Projekt 23308/01

Borstenanlagen im Spreewald – Erhalt von Habitaten der Kleinen Flussmuschel (Unio crassus) im Biosphärenreservat Spreewald durch Einrichtung von Borstenanlagen (Pilotprojekt)

Projektträger

Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
14476 Groß Glienicke

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Aufgrund rückläufiger Durchflüsse in den Spreewaldfließen sind im östlichen Oberspreewald Maßnahmen zur Sicherung der Wasserstände erforderlich. Mit dem Bau weiterer konventioneller Stauanlagen wäre hier eine nicht vertretbare Beeinträchtigung der Kleinen Flussmuschel (Unio crassus) und weiterer FFH-Arten gegeben. Zur Sicherung der Wasserstände und zur Verbesserung des Biotopverbundes sollten deshalb Borstenanlagen, die an der Uni Kassel als Fischaufstiegsanlagen und gleichzeitige Bootsrutsche entwickelt wurden, in angepasster Form erprobt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Borstenkonzept beruht darauf, die Strömungsenergie in einem Gerinne mittels flexibler Borstenbündel umzuwandeln, so wie dies unter natürlichen Verhältnissen durch Röhrichte erfolgt. Der besondere Vorteil des Konzeptes besteht darin, dass die Borstenanlagen nicht nur die ökologische Durchgängigkeit gewährleisten, sondern auch für Boote befahrbar sind.
Erstmalig wurden Borstenelemente in einem natürlichen Fließgewässer zur Wasserstandssicherung eingesetzt. Durch Laborversuche an der Uni Kassel wurden zuvor die hydraulischen Grundlagen für die Planung gelegt. Die Platzierung der Elemente im Gewässer erfolgte unter dem Aspekt einer optimalen Standortwahl dort, wo die größten Fließgeschwindigkeiten auftreten. Dieses Teilprojekt wurde durch ein Monitoring zur Ermittlung der Effekte auf die Wasserstände, Durchflüsse und Strömungsverhältnisse sowie auf die Gewässerstrukturen, Großmuscheln, Fische und das Makrozoobenthos begleitet.
In einem zweiten Teilprojekt wurde ein Fisch-Kanu-Pass unter Flachlandbedingungen erprobt, wobei das geringe Gefälle, kleine Durchflüsse, teils strenge Winter und ein hoher Tourismusdruck die Rahmenbedingungen im Spreewald vorgaben. Neben einem biologischen Monitoring zur Durchgängigkeit der Anlage wurde hier u. a. auch eine Nutzerakzeptanzanalyse hinsichtlich der Befahrung durchgeführt.


Ergebnisse und Diskussion

Durch den Einbau der Borstenelemente wurde in der Kleinen Spree eine Wasserstandsanhebung von 5 cm erreicht. Dies bedeutet hier eine Abflussreduktion von ca. 16 % bei gleichbleibendem Wasserstand. Mit dem entwickelten numerischen Modell steht nun ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem Borstensätze für andere Gewässerstrecken ausgelegt und hydraulisch bemessen werden können. Die Borstenanlage ist aber nicht dazu geeignet, ein regulierbares Wehr zu ersetzen.
In der Pilotstrecke ist es darüber hinaus zu einer deutlichen Strukturverbesserung gekommen. Die durchschnittliche Strukturgüte nach LAWA verbesserte sich durch den Borsteneinbau von 3,7 auf 3,2. Maßgeblich sind dabei die die Sohle bewertenden Hauptparameter Laufentwicklung, Längsprofil und Sohl-struktur. Bei fünf Einzelparametern (besondere Laufstrukturen, Strömungsdiversität, Tiefenvarianz, Sub-stratdiversität, besondere Sohlstrukturen) ist das operationelle Bewirtschaftungsziel der EU-WRRL, die Strukturklasse 2 durch den Borsteneinbau erreicht worden.
Insbesondere Großmuscheln und Fische profitieren von den Veränderungen der Strömungsverhältnisse und Sohlstrukturen. Innerhalb der Pilotstrecke haben sich die für die Kleine Flussmuschel als Lebensraum nutzbaren Sohlbereiche auf das Doppelte bis Vierfache vergrößert. Auch die qualitative Eignung der Sohlsubstrate zur Besiedlung von Unio crassus hat sich positiv verändert, insbesondere durch die Verringerung organischer Sedimentanteile und lebensfeindlicher Treibsandbereiche. Das Makrozoobenthos profitiert vor allem von den Getreibselansammlungen an den Borsten, die artenreicher besiedelt sind, als andere Gewässerstrukturen (außer Erlenwurzeln).
Die Befahrbarkeit für Kähne und Boote ist stromab ohne maßgebliche Probleme möglich. Für die Stromaufbefahrung mit Kähnen müssen Modifikationen an der Größe und Anordnung der Borstenelemente vorgenommen werden. Die Gewässerunterhaltung erfordert keinen erhöhten Aufwand, sofern die Elemente mindestens 10 cm vom Wasser überspült werden.
Der Fisch-Kanu-Pass am Wehr 31 erfüllt die Anforderungen an die Stauhaltung bei einem Durchfluss von ca. 100 l/s. Die Fließgeschwindigkeit im Wanderkorridor der Fische liegt mit 1,2 m/s unter den Grenzwerten der DVWK-Richtlinie. Da dieser Fisch-Kanu-Pass in eine bestehende Planung für einen Vertical-Slot-Pass eingepasst wurde, weist er mit einer Wassertiefe von 35 cm und einer Beckenlänge von 60 cm konstruktive Mängel auf und erfüllt hinsichtlich dieser Parameter nicht die Anforderungen der DVWK-Richtlinie.
Trotzdem sind hier während der Kontrolle zum Fischaufstieg über 30 Tage rund 12.000 Fische in 14 Arten aufgestiegen. Den als Referenzanlage im Nachbargewässer beprobten Vertical-Slot-Pass passierten in gleicher Zeit ca. 1.000 Tiere in 12 Arten.
Der Fisch-Kanu-Pass hat sich im Gegensatz zum Vertical-Slot-Pass auch besonders für kleine und schwimmschwache Fische ab einer Länge von 4 cm bewährt. Z. B. Gründlinge, aber auch Moderlieschen und Stichlinge profitieren von den moderaten Aufstiegsmöglichkeiten. Die größten Tiere waren in beiden Fischaufstiegsanlagen ca. 36 cm lang.
Im Ergebnis der Nutzerakzeptanzanalyse wird der Fisch-Kanu-Pass von den Kanuten grundsätzlich positiv bewertet. Persönliche und ökologische Vorteile wurden während der Interviews herausgestellt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Vorhaben wurde durch einen Projektbeirat begleitet, in dem alle relevanten Interessengruppen vertreten waren. Neben Pressebeiträgen und Vorträgen wurde ein Faltblatt zum Fisch-Kanu-Pass und ein Kurzfilm zum Projekt produziert und verbreitet. Das Landesumweltamt Brandenburg sieht vor, den Projektbericht in einer Druckfassung zu veröffentlichen.


Fazit

Das Pilotprojekt Borstenanlagen im Spreewald wurde mit Erfolg durchgeführt. Die Borstenelemente haben sich sowohl prinzipiell zur Wasserstandssicherung als auch zur Strukturverbesserung in fließenden Gewässern bewährt. Da es sich um künstliche Materialien handelt, sollte ihr Einsatz vor allem in Bereichen erfolgen, wo natürliche Strukturelemente wegen der Gewährleistung der Befahrbarkeit nicht eingesetzt werden können.
Der Fisch-Kanu-Pass bietet sich vor allem für die kombinierte Nutzung als Fischaufstieg und Bootspassage in touristisch genutzten Gewässern an. Die Vorteile liegen insbesondere in der Einsparung von Platz und Kosten bei der Errichtung der Anlage sowie bei der Unterhaltung.
Offene Fragen zu den Borstenanlagen im Spreewald bestehen vor allem noch zu den langfristigen Auswirkungen auf die Kleine Spree und die Lebensdauer der Anlagen.

Übersicht

Fördersumme

62.460,00 €

Förderzeitraum

01.06.2005 - 30.11.2006

Bundesland

Brandenburg

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik