Projekt 18355/01

Freiland-Tankzüchtung von Nordsee-Makroalgen auf Sylt für den Nahrungsbereich

Projektträger

Stiftung Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Wattenmeerstation Sylt
Hafenstr. 43
25992 List
Telefon: 04651/956-142

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Das Ziel war die Entwicklung eines umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Verfahrens zur Produktion lebenmittelsauberer Biomasse von Nordsee-Makroalgen für den Nahrungsbereich. Hauptzielarten sind die Rotalge Palmaria palmata und die Braunalge Laminaria saccharina, in kleinerem Stil die Rotalge Chondrus crispus. Diese Arten werden in Frankreich als Nahrungsmittel genutzt, mit Ausbreitungstendenz nach Deutschland. Die Freilandproduktion von Makroalgen in Meerwassertanks schont Süßwasserreserven, vermeidet das Sammeln der Algenbiomasse in der Natur und schont damit die untermeerischen Algenbestände, die Lebensraum für eine vielfältige Tierwelt darstellen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Makroalgenkultur wurde auf dem Experimentiergelände der Wattenmeerstation Sylt durchgeführt, mit der Hauptmenge der Algentanks in zwei Gewächshäusern mit automatisch aufrollbaren Plastikfolien-Seitenwänden für den Sommerbetrieb, so dass der Meerwind durch die Gewächshäuser streicht und die Algentanks kühlt. Im Winter sorgten Gewächshaus-Heizgebläse für minimale Wassertemperaturen von ca. 5°C in den Algentanks. Die Algenzüchtung erfolgte in sprudelnd belüfteten Meerwassertanks von 2 m Durchmesser und 2 m3 Meerwasserinhalt, bei einer Algendichte von 8 kg Algenfrischgewicht pro Quadratmeter beleuchteter Tankfläche, mit einer Wassertiefe von 80 cm und täglichem Meerwasserwechsel. Als Neuentwicklung wurde auch ein 6 m-Durchmesser-Tank mit 20 m3 Meerwasserinhalt eingesetzt. Die hohe Algendichte vermeidet Fremdalgen in der Kultur, erfordert jedoch eine große Biomasse als Ausgangsmaterial (Inokulum), die im Upscaling der Tankgrößen anzuzüchten ist und nicht katastrophenartig verloren gehen darf. Der Algenertrag pro Quadratmeter besonnter Tankfläche wurde von Woche zu Woche messend verfolgt, bei einem freilaufenden Temperaturbereich von 5-22°C. Zur Vermeidung produktionsschädlicher Extremtemperaturen wurden zeitweise höhere Wassertemperaturen im Sommer durch Meerwasserkühlung abgefangen. Bei allen Arten wurde in automatischen Jalousietanks geprüft, ob die Wachstumsaktivität durch Dauer-Langtag oder Dauerkurztag jahreszeitlich aktiviert werden kann und welche Photoperiode für hohe Produktivität optimal ist.


Ergebnisse und Diskussion

Im ersten Projektjahr wurde die Kulturtechnik für Palmaria palmata und Laminaria saccharina in 2 m-Durchmesser-Rundtanks aus PE mit je 20 kg Algenbiomasse FG (Frischgewicht) in Gewächshäusern der Wattenmeerstation Sylt optimiert. Die im Tank durch Preßluft sprudelnd belüftete und rotierende Al-genbiomasse wurde mit einer Biomassendichte von ca. 8 kg m-2 Wasseroberfläche gezüchtet. Wenig bewährt hat sich bisher die Kultivierung der Rotalge Chondrus crispus in den Sylter Algentanks, und zwar wegen geringer Wachstumsrate und Produktivität. Im zweiten Projektjahr wurde die Kulturtechnik für diese Algenarten weiter optimiert, und als erhöhte Wertschöpfung für die Verwertbarkeit der Rotalge Palmaria wurde mit der Zucht der makroalgivoren Meeresschnecke Abalone Haliotis tuberculata (europäische Abalone) begonnen, die am besten mit frischer Palmaria als Futter gedeiht. Die Gehalte an Blei, Cadmium, Quecksilber und Arsen in den Algen wurden erneut wie im Vorjahr analysiert und liegen weit unter den WHO-Tagesgrenzwerten, selbst wenn man 1 kg Frischalgen täglich essen würde. Es gibt auch keinen nachweisbaren Gehalt an Organochlorpestiziden und Organophosphorpestiziden in den gezüchteten Algen. Im dritten Projektjahr wurde zur Steigerung der Ökonomie der Algenzüchtung zum ersten Mal ein 6 m-Durchmesser- Großtank eingesetzt, die Filterung des Meerwassers wurde mit Lamellenklärern verbessert, und es kam die besonders wärmeverträgliche Rotalge Solieria chordalis als gut kultivierbare Standardalge für die heißen Sommermonate hinzu. Wirtschaftlich geeignet sind als Abalonefutter erstrangig Palmaria palmata, zweitrangig Solieria chordalis, als Lebensmittel (Meeresgemüse) für Restaurants vorwiegend die Braunalge Laminaria saccharina, und als Kosmetikindustrie-Rohstoff alle drei Algenarten. Ganzjährige Algenzüchtung im Gewächshaus wurde bereits seit dem ersten Projektjahr unter Verwendung von Natriumdampf-Lampen in der lichtarmen Jahreszeit ermöglicht. Im Gewächshaus lag die Produktivität von Palmaria palmata und Laminaria saccharina im Mittel bei 200 g Algenfrischgewicht m-2 Tag-1, was einer Verdoppelung der Algenbiomasse innerhalb von 6 Wo-chen entspricht. Der Jahres-Temperaturgang im Wasser bewegte sich zwischen 5 und 18°C, mit Notkühlung über Meerwasserkühler im Hochsommer und Gewächshausheizung im Winter. Die gesamte vorhandene Algenbiomasse betrug gegen Jahresende im 1. Projektjahr 160 kg Algenfrischgewicht, im 2. Projektjahr 280 kg, jeweils in zwei Gewächshäusern, und ca. 1 t im 3. Projektjahr, da eine Außenstation mit 40 2 m-Durchmesser-Rundtanks zusätzlich errichtet wurde.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Einem DPA-Bericht im August 2003 folgten zahlreiche Zeitungs-, Fernseh- und Rundfunkberichte über die Algenfarm, und es kam zu vermehrten Nutzeranfragen, darunter auch nach gößeren Algenmengen, etwa für den Tierfutterbereich vor allem als natürlicher Mineralstoffzusatz. Zahlreiche Besuchergruppen haben die Algenfarm besichtigt.


Fazit

Das vorhandene DBU-Projekt bereitete die Grundlage für kommerzielle, ökologisch sinnvolle Meeresalgenzüchtung in Deutschland, und eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten kann nun erprobt werden. Als Ausblick ist im Jahr 2006 die Gründung einer Sylter Algen-Abalonefarm geplant mit Schwerpunkt in der integrierten, ökologischen Aquakultur, wobei die Algenkulturen Nährstoffklärend in Poly-kultur mit marinen Tierkulturen wie Abalone (List/Sylt in der Wattenmeerstation), Miesmuscheln (bei Fa. Royal-Frysk in Emmelsbüll-Horsbüll bei Niebüll) und Austern (bei Fa. Dittmeyers Austernkompagnie in List/Sylt) eingesetzt werden sollen. Mit größeren vorhandenen Algenmengen kann dann auch versucht werden, größere Mengen an Meeresalgen als marines Tiefgefriergemüse und als Zusatz zu Tierfutter bekannt zu machen.

Übersicht

Fördersumme

99.659,48 €

Förderzeitraum

01.01.2002 - 31.12.2004

Bundesland

Schleswig-Holstein

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik