Neue DIN-Norm bringt Lehmbau in Deutschland voran

Lehm wird seit Jahrtausenden verwendet und ist ein besonders nachhaltiger Baustoff. Aktuell ist er wieder gefragt, denn er könnte vor allem im Wohnungssektor helfen, Klimaneutralität zu erreichen. Anders als herkömmliche Ziegel oder Zement werden Mauersteine aus Lehm nicht gebrannt, sondern getrocknet. Ihre Herstellung benötigt laut der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) daher bis zu 85 Prozent weniger Energie und weist eine gute CO2-Bilanz auf. Auch können Lehmmauersteine aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit vollständig recycelt werden: Sämtliche Bestandteile, insbesondere die wertvolle Ressource Sand, lassen sich sortenrein zurückgewinnen und können in einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft erneut genutzt werden. Allerdings wird Mauerwerk aus Lehm bisher kaum eingesetzt und das liegt vor allem an den aktuellen Vorschriften, die sehr restriktiv sind. Mit einer neuen DIN-Norm nimmt Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle im Lehmmauerwerksbau ein. Im Folgenden stellen wir zwei DBU-Projekte zum Lehmbau vor.

Bauingenieur Phillip Wiehle bei einem Druckversuch an einem Lehmmauerwerkprobekörper. Foto: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung

Neue DIN-Norm erleichtert den Einsatz von Lehm als Baustoff

Bauen ist eine wesentliche Ursache für den Ausstoß des Treibhausgases CO2. Häuser und andere Gebäude nachhaltig und klimaneutral zu errichten, ist deshalb wichtiger denn je. „Dabei könnten Baustoffe aus Lehm eine wichtige Rolle spielen“, sagt Philipp Wiehle von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).

Der Bauingenieur hat in einem DBU-geförderten Projekt die mechanischen Eigenschaften und die Tragfähigkeit von Lehmsteinen untersucht. Beteiligt an seinen Forschungen waren die Technische Universität (TU) Darmstadt und das Ingenieurbüro Ziegert Roswag Seiler. Das Ergebnis: Das Tragverhalten von Lehmmauerwerk ist mit konventionellem Mauerwerk vergleichbar – teilweise sogar besser. Lehm besitzt außerdem eine Wasseraufnahme und -abgabekapazität, die für eine ausgeglichene Raumluftfeuchte sorgt.

Die Untersuchungen sind in eine neue DIN-Norm eingeflossen. „Lehmmauerwerk ist nun für Gebäude mit bis zu vier Vollgeschossen möglich“, so Wiehle. Mit der DIN-Norm steht Planungsbüros zudem erstmals eine verlässliche Quelle zur Verfügung, die genau angibt, wie es technisch eingesetzt werden kann. Zugleich macht die Norm es der Industrie leichter, klimaneutrale und energiesparende Lehmprodukte am Markt zu etablieren. Insbesondere im Wohnungsbau, bei dem in Deutschland drei Viertel aller Gebäude in Mauerwerksbauweise errichtet werden, könnten Lehmsteine einen entscheidenden Beitrag zu mehr Klimaneutralität leisten. Mit der neuen DIN-Norm 18940, die im Juni veröffentlicht wird, nimmt Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle im Lehmmauerwerksbau ein.

Mehr Informationen unter: www.bam.de/Content/DE/Pressemitteilungen/2023/Umwelt/2023-03-16-nachhaltiges-bauen-lehmmauerwerk.html

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Lehm soll beim Neubau künftig eine Rolle spielen. Wie das gelingen kann, erforscht derzeit das Unternehmen Kimm-Baustoffe. Zum Start des Forschungsvorhabens waren die Parlamentarische Staatssekretärin des Umweltbundesministeriums, Dr. Bettina Hoffmann (dritte von rechts), und DBU-Generalsekretär Alexander Bonde (Mitte) vor Ort. Foto: Kerstin Diehl, Büro Hoffmann

Hessisches Unternehmen plant industrielle Herstellung von Lehmbausteinen

Der Bausektor spielt für den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit wegen seines hohen Energie- und Ressourcenverbrauchs eine entscheidende Rolle. Ein Rohstoff wie Lehm bietet große Chancen. Doch bisher kommen Lehmsteine nur kleinformatig vorwiegend im Denkmalschutz zum Einsatz. „Für den Neubau stehen aktuell keine tragenden Lehmsteine zur Verfügung“, bestätigt Stefan Kimm-Friedenberg. Der Geschäftsführer des Unternehmens Kimm aus Hessen möchte dies durch ein neues Forschungsvorhaben ändern. Denn mit Erscheinen der DIN-Norm 18940 im Juni 2023 ist die Anwendung von tragendem Lehmsteinmauerwerk bis einschließlich Gebäudeklasse 4 zulässig. Der Betrieb plant daher eine industrielle Herstellung von großformatigen Lehmsteinen für tragendes Mauerwerk.

Das Unternehmen setzt dabei auf ein bereits etabliertes Formpressverfahren aus der Kalksandsteinindustrie. Mehr als 80 Kalksandsteinwerke in Deutschland verfügen über die Infrastruktur. „Deshalb wollen wir von der Gewinnung und Aufbereitung des Ausgangsmaterials über die Produktion und Lagerung bis zur Anwendung im Bauteil ein übertragbares Herstellungsverfahren mit Qualitätssicherung entwickeln“, so Kimm-Friedenberg. Ziel des Vorhabens ist auch die Erarbeitung einer Ökobilanz für das neue Produktionsverfahren als Grundlage für eine Umweltproduktdeklaration für formgepresste Lehmsteine. Diese soll Planerinnen, Planern und Ausführenden eine gesicherte Datengrundlage für die Errichtung von nachhaltigen Bauten aus Lehm liefern.

Mehr zum Projekt unter: https://www.dbu.de/news/multitalent-lehm-fuer-nachhaltigen-bau/

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Titelfoto: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung