Projekt 18364/01

Durchführung systematischer Untersuchungen zur Konzeption funktionsgerechter Wanderhilfen im Bereich von Wasserkraftanlagen am Beispiel der Wasserkraftanlage Camburg/Döbritschen (Thüringen) – 1 Phase

Projektträger

Ingenieurbüro Graf Wasserkraftanlagen
Zengerstr. 36
92439 Bodenwöhr
Telefon: 09434/2879

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In Camburg/Döbritschen an der Saale (Thüringen) erfolgten umfassende Untersuchungen hinsichtlich der Restwassermenge und dem Orientierungsverhalten von Fischen im Bereich der Wasserkraftanlage. Untersucht wurden Fischauf- und -abstieg sowie turbinenbedingte Fischschäden einer Kleinwasserkraftanlage. Ziele des Vorhabens waren die Ermittlung einer ökologisch sinnvollen Restwassermenge und Bau einer oder falls nötig zweier Fischwanderhilfen, die beide Wanderrichtungen gewährleisten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn Projektphase 1 erfolgte die Erfassung des Istzustandes. Die relevanten Parameter im Bereich des Kraftwerks und die Biozönose des Mutterbettes wurden untersucht. Hierfür kamen unter anderem die FST-Halbkugelmethode und das Simulationsprogramm CASIMIR zur Anwendung. Des Weiteren wurden abwärts gerichtete Fischbewegungen im Oberwasser mittels Echolot mit horizontalem Splitbeamer untersucht. Parallel erfolgen Fischfänge mit einem Hamen hinter den Turbinen, um Daten über die Turbinenpassage von Fischen und dabei auftretende Verletzungen zu erhalten. Auf den Daten des Istzustandes basierend wurde die optimale Lage der ersten Fischwanderhilfe ermittelt, die das Mutterbett mit dem Oberwasser verbindet. Nach Bau der Wanderhilfe erfolgte deren Funktionskontrolle durch Erfassung hydraulischer Kenngrößen, der Makrozoobenthoswanderung und Reusenfänge, die beide Wanderrichtungen berücksichtigten. Die Auswirkung der parallel abgegebenen Restwassermenge von über 3,1 m³/s wurde methodengleich mit der Istzustandserfassung untersucht. Alle Fische, die Richtung Kraftwerk aufstiegen, wurden im Turbinenauslaufkanal elektrisch abgefischt und mit einem Farbpunkt in einer Flosse markiert, um nachvollziehen zu können, ob sich die Fische umorientieren, wenn dort keine Fischaufstiegsanlage existiert. Konzeption, Bau und Kontrolle einer 2. Wanderhilfe ist in Projektphase 2 vorgesehen, die den Fischen den Aufstieg um das Kraftwerk herum zu ermöglicht. Parallel zu den Funktionskontrollen der Fischpässe wurde/wird der Einsatz des Echolotgerätes und des Hamens fortgeführt. Hinzu kamen Netzfänge zur Kontrolle des Fischabstiegs über das Wehr.


Ergebnisse und Diskussion

In dem Projekt wurden verschiedene ökosystemare Parameter untersucht, die im Bereich von Wasserkraftanlagen beeinflusst werden. Lösungsorientiert wurden darauf basierend ökologische Verbesserungen vorgeschlagen bzw. umgesetzt. Untersuchungsschwerpunkte waren die über das Wehr abzugebende Mindestwassermenge, der Fisch- und Makrozoobenthosaufstieg, sowie der Fischabstieg. Bei letzterem wurden unter anderem auch die turbinenbedingten Fischschäden, verursacht durch die dort eingebauten Francisturbinen, untersucht. Im Rahmen der Untersuchungen des Fischaufstiegs wurde exemplarisch untersucht, ob nur eine Fischwanderhilfe am Wehr ausreichend ist oder ob eine zweite Fischwanderhilfe, die den Turbinenkanal mit dem Oberwasser verbindet, zusätzlich notwendig ist.
Bei der Restwasserproblematik zeigte sich, dass an diesem Standort mit rückgestautem, relativ breitem Mutterbett die gezielte, behördlich festgelegte Restwasserabgabe von 3,1 m/s keinen relevanten Einfluss auf die Biozönose des etwa 170 m langen Mutterbettes hat. Ohne gezielte Restwasserabgabe flossen schätzungsweise bis zu 1 m³/s unkontrolliert durch das Nadelwehr. Weder das Temperaturregime noch das Strömungsbild wurde durch die gezielte Mindestwasserabgabe maßgeblich beeinflusst. Diese reell untersuchten, erfassten und ausgewerteten Freilanddaten deckten sich mit den Ergebnissen der Habitat-simulationen mit CASIMIR. Eine geringe Mindestwassermenge unter 3,1 m³/s ist für Brut und Jungfische einiger Arten vorteilhaft. Bei Mindestwasserabgaben über 6,4 m³/s kann die Barbe als Leitfischart gefördert werden.
Im Rahmen der Fischaufstiegskontrollen an der am Wehr neu errichteten Fischwanderhilfe wurde nachgewiesen, dass an diesem Standort zwei Fischwanderhilfen notwendig sind. So zogen limnophile Fischarten den Aufstieg über das strömungsberuhigte Mutterbett vor, während rheophile Arten vorwiegend in den Turbinenkanal einwanderten. Indifferente Arten wie Döbel und Gründling konnten in beiden Bereichen in größerer Anzahl nachgewiesen werden.
Für den Fischabstieg stellte die Wanderhilfe am Wehr keine nennenswerte Alternative dar. Ein eigens vor dem Rechen installierter Bypass wurde im direkten Vergleich besser angenommen. Dennoch sind hier Verbesserungen notwendig, um relevante Fischmengen abwärts zu führen.
Die turbinenbedingten Schäden an Fischen zeigten ein anderes Bild als die durch Dr. Holzner an einem Standort am Main mit Kaplanturbinen gewonnen Erkenntnisse [Hol99]. Es war kein mit den Fischlängen korreliertes Verletzungsrisiko gegeben. Total- und Teildurchtrennungen waren die Ausnahme. Häufigste Verletzungen stellten Schuppenverluste und Blutungen (vorwiegend in den Augen) dar. 79% der untersuchten Fische überlebten unverletzt die Turbinenpassage.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Schadensraten einzelner Wasserkraftanlagen mit ihren unterschiedlichen technischen Ausstattungen und Betriebsweisen diesbezüglich sehr differenziert betrachtet werden müssen. Durch den Rechen kamen nur in Ausnahmefällen gesunde Fisch zu Schaden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Rahmen mehrerer Scopingtermine wurden div. Behörden und Verbände über das Projekt und Teilergebnisse informiert. Die breite Öffentlichkeit wurde über mehrere Zeitungsartikel und über einen Fernsehbeitrag auf das Projekt aufmerksam gemacht. Im Rahmen nationaler und internationaler Tagungen wurden das Projekt und erste Ergebnisse vorgesellt.


Fazit

An diesem Standort ist eine Mindestwasserabgabe von mindestens 1,7 bis 1,8 m³/s einzuhalten. Von dieser geringen Abflussmenge werden Brut und juvenile Tiere einiger Arten begünstigt. Um die Bedürfnisse strömungsliebender Arten zu erfüllen, müssten mindestens 6,4 m³/s abgeführt werden, wodurch die Energieausbeute um 25 % und darüber reduziert wird.
79 % der Fische überlebte die Turbinenpassage unbeschadet. Diese Verletzungsraten sind nicht auf andere Wasserkraftanlagen übertragbar. Der errichtete Fisch-Kanu-Pass trägt kaum zum Fischabstieg bei. Die Effektivität eines hierfür errichteten Fischabstiegsbypasses war höher als die des FKP. Weiterführende Forschungsarbeiten zur Erhöhung dessen Effektivität sind notwendig.
Die errichtete Fischwanderhilfe in Form eines Fisch-Kanu-Passes ist für alle Fischarten und -größen sowie das Makrozoobenhos passierbar. Die Auffindbarkeit des Mutterbettes ist nicht für alle, besonders strömungsliebende Fischarten gegeben, während Arten, die geringe Strömungen bevorzugen, verstärkt in das Mutterbett einwandern. Eine zweite Fischwanderhilfe ist notwendig, die den Turbinenkanal mit dem Oberwasser verbindet. Dies gilt für Ausleitungskraftwerke, deren Ausbaugrad sich am MNQ des Gewäs-sers orientiert und deren Lage sich nicht unmittelbar am unteren Ende des Mühlgrabens befindet.

Übersicht

Fördersumme

221.000,00 €

Förderzeitraum

18.10.2002 - 31.12.2006

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik