Projekt 03995/01

Simulationsmodell zur Beurteilung ökologischer Auswirkungen von Mindestwasserregelungen

Projektträger

Universität StuttgartInstitut für WasserbauLehrstuhl für Wasserbau undWassermengenwirtschaft
Pfaffenwaldring 61
70550 Stuttgart
Telefon: 0711/685-4461

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Frage nach angemessenen Mindestwasserregelungen bei Ausleitungskraftwerken ist entscheidend sowohl für die Gewässerökologie betroffener Flussabschnitte als auch für die Wirtschaftlichkeit einer Wasserkraftanlage. Ziel des Vorhabens war die Entwicklung eines Verfahrens zur Festlegung ökologisch begründeter Mindestwasserregelungen aufgrund der Lebensraumansprüche benthischer Organismen. Hierfür sollte ein computergestütztes Simulationsmodell entwickelt werden, welches sowohl ökologische Anforderungen als auch die Energieerzeugung berücksichtigt.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn der Ausleitungsstrecke des Wasserkraftwerks Ohrnberg am Kocher, einem Nebenfluss des Neckars, wurden drei Versuchsstrecken mit Hilfe sogenannter FST-Halbkugeln hinsichtlich ihrer sohlnahen Strömungskräfte untersucht. Mit Hilfe speziell entwickelter Computerprogramme lassen sich daraus die sohlnahen Strömungsmuster als Funktion von Abfluss und Morphologie darstellen. Die tatsächlichen Abflüsse in der Ausleitungsstrecke hängen u.a. vom natürlichen Zufluss am Wehr, dem Ausbauabfluss der Wasserkraftanlage und ihrer Betriebsweise, von der Mindestwasserregelung sowie von Grundwasserzutritten oder sonstigen Zuflüssen ab. Ein Computermodell berechnet daraus neben der tatsächlichen Energieerzeugung in der Wasserkraftanlage auch die Abflussganglinien in der Ausleitungsstrecke. Dabei können beliebige zeitlich gestaffelte oder abflussabhängig dynamische Mindestwasserregelungen berücksichtigt werden. Biologische Untersuchungen der Benthosfauna dienten der Bestandsaufnahme so-wie der Entwicklung sogenannter Präferenzfunktionen. Diese beschreiben den Zusammenhang zwischen sohlnaher Strömung und der hydraulischen Habitatqualität für bestimmte Arten. Verknüpft man mit Hilfe eines weiteren Computermodells diese Präferenzfunktionen mit dem sohlnahen Strömungs-muster, so erhält man die Qualität des hydraulischen Habitatangebotes infolge aller oben genannten Einflüsse. Diese können der jährlichen Energieerzeugung gegenübergestellt werden. Daraus wurde eine Empfehlung für eine Mindestwasserregelung abgeleitet. Nachdem diese modifiziert für 2 Jahre in Kraft war, wurden nochmals biologische Untersuchungen durchgeführt, um die Simulationsmodelle, welche unter der Bezeichnung CASIMIR zusammengefasst wurden, anhand eines Vergleiches zwischen Prognose und tatsächlichem Arteninventar zu validieren.


Ergebnisse und Diskussion

Die am Kocher durchgeführten hydraulischen und biologischen Untersuchungen stellten die Datenbasis für die Entwicklung der ersten Teilmodule des Simulationsmodells CASIMIR dar. Mit Hilfe von CASIMIR wurde eine Mindestwasserregelung für das Kraftwerk Ohrnberg vorgeschlagen, welche sich an der Habitatqualität für benthische Organismen orientierte, gleichzeitig jedoch nur geringe Erzeugungseinbußen für die Wasserkraftanlage Ohrnberg zur Folge gehabt hätte. Leider erschien der Betreiberin der Anlage, der damaligen Energieversorgung Schwaben AG, diese Regelung aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen zu hoch, so dass in Absprache mit der Wasserrechtsbehörde noch vor Fertigstellung unseres Gutachtens eine deutlich niedrigere, jahreszeitlich gestaffelte Regelung festgelegt wurde. Die Ergebnisse der im Rahmen des Forschungsprojektes durchgeführten Untersuchungen wurden dadurch leider nur in geringem Umfang berücksichtigt.
Die Entwicklung der Simulationsmodelle, die unter der Bezeichnung CASIMIR (Computer Aided Simulation Modell for Instream Flow Regulations) zusammengefasst sind, konnte wesentlich weiter vorangetrieben werden als ursprünglich beabsichtigt war. Bezüglich der benthischen Habitatsimulation wurde das Simulationsmodell entsprechend des Antrags entwickelt, wobei sich aus der Überlagerung mit verschiedenen Projekten der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft und Kulturbau (DVWK) bezüglich der sehr arbeitsintensiven Ermittlung von Präferenzfunktionen gute Synergieeffekte ergaben. Dadurch steht heute eine breite Datenbasis an gewässerspezifischen und auch an übertragbaren standardisierten Präferenzfunktionen für benthische Organismen zur Verfügung. Die diesbezüglichen Module von CASIMIR wurden seitdem an einer Vielzahl von angewandten Projekten im Auftrag von Wasserkraftbetreibern, Umweltverbänden und Fachbehörden sowie im Rahmen weiterer Forschungsvorhaben in Deutschland und der Schweiz angewandt, weiterentwickelt und verifiziert.
Die Validierung des benthischen Teiles von CASIMIR bedarf weiterer Untersuchungen. Die bisher hierzu durchgeführten Arbeiten sprechen in keiner Weise gegen die Aussagekraft der Habitatsimulation. Jedoch ist die in Ohrnberg eingestellte Mindestwasserregelung nicht hoch genug, um eine über die natürlichen jährlichen Fluktuationen hinausgehende, systematische Verschiebung der Artenzusammensetzung infolge der veränderten Restwassersituation erwarten zu lassen. Entsprechend ergaben die biologischen Untersuchungen auch keine solchen systematischen Unterschiede. Vielmehr spiegelten sie eine Art natürliches Rauschen wider, welches auch aus den Untersuchungen mit dem Simulationsmodell prognostiziert werden konnte.
Das morphologische Gerinnemodell, ebenfalls ein Modul aus CASIMIR, konnte wesentlich weiter ent-wickelt werden als beabsichtigt und wird derzeit in einem weiteren Projekt der Deutsche Bundesstiftung Umwelt (Az.: 12245) für die Simulation von Fischhabitaten weiter entwickelt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Aus dem Forschungsprojekt sowie den daraus weitergeführten Projekten im Bereich Habitatsimulation und Mindestwasserregelungen sind bisher neben einer Dissertation ca. 30 Publikationen in deutschsprachigen und internationalen Fachzeitschriften, Tagungsbänden und Büchern hervorgegangen. Ebenso wurden bisher ca. 30 - 40 Vorträge zum Thema gehalten, viele davon weltweit auf nationalen und internationalen wissenschaftlichen Tagungen, ebenso viele jedoch bei verschiedenen Veranstaltungen für Betreiber kleiner und großer Wasserkraftanlagen, Interessengemeinschaften, Naturschutzorganisationen, Behörden und Wasserwirtschaftsverwaltungen.


Fazit

Durch das Projekt konnte ein lokal bedeutsamer Vorschlag für eine ökologisch begründete Mindestwasserregelung am Kraftwerk Ohrnberg realisiert werden. Allgemein konnte damit in Deutschland die Entwicklung habitatbezogener quantitativer Ansätze zur Beurteilung des ökologischen Zustandes auf der Basis physikalischer Parameter am Fallbeispiel Ohrnberg vorangetrieben werden, woraus das Simulati-onsmodell CASIMIR in seiner ersten Version hervorging. Seitdem wurde CASIMIR ständig weiter entwickelt und im Rahmen vieler Projekte verwendet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der be-deutsamen Wechselwirkung zwischen Abfluss, Morphologie und ökologischer Funktionsfähigkeit sind grundlegend und werden jeweils sofort in aktuellen Projekten eingesetzt. Sie kommen damit direkt der Wasserkraftnutzung und der damit verbundenen ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer zugute. Bisher wurde CASIMIR an ca. 10 Wasserkraftanlagen bzw. Gewässerstrecken zur Festlegung von Mindestwasserregelungen eingesetzt.

Übersicht

Fördersumme

87.822,56 €

Förderzeitraum

27.04.1994 - 17.01.2001

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Klimaschutz
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik