Projekt 00893/01

Regenwasserentsorgung in den neuen Bundesländern durch Mulden- Rigolen-Systeme – wissenschaftliche Begleitung der Pilotanlagen und Erarbeitung eines Leitfadens

Projektträger

Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Dr.-Ing. Rudolph & Partner mbH
Berliner Str. 71
15366 Dahlwitz-Hoppegarten
Telefon: 03342/3889-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ziel und Anlaß des Projekts ist es, für regenwasserseitig nur sehr lückenhaft erschlossene Siedlungsgebiete der neuen Bundesländer neue Wege einer Regenwasserentsorgung (Regenwasserbewirtschaftung) aufzuzeigen, die sich einerseits an einer weitestgehenden Regenwasserversickerung orientieren und andererseits bei einem mit einer traditionellen Regenwasserkanalisation vergleichbaren Entwässerungskomfort zur Kostendämpfung öffentlicher Erschließungsmaßnahmen beitragen. Schwerpunkte der wasserwirtschaftlichen Zielstellung sind, die Fließgewässer zu entlasten, Hochwassersituationen vorzubeugen, Grundwasser zu erhalten, Niedrigwasserabführungen kleiner Fließgewässer zu stabilisieren sowie durch Einsatz vernetzter Mulden-Rigolen-Systeme (MRS) Voraussetzungen für die Anwendung der Regenwasserversickerung auch unter weniger günstigen Versickerungsvoraussetzungen (Kf < 5 x 10E-6, temporäres oberflächennahes Schichtenwasser) zu schaffen. Beispielhaft sind einzelne MRS als Pilot- und Demonstrationsanlagen zu errichten und wissenschaftlich zu begleiten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür zwei großflächige, bisher weitestgehend nicht erschlossene Siedlungsgebiete (jeweils ca. 1000 ha, 100 bis 150 Straßenkilometer) werden umfangreiche Bestandsaufnahmen durchgeführt. Mit der komplexen Bestandsaufnahme werden erfaßt: Die feingliedrige Topographie, die Geologie (geologisches und hydrogeologisches Kartenmaterial, Bodenkartierung, open-end-Versickerungsversuche), die Vorflutverhältnisse, die kleinräumigen Randbedingungen (z. B. Straßenraumbreiten, -befestigungen, Straßenbepflanzungen, grundstücksbezogene Besonderheiten, Flächennutzungs-/B-/V+E-Planungen, Verkehrsplanungen etc.) sowie Biotopkartierungen.
Auf dieser Grundlage werden flächendeckend und straßenzugweise mögliche Elemente der Regenwasserbewirtschaftung (einfache Versickerungsmulden, vernetzte und nicht vernetzte MRS in dezentraler und semizentraler Anordnung, oberflächige/oberflächennahe Ableitung, Gosse, Rinne etc., Regenwasserkanal) zugeordnet, vom Gesamtzusammenhang her hydraulisch vordimensioniert, mittels Langzeitkontinuumsimulation nachgewiesen und einem konventionellen Kanalkonzept hinsichtlich der Auswirkungen auf den Wasser- und Naturhaushalt (Umweltverträglichkeitsvergleich) und der Investitionskosten gegenübergestellt.
In den Untersuchungsgebieten werden einzelne MRS als Pilot- und Demonstrationsanlagen planerisch vorbereitet, bauseits realisiert sowie hinsichtlich des Betriebsverhaltens untersucht. Die bei der Erarbeitung der Regenwasserbewirtschaftungskonzeptionen sowie der Errichtung und dem Betrieb der Pilotanlagen gewonnenen Erfahrungen werden als Leitfaden im Sinne einer Planungshilfe zusammengefaßt.


Ergebnisse und Diskussion

Mit den beiden Gesamtkonzepten wird eine verallgemeinerungsfähige Methodik zur Entwicklung naturnaher und umweltverträglicher Regenwasserbewirtschaftungskonzepte für größere in sich zusammenhängende Siedlungsgebiete erarbeitet. Es kann nachgewiesen werden, daß neben wasserwirtschaftlichen und naturräumlichen Vorteilen, wie Erhalt der Grundwasserneubildung, Schutz von Grund- und Oberflächenwasser, Erhalt von Biotopen, gegenüber einer traditionellen Regenwasserableitung deutlich niedrigere Investitionskosten erforderlich sind (20 % bzw. 45 % im Falle der Beispielgebiete). In den Untersuchungsgebieten liegt der gemäß Konzeption vorgesehene Anteil an dezentralen Versickerungsanlagen bei 70 % bzw. 90 % (davon Anteil MRS bei 60 % bzw. 15 %), der Anteil R-Kanal bei 30 % bzw. 10 %. MRS werden dort eingesetzt, wo die Bodenverhältnisse (Kf < 5 x 10-6) eine natürliche Versickerung nicht zulassen. Darüber hinaus ist die Anordnung von MRS insbesondere in Bestandsgebieten von kleinräumigen Randbedingungen, wie der verfügbaren Straßenraumbreite, dem Straßenprofil sowie der Bepflanzung, abhängig. Die Wasserhaushaltsbilanz weist im langjährigen Mittel eine Versickerungsrate von durchschnittlich 60 % bzw. 86 % aus. Um die wasserwirtschaftlichen, naturräumlichen und wirtschaftlichen Vorteile einer naturnahen Regenwasserbewirtschaftung effizient umzusetzen, ist es notwendig, diese bei der Bauleit- und Verkehrsplanung frühzeitig zu berücksichtigen. Dies betrifft insbesondere die Vorbereitung von neuen Erschließungsgebieten. Mit dem Leitfaden umweltverträgliche Regenwasserentsorgung werden die Beispielkonzepte verallgemeinert und eine methodische Anleitung zur Entwicklung von Regenwasserbewirtschaftungskonzepten für Siedlungsgebiete vorgestellt.
In Übereinstimmung mit den o.g. Konzeptionen wurden in der Gemeinde Schönow zwei Demonstrationsanlagen errichtet: 1. Straßenbegleitendes MRS Schönerlinder-/Wiesenstraße (1992, Bestandsgebiet); 2. Komplexes MRS Gewerbegebiet Schönow (1996/97; Erschließungsgebiet, ca. 40 ha). Mit den realisierten Demonstrationsanlagen kann nachgewiesen werden, daß MRS sowohl in Bestands- als auch Neubaugebieten konsequent umgesetzt werden können. Neben der wasserwirtschaftlichen Zielstellung, möglichst viel Regenwasser zu versickern, wird darüber hinaus die Möglichkeit nachgewiesen, mittels MRS temporär oberflächennahes Schichtenwasser bewirtschaften zu können.
Die/Der Dimensionierung/hydrologischer Nachweis der Anlagen erfolgt mit Hilfe einer Langzeit-Kontinuumsmulation, Simulationsprogramm MURISIM. Bauerfahrungen: Die Errichtung der unterirdischen Baugruppen (Rigole, Dränrohr, Vernetzung) sind im allgemeinen unproblematisch. Um die Sickerfähigkeit des Muldenoberbodens zu gewährleisten, wird auf die konsequente Anwendung der DIN 18035, Teil 4 (Rasentragschichten im Sportplatzbau) orientiert. Im Zuge der Projektbearbeitung wurde die Entwicklung der erforderlichen Spezialschächte (Anstau- und Drosselregulierung) beeinflußt. Da bei Erschließungsgebieten die Regenwasserbewirtschaftung vorzugsweise und weitestgehend auf den Grundstücken erfolgt, ist es für eine dauerhafte Umsetzung erforderlich, diese Maßnahmen über B-Pläne, Satzungen bzw. Kaufverträge nachhaltig durchzusetzen. Für das Gewerbegebiet Schönow wird beispielhaft eine Anleitung für Planung, Bau und Betrieb grundstückseigener MRS entwickelt. Die Erfahrungen der projekt- und bauseitigen Abwicklung werden ausgewertet. Erste Erfahrungen der Pflege und Unterhaltung von MRS werden in einer(m) Leistungsbeschreibung/-verzeichnis, das die komplexe Unterhaltung der Öffentlichen Erschließungsanlagen Straße/Regenwasserbewirtschaftung/Grünanlagen berücksichtigt, zusammengefaßt.
Projektübergreifende Ergebnisse sind, daß dem Beispiel der ersten Demonstrationsanlage folgend, seit 1994 in Berlin und Brandenburg das MRS in größerem Umfang zur Anwendung gekommen ist.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Workshop Regenwasserbewirtschaftung statt Regenwasserentsorgung (1993), diverse Publikationen; Seminare für öffentliche Behörden und Ingenieurbüros (1993 - 1997).


Fazit

Die mit dem Projekt erzielten Ergebnisse zeigen, daß mit MRS auch bei geologisch ungünstigen Randbedingungen eine weitestgehende Regenwasserversickerung in Bestands- und Neubaugebieten möglich ist. Im Komplex mit anderen Elementen einer umweltverträglichen Regenwasserbewirtschaftung können diese technisch, ökologisch und wirtschaftlich effizient umgesetzt werden.
Darüber hinaus muß festgestellt werden, daß bezüglich der Systemelemente des MRS, der Vielfalt der Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Entwässerungsverfahren sowie deren modelltechnischer Beschreibung sowie bestehender Probleme einer nachhaltigen Umsetzung und der Integration in die großräumige wasserwirtschaftliche Rahmenplanung noch umfangreicher F & E-Bedarf besteht.

Übersicht

Fördersumme

675.061,23 €

Förderzeitraum

10.08.1992 - 30.06.1997

Bundesland

Brandenburg

Schlagwörter

Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik