Projekt 31707/02

Untersuchung des Emissionsminderungs- und Effizienzsteigerungspotentials beim Einsatz von Linearaktuatoren mit elektrischer Leistungsversorgung in mobilen Arbeitsmaschinen – Phase 2, Felderprobung

Projektträger

Technische Universität Braunschweig Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge (IMN)
Langer Kamp 19 a
38106 Braunschweig
Telefon: 0531 391 2670

Zielsetzung

Der technologische Fortschritt in der Elektromobilität bietet für mobile Maschinen das Potential einer umweltfreundlicheren Antriebsgestaltung. Die Abkehr von Dieselmotoren in Kommunalfahrzeugen hin zu elektrischen Antriebskonzepten ermöglicht gerade in belasteten Innenstadtbereichen eine lokale Reduktion von Abgas- und Lärmemissionen. Die Realisierung einer öl-freien Maschine durch die Substitution hydraulischer Komponenten durch elektrische Antriebe schließt zudem die Gefahr von umweltgefährdenden Ölhavarien aus.
Die bisher auf mobilen Maschinen implementierte elektrische Antriebsleistung wird dabei überwiegend zur Versorgung rotatorischer Verbraucher und selten zur direkten Erzeugung linearer Bewegungen verwendet. Dies liegt daran, dass für den rauen mobilen Einsatz kaum geeignete Linearaktuatoren verfügbar sind. Eine vollständige Elektrifizierung des Gesamtsystems ist, ohne diese Herausforderung zu überwinden, nicht möglich. Deshalb ergibt sich die technologische Herausforderung, robuste und zudem mit hoher Kraftdichte gestaltbare Hydraulikzylinder durch elektrische Aktuatoren zu ersetzen.
Diese Herausforderung wird im vorliegenden Projekt adressiert, indem elektrische Antriebslösungen für zwei lineare Beispielantriebe erarbeitet werden.
Der Verstellzylinder am Seitenbesen einer Außenreinigungsmaschine ist dabei eine typische Anwendung eines linearen Stellaktuators. Es werden mittlere Kräfte und eine hohe Dynamik gefordert. Gleichzeitig unterliegt die Anwendung - wie im mobilen Bereich üblich – strengen Bauraumbegrenzungen.
Neue Anwendungsmöglichkeiten für elektrische Linearaktuatoren liegen im Bereich der linear oszillierenden Arbeitsantriebe. Als Beispiel für einen derartigen oszillierenden Arbeitsantrieb wird hier ein Balkenmähwerk betrachtet. Balkenmähwerke weisen mit ihrer geringeren Arbeitsintensität vorteilhafte Eigenschaften für den Naturschutz auf. Diese Mähwerke werden bislang über rotierende Antriebe mit nachgeschaltetem Getriebe zur Erzeugung der oszillierenden Bewegung angetrieben. Im Rahmen des Projekts wird ein alternatives Mähwerkskonzept untersucht, bei dem die oszillierende Messerschneide direkt von einem elektrischen Linearmotor angetrieben wird.

Arbeitsschritte

Die Bearbeitung des Projekts erfolgt in zwei Phasen. In der ersten Phase wurde die Anforderungsanalyse an die zwei betrachteten Beispielsysteme durchgeführt. Die Aktuatoren wurden ausgelegt, als Versuchsmuster aufgebaut und am Versuchsstand erprobt. In der hier vorgestellten zweiten Phase werden auf Basis dieser Erkenntnisse die Beispielaktuatoren überarbeitet, in die Anwendungen integriert und im Feldversuch erprobt.
In beiden Beispielanwendungen werden hierfür geeignete Elektromotoren identifiziert, ausgelegt und gefertigt. Die Anwendungen werden konstruktiv an die neuen Aktuatoren adaptiert. Im Fall der Seitenbesenverstellung wird diesem Prozess eine methodische Lösungsfindung vorangestellt, bei der der betrachtete Lösungsraum auch kombinierte elektromechanische Lösungen umfasst. Im Fall des direkt angetriebenen Balkenmähwerks geht der Umsetzung eine Betrachtung der Eigenschaften des veränderten Mähwerkskonzepts voran. Weiterhin werden Regelansätze entwickelt und untersucht, die einen stabilen Betrieb des Mähwerks unter den Umgebungseinflüssen eines Mähvorgangs ermöglichen.
Die realisierten Anwendungen werden weiterhin zunächst am Prüfstand und anschließend in der mobilen Anwendung getestet. Dazu wird eine konventionelle Kleinkehrmaschine zur Versorgung der elektrischen Antriebe aufgerüstet. Die Funktion der elektromechanischen Seitenbesenverstellung wird auf einem Freigelände getestet. Die Funktion des direkt angetriebenen Balkenmähwerks wird in Mähversuchen im Grasbestand geprüft.
Begleitend wird ein Simulationsmodell einer vollelektrifizierten Kehrmaschine weiter ausgearbeitet. Mit diesem Simulationsmodell wird der Einsatz dieser Maschine untersucht, um das Einsparpotential einer vollelektrifizierten Kehrmaschine bewerten zu können.

Ergebnisse

Die deutlich geringere Leistungsdichte von elektrischen Antrieben gegenüber hydraulischen Antrieben ist auch bei der Elektrifizierung von Linearantrieben eine wesentliche Herausforderung. Im Anwendungsbeispiel des Stellaktuators wurde in der ersten Projektphase untersucht, inwiefern eine Substitution des hydraulischen Stellzylinders durch einen elektrischen Direktantrieb möglich ist. Es wurde ein Linearaktuator mit hoher Kraftdichte ausgelegt, gefertigt und getestet. Die hohen Anforderungen aus Anwendung und Bauraum konnten jedoch nicht ausreichend abgedeckt werden.
Hier erweist sich die technologieoffene Ausweitung des betrachteten Lösungsraums in der zweiten Projektphase als sinnvoll. In einem methodischen Prozess werden Anforderungen und Teillösungen zusammengetragen und Potentiale von Lösungsansätzen untersucht. Als geeignete Lösung wird eine Kombination aus einem kompakten, rotierenden Motor mit einem hochübersetzenden Getriebe identifiziert, ergänzt um eine Bremse. Die Änderung des Antriebskonzepts macht eine Anpassung der konstruktiven Gestaltung des Aggregats erforderlich. Die Funktionen des Aggregats können dennoch in vollständigem Rahmen umgesetzt werden.
Die Performance der neu gestalteten elektromechanischen Antriebslösung wird anschließend sowohl auf dem Prüfstand als auch in der mobilen Anwendung untersucht. Hierbei zeigt die Antriebslösung ein robustes Verhalten sowie eine vollständige Erfüllung der gestellten Anforderungen.
Die Änderung des Antriebskonzepts zieht bei dem Anwendungsbeispiel des Balkenmähwerks umfassendere Auswirkungen auf Gestaltung und Funktion nach sich. Es wird ein Ansatz ausgearbeitet, in dem der Linearmotor mechanisch direkt mit der Messerschneide verbunden ist. Zur Zwischenspeicherung der kinetischen Energie bei der Bewegungsumkehr werden zusätzlich Schraubendruckfedern eingesetzt. Es entsteht ein schwingfähiges System, das auf den Betrieb in Eigenfrequenz optimiert ist.
Da ein Mähbetrieb vielfältigen Umwelt- und Störeinflüssen unterliegt, werden weiter verschiedene Regelungsansätze für die Anwendung betrachtet. Unter den gegebenen Bedingungen zeigt dabei nur eine hochdynamische Regelung auf Basis eines Super-Twisting-Ansatzes ausreichende Ergebnisse. In der Felderprobung kann dabei gezeigt werden, dass ein Mähbetrieb mit dem vorgestellten Mähwerkskonzept möglich ist.
Die simulativen Untersuchungen zur betrachteten Beispielmaschine zeigen, dass sich durch eine Elektrifizierung des Antriebsstrangs der Primärenergiebedarf der Maschine deutlich senken lässt. Der Energiebedarf der Linearaktuatoren stellt dabei nur einen kleinen Teil des Gesamtenergiebedarfs der Beispielmaschine dar. Zur Gestaltung vollelektrischer Antriebssysteme müssen aber auch für diese Antriebe anwendungsgerechte elektrische Antriebslösungen gefunden werden. Um den aktuellen Trend zur Elektrifizierung mobiler Maschinen weiter zu stärken, ist daher auch die Erarbeitung attraktiver linearer Antriebslösungen wichtig.

Öffentlichkeitsarbeit

Pußack, M.; Stasewitsch, I.; Frerichs, L.: Investigations of a cutter bar operated in resonance mode with an electric direct drive. 78. Tagung LAND.Technik AgEng 2020
Stasewitsch, I.; Pußack, M.; Schattenberg, J.; Frerichs, L.: Motion Control in Resonant Frequency for an Electrified Implement. 20th Mediterranean Electrotechnical Conference (MELECON) 2020
Zhang, Z.: Elektrifizierung von dynamischen Linearantrieben in mobilen Arbeitsmaschinen. Dissertation TU Braunschweig, 2020
Maurus, Q.; Pußack, M.: Herausforderungen bei der Elektrifizierung linearer Stellantriebe von Nutzfahrzeugen. 10. Kolloquium Mobilhydraulik, Braunschweig 2018
Maurus, Q.; Canders, W.-R.; Henke, M.: Increasing the force per unit volume of tubular drives by raising the integration degree. 11th International Symposium on Linear Drives for Industry Applications (LDIA), Osaka 2017
Zhang, Z.; Kattenberg, T.; Winkelhahn, P.; Frerichs, L.; Schneider, C.; Maier, T.: Linear actuators with electric power supply. 73. Tagung LAND.TECHNIK AgEng 2015

Fazit

Die Elektrifizierung linearer Antriebe in mobilen Maschinen geht mit signifikanten Herausforderungen einher, birgt aber auch großes Potenzial. Der direkte Weg eines einfachen Austauschs der hydraulischen Zylinder durch elektrische Linearakuatoren ist dabei selten möglich oder sinnvoll. Im Projekt wurden daher Ansätze vorgestellt, durch Betrachtung der Prozesse und Teilfunktionen über eine methodische Herangehensweise geeignete Lösungen für diese Herausforderungen zu erarbeiten. Die auf diese Weise erarbeiteten Beispielantriebe konnten im Feldversuch erfolgreich getestet werden und zeigen damit, dass die methodische Überarbeitung ein geeigneter Ansatz ist, die Elektrifizierung der mobilen Maschinen voranzutreiben.

Übersicht

Fördersumme

555.889,00 €

Förderzeitraum

15.02.2018 - 15.07.2021

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik