowie Synergien & Datenaustausch für eine Circular Economy, und wir freuen uns bereits darauf, hieran anzuknüpfen.
Fazit
Das Geschäft von circular.fashion hat sich seit Start und dank der Förderung sehr positiv entwickelt. Es wurde ein Entwicklungsansatz gewählt, in dem in einem nutzerzentrierten Prozess einzelne Module entwickelt werden und schnell damit an den Markt gegangen wird, um Feedback von den Zielgruppen
zu erhalten. Dank diesem Ansatz wurden schnell Lerneffekte erzielt und die Produkte konnten an die Zielgruppen angepasst werden. Insbesondere bei den Produktkreislaufchecks und dem Circularity Scoring konnte so ein guter Ansatz mit den Circular Design Criteria gefunden werden, der vom Markt
bereits gut angenommen wird. In diesem letzten Abschnitt des Projekts konnten wir nun erfolgreich die Produkte technisch abschließen und diese sogar bereits am Markt anbieten.
Dank der guten Auftragslage war das Team von circular.fashion in den letzten Monaten insbesondere auch mit Kundenaufträgen stark ausgelastet. Seit Projektstart konnte das Team so um sieben FTE-Stellen erweitert werden. Gleichzeitig erhält circular.fashion aus der Textilindustrie aktuell Signale, dass die Branche durch die global schwierigen Situationen und daraus resultierenden Marktbedingungen starke Auswirkungen der Krisen spürt.
Trotzdem ist der mittel- und langfristige Ausblick sehr gut, da die von circular.fashion entwickelten Werkzeuge für die dringend notwendige Transformation zur Kreislaufwirtschaft benötigt werden und wir aktuell auch von einigen Kunden gespiegelt bekommen, dass sie weiterhin in Nachhaltigkeit und unsere
Zusammenarbeit investieren werden.
Darüber hinaus hat das Projekt eine Lücke und großen Bedarf für weitere Entwicklung sehr deutlich gemacht: Die Kunden und Modeunternehmen, welche in das Testen der Tools involviert waren, haben sehr deutlich gemacht, dass sie es begrüßen würden und es essentiell finden, eine Zertifizierung für Kreislaufwirtschaft anzubieten. Sie sehen circular.fashion in der Rolle und schätzen die bereits entwickelten Rahmenwerke als absolut profund und einen guten Startpunkt, um dies voranzutreiben.
Für die Unterstützung im Rahmen der Förderung sowie Vernetzungen und Einladungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit sind wir sehr dankbar, um das Thema und die Wirksamkeit unserer Organisation kontinuierlich zu erweitern. Wir freuen uns weiterhin auf eine gute Kooperation, um Synergien für die nachhaltige und kreislauffähige Entwicklung der Textil- und Modebranche zu schaffen.