Projekt 26664/01

Umweltsicherheit von Chemikalien verbessern – Vorhersage der Eigensicherheit von ionischen Flüssigkeiten und deren Implementierung in ein Programmpaket

Projektträger

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Lehrstuhl für Molekül- u. Koordinationschemie Institut für Anorganische u. Analytische Chemie
Albertstr. 21
79104 Freiburg
Telefon: +49 761 203-6122

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ionische Flüssigkeiten (ILs) sind eine attraktive neue Materialklasse, deren weite Verwendbarkeit in den verschiedensten Bereichen angewandter wie grundlegender Chemie und Verfahrenstechnik gerade am Durchbrechen ist. Eine Besonderheit von ILs liegt in ihrem Potential, die physikalischen Eigenschaften über einen weiten Bereich - je nach Bedarf - Maßschneidern zu können. Da es nach Vorhersagen etwa 1012 bis 1018 verschiedene ILs geben soll, sind dazu allerdings normalerweise sehr viele Experimente nach dem Prinzip von Trial und Error durchzuführen. Optimalerweise sollten daher Methoden entwickelt werden, mit denen Schlüsseleigenschaften ionischer Flüssigkeiten - inklusive Risikobewertung und Gefahrenpotenzialanalyse - bereits vor der Synthese ermittelt/abgeschätzt werden können.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAn der Uni Freiburg wurden und werden Methoden zur stichhaltigen Vorhersage der grundlegenden physikalischen Eigenschaften potentieller ILs entwickelt, die bisher nur auf dem Papier existieren. Diese Eigenschaften werden durch eine Kombination aus quantenchemischen Rechnungen (Turbomole) und einer statistischen Analyse des Oberflächenpotentials der Ionen der IL (COSMOtherm) erhalten. Beide Programme werden vom Projektpartner COSMOlogic entwickelt und vertrieben.
Die Vorhersage der physikalischen IL Eigenschaften soll im Rahmen des Projektes in das Computerprogramm COSMOtherm der Firma COSMOlogic eingebaut werden. Damit soll ein für den Anwender leicht bedienbares Programm zur Ermittlung der physikalischen Eigenschaften von ILs vor deren erster Synthese entstehen, welches durch die Firma COSMOlogic kommerzialisiert werden soll. Die zu entwickelnde Funktionalität soll dabei nicht als eigenes Produkt, sondern als Erweiterung der bereits bestehenden Funktionalitäten der COSMOtherm Software angeboten werden, um dadurch die Stellung von COSMOtherm als das zur Zeit am besten geeignete Vorhersageprogramm für Eigenschaften Ionischer Flüssigkeiten zu stärken.
Am UFT wurde eine flexible toxikologische und ökotoxikologische Testbatterie etabliert, mit deren Testsystemen sich die Gefahrenpotenziale von Substanzen in der molekularen und zellulären Ebene bis hinauf zu aquatischen und terrestrischen Organismen analysieren lassen. Dabei hat sich gezeigt, dass vor allem physikalisch-chemische Parameter wie Hydrophobie, Oberflächenladungen, Dipolmomente und die Bildung von Ionenpaaren aus Kationen und Anionen der Ionischen Flüssigkeiten gute Größen zur Beschreibung der beobachteten toxikologischen Wirkungen darstellen.
Des Weiteren sollen zur Unterstützung des Entwicklungsprozesses neuer, eigensicherer ILs, die beobachteten Toxizitäten aus der flexiblen Testbatterie direkt mit physikalischen Größen als Deskriptoren für Quantitative-Struktur-Wirkungs-Beziehungen (QSARs) verknüpft werden. Diese sollen dann, über einen mathematischen Algorithmus, eine Vorhersage des toxikologischen Gefahrenpotenzials von Substanzen erlauben, die bisher nur auf dem Papier entwickelt und für bestimmte technologische Anwendungen vorgeschlagen wurden und werden.
Eine enge Verknüpfung beider Forschungsvorhaben (UFT und Uni Freiburg) mit der Firma COSMOlogic soll so in zweifacher Weise zu vermarktungsfähigen Produkten führen: Erstens wird das Programmpaket COSMOtherm um wichtige Pakete zur Berechnung toxikologisch relevanter Parameter, die auch bei anderen Substanzklassen als ILs von großer Bedeutung sind, erweitert. Und zweitens sollen die in Koope-ration entwickelten QSAR-Beziehungen als wichtige Dienstleistung am UFT im Rahmen der Entwicklung von eigensicheren, neuen Ionischen Flüssigkeiten angeboten werden.


Ergebnisse und Diskussion

Anhand theoretischer Überlegungen wurden verschiedene berechenbare Größen in Betracht gezogen, die in Kombination experimentelle Messgrößen nachbilden können. Diese Größen wurden teilweise mit unseren Kooperationspartnern ermittelt, teils aus der Literatur bezogen.
Für biologisch unmittelbar relevante Maße wie die kritische Mizellenkonzentration (CMC), die eng mit der mikrobiologischen Abbaubarkeit von Chemikalien verknüpft ist, sowie die toxische Konzentration (MIC), die die Giftigkeit gegenüber verschiedenen Bakterienarten ausdrückt, haben wir Wege zur Berechnung eröffnet, die keinerlei experimentellen Inputs mehr bedürfen. Ebenso wurden für fundamentale thermo-dynamische Größen wie z. B. molekulares Volumen, Dichte, Schmelzpunkt, Viskosität und viele andere wurden einfache und vielseitige Modelle entwickelt und validiert. Da die Modelle auf physikalischen Observablen und nicht auf Strukturparametern beruhen, sind die Modelle auch für noch unbekannte Systeme anwendbar. Die hierfür notwendigen Berechnungen können an handelsüblichen Computern mit Hilfe der Programme TURBOMOLE und COSMOtherm vorgenommen werden deren Output dann zur Vorhersage der gewünschten Eigenschaften Verwendung findet; der Zeitaufwand liegt, je nach Größe der Moleküle, bei unter einer bis zu wenigen Stunden. Zur Vereinfachung und Automatisierung der Berech-nungen der Eigenschaften wurden von der COSMOlogic GmbH die bisher vielversprechendsten Modelle in einem Computerprogramm implementiert.
Projekttreffen fanden am 18.08.08, am 15.10.08, am 23.10.09 und am 16.11.10 bei der COSMOlogic GmbH in Leverkusen statt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die erzielten Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit wie folgt präsentiert:
- per Vortrag:
o 10.03.08 Langenzell (Schweiz).
o 16.09.08 Hornberg (Jahreskolloquium des Freiburger Materialforschungszentrums).
o 16.03.09 St. Stephan (Schweiz).
o 26.03.09 MPI Stuttgart.
o 01.04.09 Leverkusen (COSMO-RS-Symposium).
o 29.04.09 Imperial College in London.
o 12.05.09 Frankfurt (ACHEMA).
o 01.06.09 Cairns (Australien) (COIL-3 Presymposium Workshop).
o 02.12.09 Rostock (winter school des DFG-SPP 1191 Ionische Flüssigkeiten).
o 05.03.09 Bamberg (DFG-SPP 1191 Treffen).
o 05.11.09 Bamberg (DFG-SPP 1191 Treffen).
o 05.03.09 Potsdam (DFG-SPP 1191 Treffen).
o 16.03.10 Bamberg (Symposium des DFG-SPP 1191 Ionische Flüssigkeiten).
o 22.01.09 Universität Rostock.
o 12.02.09 Universität Konstanz.
o 19.06.09 Universität Leipzig.
o 21.07.09 Universität Münster (GDCh-Vortrag).
o 12.11.09 Nashville (USA) (AlChE Meeting).
o 24.05.10 Eibar (Spanien) (Workshop: ionic lubricants).
o 23.11.10 Dresden (Chemisches Kolloquium)
o 28.04.2011 Freiburg (7th BlackForestGrid Workshop).
- per Poster:
o 04.07.08 Universität Freiburg (Tag der Forschung).
o 30.03.-01.04.09 Leverkusen (COSMO-RS-Symposium).
o 02.-05.06.09 Cairns (Australien) (COIL-3).
o 01-.04.12.09 Rostock (winter school des DFG-SPP 1191 Ionische Flüssigkeiten).
o 12.-14.12.07 Bamberg (DFG-SPP 1191 Treffen).
o 04.-06.03.09 Bamberg (DFG-SPP 1191 Treffen).
o 04.-06.11.09 Potsdam (DFG-SPP 1191 Treffen).
o 14.-19.03.10 Bamberg (Symposium des DFG-SPP 1191 Ionische Flüssigkeiten).
- per Veröffentlichung:
o U. Preiss, J. M. Slattery, I. Krossing: In Silico Prediction of Molecular Volumes, Heat Capacities, and Temperature-Dependent Densities of Ionic Liquids, Ind. Eng. Chem. Res. 2009, 48, 2290.
o U. Preiss, C. Jungnickel, J. Thöming, I. Krossing, J. Luczaka, M. Diedenhofen, A. Klamt: Predicting the Critical Micelle Concentrations of Aqueous Solutions of Ionic Liquids and Other Ionic Surfactants, Chem. Eur. J. 2009, 15, 8880 - 8885.
o C. Jungnickel, M. Markiewicz, U. Preiss, W. Mrozik, P. Stepnowski: Interaction of imidazolium type ionic liquids with the solid phase, J. Optoelectron Adv. Mater. Symposia 2009, 1, 82.
o U. Preiss, S. Bulut, I. Krossing: In Silico Prediction of the Melting Point of Ionic Liquids: A Case Study, J. Phys. Chem. B 2010, 114, 11133.
o U. Preiss, V. N. Emelyanenko, S. P. Verevkin, D. Himmel, Y. U. Paulechka, I. Krossing: The Temperature-Dependent Prediction of the Liquid Entropy of Ionic Liquids, ChemPhysChem 2010, 11, 3425.
o P. Eiden, S. Bulut, T. Köchner, C. Friedrich, T. Schubert, I. Krossing: In Silico Predictions of the Temperature Dependent Viscosities, and Electrical Conductivities of Functionalized and Non-functionalized Ionic Liquids, J. Phys. Chem. B 2011, 115, 300.
o U. Preiss, S. P. Verevkin, T. Koslowski, I. Krossing: Going Full Circle: Phase Transition Thermodynamics of Ionic Liquids, Chem. Eur. J. 2011, 17, 6508.
o C.-W. Cho, U. Preiss, C. Jungnickel, S. Stolte, J. Arning, J. Ranke, A. Klamt, I. Krossing, J. Thöming: Ionic Liquids: Predictions of physicochemical properties with experimental and/or DFT-calculated LFER parameters to understand molecular interactions in solution. J. Phys. Chem. B, 2011, 115, 6040.
o U. P. Preiss, W. Beichel, A. M. T. Erle, C. Sturm, Y. U. Paulechka, I. Krossing, Is a Universal, Simple Melting Point Prediction Possible? A Critical Assessment of Experimental Melting Point Determinations and Model Study on the Melting Point Prediction of 520 Diverse Organic 1:1 Salts, ChemPhysChem, 2011, akzeptiert.
o C.-W. Cho, C. Jungnickel, S. Stolte, U. Preiss, J. Arning, J. Ranke, I. Krossing, J. Thöming: Experimental determination of LFER parameters of 30 cations of ionic liquids. Faraday, 2011, eingereicht.


Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Projektziele erfüllt wurden. Es wurden eine Vielzahl wichtiger experimenteller Daten für die Bestimmung der Toxizität von ionischen Flüssigkeiten erhoben. Mit deren Hilfe ließen sich Modelle für deren Vorhersage finden. Ebenso die Vorhersage anderer fundamentaler Eigenschaften war erfolgreich. Auch das abschließende Ziel, die Implementierung in ein Computerprogramm für die einfache Verwendung der Vorhersagemodelle, konnte erfolgreich erreicht werden. Bei den Arbeiten zur Erfüllung des Projektes wurde von den Projektpartnern zudem eine Vielzahl von Beiträgen in Fachzeitschriften und auf Konferenzen erarbeitet, wodurch die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.

Übersicht

Fördersumme

120.000,00 €

Förderzeitraum

01.02.2009 - 30.04.2011

Internet

portal.uni-freiburg.de/molchem

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Umwelttechnik