Projekt 13124/01

Förderschwerpunkt Biotechnologie: ICBio: Optimierung von Biokatalysatoren im Parallelansatz zur Herstellung chiraler Feinchemikalien mit rekombinanten Saccharomyces cerevisiae

Projektträger

Technische Universität München (TUM) Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik
Boltzmannstr. 15
85748 Garching
Telefon: 089/289-15712

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Zur Gewinnung chiraler Bausteine werden heute überwiegend chemisch katalysierte Reduktionen einge-setzt. Die technische Durchführung erfolgt in der Regel unter extremen, energieintensiven Reaktionsbedingungen, Einsatz giftiger und Umwelt belastender Schwermetallkatalysatoren und Verwendung großer Mengen organischer Lösungsmittel. Auf der anderen Seite zeigen einige Prozessbeispiele, dass die Biokatalyse unter ökonomischen Gesichtspunkten mit der chemischen asymmetrischen Synthese durchaus konkurrieren und dabei ökologische Vorteile aufweisen kann. Besonders das Potential der Bäckerhefe zur stereoselektiven Reduktion vieler (strukturell einfacher) prochiraler Ketone ist auch im präparativen Maßstab gut dokumentiert. Zur effektiveren Durchführung von Hefereduktionen wurde daher ein rekombinanter Hefestamm entwickelt (Coexpression einer Carbonylreduktase und eines Cofaktor-Regenerierungsenzyms). Im Vergleich zu Wildtyp-Zellen konnten damit Biotransformationsgeschwindigkeiten und Ausbeuten effektiv gesteigert werden. Allerdings zeigte sich, dass die erzielbaren Enantioselektivitäten sehr von den Kultivierungsbedingungen bei der Herstellung des Biokatalysators abhängen.
Zielsetzung dieses Forschungs- und Entwicklungsvorhabens ist daher die Entwicklung eines effektiven Produktionsverfahrens zur Herstellung von rekombinanten Bäckerhefen für enantioselektive Reduktionen. Prozessbeispiel ist die asymmetrische Reduktion von 4-Cl-Acetessigsäureethylester (4Cl-ACE) zu (S)-4-Cl-3-Hydroxy-Buttersäureethylester (S-CHBE). S-CHBE mit einem Marktvolumen von mehreren 100 jato wird industriell zur Synthese von Cholesterinsenkern eingesetzt. Da zur Optimierung der Herstellung dieses Biokatalysators zahlreiche Experimente im pH-kontrollierten Rührkesselreaktor erforderlich sind, soll eine neue Paralleltechnik weiterentwickelt und eingesetzt werden, die es erlaubt, bis zu 48 pH-kontrollierte Fedbatch-Experimente in parallelen


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Einzelnen sollen für einen Bioreaktorblock mit 48 Rührkesselreaktoren eine parallele pH-Kontrolle, ei-ne parallele Drehzahlüberwachung und eine parallele Trübungsmessung entwickelt werden. Diese weiterentwickelte neue Paralleltechnik soll zur parallelen Optimierung von rekombinanten Hefezellen für Bioreduktionen genutzt werden. Hierzu soll der Laborprozess zunächst in den 10 mL-Maßstab übertragen werden. Danach soll eine parallele Optimierung der Biokatalysator-Herstellung im pH-kontrollierten Zu-laufverfahren im 10 mL-Maßstab erfolgen. Abschließend soll die enantioselektive Reduktion von 4Cl-ACE zu S-CHBE mit optimal hergestellten rek. Saccharomyces cerevisae maßstabsvergrößert werden.
Projektpartner des Lehrstuhls für Bioverfahrenstechnik der Technischen Universität München sind die Firmen H+P-Labortechnik AG (Bioreaktorblock / Drehzahlüberwachung), Precision Sensing GmbH (opti-sche Sensorik / Trübungsmessung), DASGIP AG (parallele Prozessleittechnik) und Consortium für elekt-rochemische Industrie GmbH (rekombinante Hefe für Bioreduktionen / Maßstabsvergrößerung).


Ergebnisse und Diskussion

Parallele Optosensorik: Es wurden 6 ‚Sensorstäbe mit neuen optischen Komponenten zur optosensorischen pH- und pO2-Kontrolle entwickelt und bereitgestellt. Die optischen pH-Sensoren wurden durch Veränderung der Sensormatrix (Festladungsdichte, Hydrophilie) und durch Einbringung von weißen, reflektierenden Nanopartikeln so weit verbessert, dass die Ionenstärke des Reaktionsmediums keine Rolle mehr spielt und die Lichtstärke stark erhöht wurde. Durch die neuen optischen Komponenten im ‚Sensorstab und die Veränderungen im Sensoraufbau konnte erstmalig eine von Störeinflüssen unabhängige optische pH-Messung realisiert werden. Dies konnte auch bei der Kultivierung von Saccharomyces cere-visiae in Milliliter-Bioreaktoren bestätigt werden. In der Praxis funktionierte die Optosensorik zur online Messung des pH und pO2 in verschiedenen Kultivierungen sehr zufrieden stellend. Die typischen Abweichungen des pH liegen im Bereich von bis zu 0,2 pH-Einheiten sowie 5 - 10 % Luftsättigung für den pO2.

Parallele pH-Regelung: Zur Entwicklung eines parameteradaptiven pH-Reglers wurden die wesentlichen regelungstechnischen Eigenschaften der parallelen pH-Kontrolle von Bioprozessen im Bioreakti-onsblock zugrunde gelegt: Zyklische Abtastzeit der pH-Sensorik von 2 Minuten; Roboterstellglied mit stochastischer Abtastzeit von bis zu 10 Minuten. Durch Simulationsstudien mit nichtlinearer Modellierung der Hefekultivierung und Berücksichtigung des Pufferverhaltens des Reaktionsmediums wurde eine generali-sierbare Strategie zur Parameteradaption entwickelt. Zentrale Kenngröße zur Parameteradaption ist das Verhältnis von zudosierter Korrekturmittelmenge/pH-Änderung in einem (stochastischen) Abtastintervall des Roboterstellgliedes. Der entwickelte parameteradaptive Regler wurde in das Prozessleitsystem implementiert und experimentell verifiziert. Zusammenfassend konnte mit der vorgestellten Reglerimplemen-tierung und den verschiedenen Modifikationen ein robust arbeitender Regler erarbeitet werden, der in zahlreichen Parallelfermentationen einen geregelten pH bei optimiertem Säure- und Laugenverbrauch sichergestellt hat.

Parallele Drehzahlüberwachung: Es wurden Hallelement-Messplatten entwickelt und in den magnetisch-induktiven Bioreaktionsblock integriert. Die Position und Orientierung der Hallelemente konnte so gewählt werden, dass das magnetische Erregerfeld des Induktivantriebs weitestgehend unterdrückt wur-de, das überlagerte Feld des Dauermagneten im Rührorgan jedoch zu einem Messsignal mit ausreichend hoher Amplitude führte. Damit wurde es möglich, den Ausfall eines, mehrerer oder aller 48 Magnetrührer sicher zu detektieren. In das Prozessleitsystem wurden verschiedene Methoden zur rechtzeitigen Erkennung der Gefahr eines Rührerausfalls und zur präventiven automatischen Reduktion der Rührerdrehzahl implementiert. Auch bei der parallelen Kultivierung von Saccharomyces cerevisiae konnte mit diesen Verfahren ein 100 % ausfallfreier Betrieb über den jeweiligen Beobachtungszeitraum (von bis zu 3 Tagen) bestätigt werden.

Parallele Trübungsmessung: Mit einem ersten Versuchsaufbau zur Trübungsmessung gelang der prinzipielle Nachweis, dass eine Messeinheit ohne zusätzliche optische Komponenten, also alleine mit den 3 vorhandenen LEDs (rot, blau, grün) und den beiden Fotodioden zur pH- und pO2-Messung, für eine re-flektionsspektroskopische Messung einsetzbar ist.

Maßstabsverkleinerung Biokatalysatorherstellung: Das Satzverfahren zur Herstellung rek. Saccharomyces cerevisiae Biokatalysatoren konnte mit einer parallelen Reproduzierbarkeit von 10 % (Standardabweichung Biotrockenmassekonzentration) in den Millilitermaßstab übertragen werden. Der Prozessverlauf entspricht im Rahmen der Beobachtungsgenauigkeit exakt dem Litermaßstab.

Maßstabsverkleinerung Biokatalyse: Die Ganzzell-Biokatalyse mit rek. Saccharomyces cerevisiae und die parallele Probenaufbereitung für die GC-Analytik wurden miniaturisiert, parallelisiert und mit dem Laborroboter automatisiert. Das gesamte Verfahren ist in ‚deep-well Mikrotiterplatten durchführbar, wobei allen Phasentrennungen (Zellabtrennungen, Phasentrennungen organisch / wässrig) direkt in der Mikroti-terplatte in einer Zentrifuge durchgeführt werden können.

Parallele Prozessoptimierung zur Herstellung von rek. Saccharomyces cerevisiae: Die parallele Optimierung der Biokatalysator-Herstellung für asymmetrische Synthesen ist im pH-kontrollierten Satzverfahren im 10 Milliliter-Maßstab mit Hilfe einer neuartigen stochastischen Suchstrategie erfolgt. Hierbei konnten mit 7 Parallelexperimenten die Biotrockenmassekonzentration von 20 g L-1 auf über 35 g L-1 und die S-CHBE-Konzentration von 90 mM auf 125 mM gesteigert werden. Allerdings zeigte sich auch, dass kein Reaktionsmedium gefunden werden konnte, bei dem alle 3 Zielgrößen gleichzeitig maximiert waren: Ein hoher S-Enantiomerenüberschuß von über 99 % war nur bei niedrigen Produktkonzentrationen von unter 20 mM S-CHBE möglich. Nachfolgend konnte eine ausgewählte enantioselektive Reduktion von 4Cl-ACE zu S-CHBE mit optimal hergestellten rek. Saccharomyces cerevisae exemplarisch in den 23 Li-ter Maßstab übertragen werden.

Vergleichende ökonomische und ökologische Bilanzierung: In Zusammenarbeit mit der DECHEMA wurde eine vergleichende ökonomische und ökologische Bilanzierung des optimierten Hefeverfahrens, eines Lactobacillus Verfahrens (TUM) und eines industriellen Biohydrierungsverfahrens mit rek. Escherichia coli (Kaneka, Japan) zur Herstellung von S-CHBE ausgehend von 4Cl-ACE unter Verwendung der ß-Version der Software Sabento durchgeführt. Hiermit wurde geschätzt, das der betrachtete Saccharo-myces-Prozess mit 153 €/kg S-CHBE den geringsten Gewinn im Vergleich zu 182 €/kg S-CHBE beim L. kefir-Prozess oder 202 €/kg S-CHBE beim E. coli - Prozess erwirtschaften würde. Bei diesem Vergleich von Biohydrierungsverfahren führt eine bessere Wirtschaftlichkeit auch zu einem geringeren Umweltwirkungspotential.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Weuster-Botz D, Puskeiler R, Kusterer A, Kaufmann K, John G, Arnold M (2004): Methods and devices for high-throughput bioprocess design (HTBD). Vortrag Internationaler Informationstag Mikro-Bioverfahrenstechnik der DECHEMA, Frankfurt, 11.11.2004.
Kusterer A, Kaufmann K, Weuster-Botz D (2005): Parallele Kultivierung von Escherichia coli im Bioreaktorblock. GIT 4/2005: 308-309.
Weuster-Botz D, Puskeiler R, Kusterer A, Kaufmann K, John G, Arnold M (2005): Methods and milliliter scale devices for high-throughput bioprocess design. Bioproc Biosys Eng 28: 109-119.
Weuster-Botz D, Puskeiler R, Kusterer A, Kaufmann K, John G, Arnold M (2005): High-throughput bio-process design. Vortrag Forum Life Science 2005, Garching, 16.-17.02.2005.
Weuster-Botz D (2005): High-throughput bioprcess design for a faster time to market. Interview in: Etterer T, Konrad M, Nassauer J: Bayern Innovativ Special Report Forum Life Science 2005: Bioengi-neering.
Weuster-Botz D, Puskeiler R, Kusterer A, Kaufmann K, John GT, Arnold M (2005): Parallel bioreactors on a milliliter-scale for high-throughput bioprocess design. Poster Biochemical Engineering XIV, July 10-14, 2005, Harrison Hot Springs, BC, Canada.
Weuster-Botz D, Kusterer A, Kaufmann K, John GT, Arnold M: Personal Biotechnikum. Exponat Forum Life Science 2005, Garching, 16.-17.02.2005.
Arnold M: High Throughput Bioprocess System. Exponat auf dem Messestand der DASGIP AG, BioTechnica 2005 (Hannover)
Weuster-Botz D (2006): Mikro-Bioverfahrenstechnik. Chem Ing Tech 78: 256-260.
A. Kusterer, K. Kaufmann, Ch. Krause, M. Arnold, D. Weuster-Botz: Automation of Disposable Stirred-Tank Bioreactors. Vortrag GVC/DECHEMA Jahrestagungen 2006 mit 24. DECHEMA-Jahrestagung der Biotechnologen, Wiesbaden, 26.-28.09.2006.

Übersicht

Fördersumme

270.160,00 €

Förderzeitraum

01.08.2004 - 31.12.2006

Internet

www.mw.tum.de/biovt/

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik