Projekt 21372/01

Erste Phase des Projektes Entwicklung eines integrierten Steuerungs- und Betriebsverfahrens für die Teilsysteme Kanalnetz und Kläranlage zur deutlichen Reduzierung der Gewässerbelastung

Projektträger

Institut für technisch-wissenschaftliche Hydrologie GmbH
Engelbosteler Damm 22
30167 Hannover
Telefon: 0511/97193-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Wissenschaftliche Untersuchungen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass ein integrierter Betrieb der Teilsysteme Kanalnetz und Kläranlage die Gewässerbelastung deutlich reduzieren kann. Insbesondere die Anpassung des Kläranlagenzuflusses an die aktuelle Reinigungskapazität kann stark sauerstoffzeh-rende und ammoniumhaltige Mischwasserentlastungen verhindern und somit den Vorfluter nachhaltig vor akuten Schädigungen schützen. Ziel des Forschungsvorhabens ist die übergreifende Entwicklung von Regelungskonzepten, in denen der Kläranlagenzufluss flexibel an die verfügbaren Kläranlagenkapazitäten angepasst wird und seinerseits als Randbedingung in ein Kanalnetz-Steuerungskonzept eingeht. Somit können vorhandene Abwassersysteme sehr effizient genutzt und die Emissionen in die Gewässer verringert werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn dem Forschungsprojekt wurden in der ersten Phase Untersuchungen zur Identifikation der Mess- und Regelungsgrößen durchgeführt, mit denen der bei Regenwetter stark schwankende Zufluss aus dem Einzugsgebiet an die hydraulische Kapazität und an die verfügbare Reinigungsleistung angepasst werden kann. Die Messgrößen mussten eine zuverlässige Vorhersage des Verhaltens der Kläranlage in Abhän-gigkeit des Zuflusses ermöglichen.
Folgende Arbeiten wurden im Einzelnen durchgeführt:
· Auswertungen vorliegender Messdaten von diversen Kläranlagen zur Identifizierung maßgebender Messgrößen, die die Belastungszustände und die Leistungsfähigkeit kritischer Prozesse wiedergeben.
· Auswahl eines geeigneten großtechnischen Untersuchungsgebietes.
· Vorentwurf von möglichen, sinnvollen Steuerungskonzepten.
· Durchführung von Messungen und Auswertung der Messdaten im Hinblick auf die Weiterentwicklung der erforderlichen Messkonzepte zur Erfassung der Nitrifikations- und Nachklärungskapazität.
· Ermittlung der Zusammenhänge der Messwerte zum zulässigen Zufluss bzw. der Eignung zur zuverlässigen Prognose über das Prozessverhalten.
In einer zweiten Projektphase sollen Steuerungskonzepte umgesetzt und großtechnisch erprobt werden.


Ergebnisse und Diskussion

Die Auswertung vorliegender Messdaten führte einerseits zu Erkenntnissen hinsichtlich kritischer Prozesse bei Mischwasser, andererseits wurden sie genutzt, um Konzepte zur Regelung des Mischwasserzuflusses zu entwerfen. Es kamen empirische und halbdeterministische Ansätze zum Einsatz.
Die Nitrifikationskapazität wurde auf Basis von Massenbilanzen und vereinfachten kinetischen Ansätzen beschrieben. Die Reaktionskinetik wurde auf zwei Arten ermittelt. Der vereinfachte deterministische Ansatz auf Basis der aktuell vorhandenen nitrifizierenden Biomasse erwies sich für eine schwach belastete Anlagen als relativ genau und langzeitstabil. Die rekursive Bestimmung der Nitrifikationskapazität ist nur anwendbar, wenn der eingehende Konzentrationsgradient eindeutig durch die Nitrifikation limitiert ist. Dies ist erst bei bereits erhöhten Ablaufwerten der Fall.
Aufgrund der hohen Komplexität geeigneter deterministischer Modelle wurde die hydraulische Kapazität der Nachklärung nur durch empirisch ermittelte Steuerfunktionen (Regression oder Fuzzy-Regeln) beschrieben. Obwohl diese aufgrund der Unterschiede der Anlagencharakteristik und der Datenlage nicht übertragbar sind, ist die Methode zur Ermittlung dieser Regeln übertragbar. Einflussgrößen sind der Schlammspiegel, der Gradient des Zuflusses dQ/dt und die Schlammvolumenbeschickung. Die Nutzung relativ einfacher statistischer Zusammenhänge hat den Vorteil, dass anlagenbedingte Besonderheiten automatisch beachtet werden (in deterministischen Modellen nicht möglich).
Eine Zuflussregelung in Abhängigkeit der Denitrifikation wurde nicht entworfen, da bei keiner der untersuchten Anl. Probleme auftraten. Der Nitratgehalt im Ablauf sollte dennoch als Störgröße aufgenommen werden. Die biologische Phosphorelimination kann über die chemische P-Fällung aufgefangen werden. Wichtig ist hier die Steuerung über die PO4-P-Ablaufkonzentrationen, da die erhöhten Ablaufwerte häufig erst zeitversetzt zur Zulauffracht, nämlich nach Wiedereinsetzen der P-Rücklosung, auftreten.
Die Umsetzbarkeit und der ökologische Nutzen einer Steuerung des Zuflusses zur Kläranlage wurden am Beispiel der simulativen integrierten Lastfallstudie Chemnitz untersucht. Dazu wurde ein gekoppeltes Modell von Kanalnetz (Hystem-Extran-Güte, itwh) und Kläranlage (ifak) erstellt. Die Modellkopplung und Steuerung wird durch das Programm itwh-Control realisiert. Mit dem Gesamtmodell wurden die Emissio-nen in das Gewässer von Kanalnetz und Kläranlage für fünf Regenereignisse unterschiedlicher Intensität und Dauer ermittelt. Durch die Erhöhung des zulässigen Zuflusses von 2,6 m³/s auf 3,0 m³/s wurde eine Reduzierung der emittierten Gesamtfracht ermittelt, ohne dass es zu einer Überschreitung der zulässigen Ablaufgrenzwerte kam. Bei schwachen, lang anhaltenden Ereignissen konnte die eingeleitete Ammonium-Fracht um bis zu 23% reduziert und somit deutlicher Beitrag zur Umweltentlastung geleistet werden.
Um eine Überschreitung zulässiger Ablaufgrenzwerte jederzeit zu vermeiden, erfolgte die Implementierung eines Fuzzy-Regelungskonzeptes (Störgrößen: Schlammspiegel; CSB, NH4-N, Nges im Ablauf, TS-Gehalte BB, RS; maximaler Gradient Kläranlagenzufluss).Obwohl eine Stabilisierung und Sicherstellung der Reinigungsprozesse gewährleistet ist, sind gegenüber dem IST-Zustand Reduktionen der NH4-N-Frachten um bis zu 16 % möglich.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Erwähnung des DBU-Projektes und Teile der Ergebnisse in folgenden Vorträgen und Veröffentlichungen:
Seggelke, K. (2005a): Integrierte Steuerung am Fallbeispiel Dresden modelltechnische Studie + praktische Untersuchungen Fachtagung Mess- und Regelungstechnik in abwassertechnischen Anlagen - Konzepte - Erfahrungen - Trends 22./23. Nov. 2005 in Wuppertal.
Seggelke, K. (2005b): Mess-, Steuerungs- und Regelungskonzepte zur Optimierung kritischer Prozesse bei Mischwasserzuflüssen, Fachtagung TU Kaiserslautern: Integrale Bewirtschaftung von Kanalnetz, Kläranlage und Gewässer, 20. Okt. 2005.
Fuchs, L. u. Seggelke, K. (2005): Integrierte Bewirtschaftung von Kanalnetz und Kläranlage. Fachtagung TAH, Regen- u. Mischwasserbehandlung -Status Quo + Perspektiven-, Hannover, 7.-8. September 2005.
Krebs, P. (2006): Die Siedlungswasserwirtschaft unter veränderten Systemanforderungen. Kolloquium zu Ehren des 60. Geburtstags von Prof. Willi Gujer, Zürich 17.01.2006.


Fazit

Im Hinblick auf die Zielereichung lässt sich feststellen, dass die Identifikation des Belastungszustandes einer Kläranlage anhand verfügbarer online-Messungen möglich ist. Das Potenzial zur Minimierung der Gewässerbelastung ist durch eine integrierte Steuerung groß. Die ausgewählte Kläranlage Chemnitz-Heinersdorf bietet aufgrund ihrer sehr guten messtechnischen Ausstattung, der technologischen Situation (RÜB direkt vor d. KA-Zulauf) und dem engagierten Betreiber hervorragende Bedingungen zur Fortset-zung des Projekts in einer zweiten Phase und zur großtechnischen Erprobung einer Steuerung des Zuflusses zur Kläranlage. Diese ist dringend erforderlich, um die erreichten Ergebnisse zu untermauern und diesen innovativen und zukunftweisenden Ansatz zur optimierten Ausschöpfung der vorhandenen Systemkapazitäten zur Reduzierung der Umweltentlastung in die Praxistauglichkeit zu überführen.

Übersicht

Fördersumme

160.193,00 €

Förderzeitraum

01.10.2004 - 14.06.2006

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik