Brücken: Schadensmeldung in Echtzeit?

DBU fördert Erforschung automatisierter Beurteilungsmethoden

Osnabrück/Karlsruhe. Immer mehr marode Brücken und dadurch resultierende Straßensperrungen erhöhen den Verkehrsdruck in Deutschland. Hinzu kommt, dass erforderliche Brückensprengungen, -abrisse und -neubauten enorme Ressourcen verbrauchen, zusätzliche Treibhausgase und hohe Kosten verursachen. Würde dagegen bereits beim ersten Auftreten kleinerer Schäden eine Meldung bei der zuständigen Straßenverwaltung eingehen, könnte zeitnah lokal geprüft und umweltschonend saniert werden. Diese Überlegung untersucht ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Projekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) anhand von Schwingungsmessungen. Entscheidende Frage: Wie kann eine automatisierte Echtzeitüberwachung erfolgen?

Allein 4.000 Brücken stark belasteter Autobahnen müssen dringend saniert werden. Forschende untersuchen mit Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Methoden für eine dauerhafte und automatisierte Schadenserkennung für rechtzeitige Reparaturen.
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4.000 Brücken in der Bundesrepublik müssen dringend saniert werden

Im Bundesfernstraßennetz existieren nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums fast 40.000 Brücken – davon bestehen 86 Prozent aus Stahl- und Spannbeton. Das Problem: Viele Brücken aus den 1960er- und 1970er-Jahren sind ursprünglich für deutlich geringere Verkehrsbelastungen gebaut worden. Und: Vor allem der Schwerlastverkehr hat laut Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen enorm zugenommen und für eine vorzeitige Materialalterung gesorgt. Die Folge: Von den 40.000 Brücken müssen laut dem Programm für Brückenmodernisierung allein 4.000 im Kernnetz stark belasteter Autobahnen dringend saniert werden. Wegen erheblicher Schäden mussten bereits etwa die Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid und die Ringbahnbrücke in Berlin gesperrt werden – ressourcenintensive Ersatzbauten sind dort unumgänglich. „Wir brauchen im Brückenbau Methoden, um eine jetzt schon drohende Welle an Generalüberholungen abzumildern“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Denn der dafür benötigte Beton treibe den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) und den Ressourcenverbrauch in die Höhe. Allein die globale Zementproduktion trägt mit etwa sechs bis acht Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Bonde: „Wenn Schäden frühzeitiger repariert werden, entlastet das Verkehr, Umwelt und Gesundheit.“ Voraussetzung dafür sei eine dauerhafte und automatisierte Schadenserkennung.

Ganzes Ausmaß der Schäden innerhalb von Brücken oft erst nach Abbruch sichtbar

Ähnlich wie beim Auto-TÜV sind regelmäßige Brückenprüfungen, wie sie die DIN 1076 in Deutschland vorschreibt, genau festgelegt: Alle sechs Jahre erfolgt bei Brücken eine personal- und zeitintensive Hauptprüfung, drei Jahre später eine einfache Prüfung. „Erfahrene Ingenieure untersuchen die Bauwerke, von denen viele von innen begehbar sind, und vermerken Auffälligkeiten und Schäden“, sagt Prof. Dr.-Ing. Alexander Stark vom Institut für Massivbau und Baustofftechnologie (IMB) beim KIT. Die Betonbauteile werden abgeklopft, um zum Beispiel Hohlräume zu erkennen, so der Projektleiter. Doch nicht alle Schäden seien auf diese Weise feststellbar. Ein Beispiel: Der Asphalt überdeckt im Bereich von Mittelstützen Schäden am Brückenüberbau, so dass eine visuelle Inspektion hier nicht ohne Weiteres erfolgen kann. Deshalb gibt es neben der visuellen Regelkontrolle im Falle eines Verdachts Sonderprüfungen für Brücken: Untersucht wird derzeit etwa mittels Drucksensoren, Drohnenkameras, Ultraschallmessungen oder Computersimulationen und -modellen. Das Problem laut Stark: „Diese Kontrollen bilden meist nur einen Teil der Brücke als Momentaufnahme ab oder erfordern lange Berechnungszeiten, so dass ein Überprüfen nach dieser Methode nur wirklich sinnvoll für wenige Bauwerke von herausragender Bedeutung ist.“ Der Professor weiter: „Wir benötigen daher dringend praxisnahe automatisierte Echtzeitüberwachungsmethoden für Brücken, die effektiv den Ort und die Größe eines Schadens melden können.“

Brückensperrungen nicht erforderlich: Schwingungsmessungen bei laufendem Betrieb

Eine solche dauerhafte Überwachungsmethode soll im DBU-geförderten Projekt des KIT mittels Schwingungsmessungen erforscht werden. Die Idee: „Jedes Tragwerk hat ein charakteristisches Schwingungsverhalten, das durch Masse und Steifigkeit beeinflusst wird. Entstehen nennenswerte Risse im Beton, verändert sich die Steifigkeit und damit auch das Schwingungsverhalten“, so Stark. Mit Hilfe sogenannter Beschleunigungssensoren kann das charakteristische Schwingungsverhalten erfasst werden. „Über diese messtechnische Bewertung der gesamten Brücke sollen Rissbildungen lokalisiert und gleichzeitig erstmals quantifiziert werden – und zwar, noch bevor sie überhaupt sichtbar sind und eine reguläre Inspektion der Brücke ansteht“, erläutert Stark. Zusätzliche Vorteile: Geschwindigkeitsbeschränkungen oder gar Brückensperrungen sind nicht erforderlich. Zudem sind frühzeitig Sanierungsmaßnahmen schnell, präzise und kostengünstig möglich. „Neben der Gewährleistung einer zuverlässigen und sicheren Infrastruktur spart das zusätzlich Treibhausgase und Ressourcen ein“, sagt DBU-Fachreferent Franz-Peter Heidenreich. Das Ziel: Im Sinne einer umfassenden Kreislaufwirtschaft sollen bestehende Materialien wie Stahl- und Spannbeton sowie Brückenbauteile so lange wie möglich genutzt, wiederverwendet und repariert werden.

Idee für die Zukunft: Brücken mit Sensoren ausstatten

Das jetzt startende Projekt soll erste Grundlagen schaffen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Einführung mit einem Firmenkonsortium. Die Ambition: „Wir wollen die Vorrausetzungen schaffen, dass die Straßenbauverwaltungen Brücken mit Sensoren ausstatten können und ein effektives Werkzeug zur automatisierten Bewertung an die Hand bekommen“, sagt Stark. Erhoffte Pluspunkte: kürzere Planungszeiten sowie geringere bürokratische Hürden durch präzisere und effizientere Sanierungsarbeiten.

Bei fachlichen Fragen (AZ 39220/01): Prof. Dr.-Ing. Alexander Stark, Tel.: +49 721 608 42262

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