Von der Kultur- zur Energielandschaft? DBU-Tagung „Energiewende und Archäologie“

5. und 6. November im ZUK der DBU in Osnabrück

Osnabrück. Die Energiewende stellt auch die Archäologie vor neue Herausforderungen: unter- und oberirdische Trassen, die den Strom durchs Land transportieren, auf historischen Flächen aufgestellte Solar- und Windparks, der verstärkte Anbau von „Energiepflanzen“ wie Mais und Raps mit Belastungen für die Böden und Gefährdung des sich dort befindlichen Kulturguts. „Wir brauchen zukunftsfähige Erhaltungs- und Entwicklungskonzepte, damit Kulturlandschaften nicht zu Energielandschaften umgebaut werden. Viele bodengelagerte Denkmäler könnten sonst unwiederbringlich zerstört werden“, sagt Dr. Paul Bellendorf, Referent für Umwelt und Kulturgüterschutz bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Während der von der DBU geförderten Tagung „Energiewende und Archäologie“ am 5. und 6. November im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der DBU in Osnabrück sollen erstmals die Anforderungen, die wegen der Energiewende für Kulturlandschaften entstehen, vorgestellt und diskutiert werden.

Gravierende Auswirkungen für das archäologische Erbe

Häufig seien sich weder die breite Öffentlichkeit, noch Denkmalpfleger, Archäologen, Planer und Netzbetreiber bewusst, welche gravierenden Auswirkungen die Energiewende unter Umständen für das archäologische Erbe haben könne, so Bellendorf. Um die Ziele der Energiewende zu erreichen, würden zum Beispiel neue Leitungstrassen quer durch Deutschland gebraucht. Bellendorf: „Vor allem beim Bau unterirdisch verlegter Kabel, aber auch bei oberirdischen Trassen werden erhebliche Eingriffe in die bodengelagerten Schätze der vergangenen Epochen notwendig.“

"Eingriffe in das Erdreich sind vergleichbar mit denen beim Bau großer Gaspipelines"

Dr. Henning Haßmann von der Abteilung Archäologie des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege ergänzt: „Bei unterirdischen Kabeln sind die Eingriffe in das Erdreich vergleichbar mit denen beim Bau großer Gaspipelines wie zum Beispiel der ‚Nordeuropäischen Erdgasleitung‘, die Deutschland und Nordwesteuropa mit den großen Erdgasreserven in Sibirien verbindet.“ Der Bau der 1.200 Kilometer langen und bis zu 36 Meter breiten Leitungstrasse sei von mehreren archäologischen Teams begleitet worden, die im Rahmen sogenannter Notgrabungen viele überraschende Funde zutage gefördert hätten, so Haßmann weiter. „Vergleichbares könnte auch beim Bau neuer Stromtrassen zu erwarten sein.“ Auch bei oberirdisch verlegten Leitungen würden zumindest punktuelle Eingriffe in den Boden notwendig – etwa für Baustellen oder für Standorte der Strommasten.

Durch vorab durchgeführte Grabungen Befunde gesichern

„Solaranlagen werden bevorzugt in Ortsnähe aufgestellt, so zum Beispiel auch immer wieder über ehemaligen historischen Anlagen wie zum Beispiel über Klöstern, Befestigungen oder Siedlungen“, geht Dr. Thomas Westphalen, Leiter der Abteilung Archäologische Denkmalpflege im Landesamt für Archäologie in Sachsen, auf ein weiteres Themenfeld ein. Bei einer unsachgemäßen Installation der Anlagengestelle könnten archäologische Objekte dauerhaft gestört werden. Die Fundamente für Windkraftanlagen seien ungleich größer, mögliche Eingriffe für die archäologische Denkmalpflege dadurch entsprechend gravierender. „Negative Folgen fürs Bodenarchiv ließen sich durch eine sachgemäße Beteiligung von Archäologen verringern“, so Westphalen weiter. Durch eine vorab durchgeführte Grabung könnten Befunde sogar gesichert werden.

Steigende Belastung der Böden, beschleunigte Zerstörung archäologischer Denkmäler

„Der verstärkte Anbau von Mais und Raps für Biogasanlagen verändert die Fruchtfolge, verstärkt die Bodenerosion und erhöht den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern“, erklärt Dr. Andreas Bauerochse vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Dadurch steige die Belastung der Böden, was in einer beschleunigten Zerstörung der archäologischen Denkmäler resultiere. Bauerochse: „Der Umbau von Moorflächen für den Anbau von Energiepflanzen gefährdet zudem wertvolle, sich nur im feuchten Milieu erhaltende archäologische Substanz wie Bohlenwege, Reste von Feuchtbodensiedlungen oder Moorleichen.“

Konzepte der Konfliktminimierung oder -vermeidung zum Schutz archäologischer Denkmäler entwickeln

„Während der interdisziplinären DBU-Fachtagung sollen diese Themenfelder einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert werden“, so Bellendorf. Ziel sei es, Archäologen, Netzbetreiber, Energieversorger sowie Vertreter aus Landwirtschaft und Naturschutz ins Gespräch zu bringen und sich über unterschiedliche Interessen auszutauschen. Im Dialog sollten zukunftsfähige Konzepte der Konfliktminimierung oder -vermeidung zum Schutz archäologischer Denkmäler entwickelt werden. „Denn eine gut organisierte Bodendenkmalpflege kann zum Gelingen der Energiewende beitragen“, ist sich Bellendorf sicher. Die Tagung findet in Verbindung mit der Kommission für Landwirtschaft und Forsten im Verband der Landesarchäologen, mit dem Landesamt für Archäologie Sachsen und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege statt. Mehr Informationen unter http://www.dbu.de/550artikel34644_135.html.

Am 5. und 6. November werden im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der DBU in Osnabrück erstmals die Anforderungen, die wegen der Energiewende für Kulturlandschaften entstehen, einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert.
© Landesamt für Archäologie Sachsen; Bild: O. Braasch

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