„’Besser, anders, weniger’ für einen zukunftsfähigen Lebensstil“

Deutscher Umweltpreis 2009: Einzelwürdigung Dr. Angelika Zahrnt

Neckargemünd. „Eine Freundin der Erde“ sei Dr. Angelika Zahrnt einmal genannt worden. Und mehr als nur freundschaftlich habe sie sich vehement für den Schutz von Umwelt und Natur eingesetzt. Dass Umwelt- und Naturschutz inzwischen als ein zusammengehörender Themenkomplex verstanden würde, sei der 65-Jährigen genauso zu verdanken wie die Verbindung von ökologischen und sozialen Themen. „Frau Zahrnt hat erkannt, dass die Natur nur dann eine Überlebenschance hat, wenn sich umweltfreundliches Verhalten fest in der Gesellschaft verankert“, würdigte heute Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2009 der DBU an die Ehrenvorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Dr. Angelika Zahrnt. Bundespräsident Horst Köhler wird ihr den höchstdotierten Umweltpreis Europas am 25. Oktober in Augsburg überreichen. Ihr Preisgeld: rund 160.000 Euro.

"Kompetente Mahnerin" habe standfest auf Politiker, Wirtschaftler und Gesellschaft eingewirkt

Brickwedde würdigte die in Köslin (Pommern) geborene Zahrnt als eine Persönlichkeit mit großer Vorbildfunktion, da sie nicht nur den BUND zu einem überall anerkannten und ernst zu nehmenden Gesprächspartner gemacht habe. Sie sei auch Vorbild für das ehrenamtliche Engagement vieler Menschen, die für eine „ökologische Wende“ einträten. „Durch den Einsatz von Angelika Zahrnt für die Umwelt wurde auch ein Wertewandel der Lebensstile in hoch entwickelten Industriegesellschaften angestoßen“, sagte Brickwedde. Als „kompetente Mahnerin“ habe Zahrnt standfest auf Politiker, Wirtschaftler und gesellschaftliche Gruppen eingewirkt. Sie habe ein Umdenken im Lebensstil gefordert: statt „weiter, schneller, mehr“ solle das Motto für nachhaltiges Leben „besser, anders, weniger“ lauten.

Standhaft im Einsatz für saubere Energiequellen: Dr. Angelika Zahrnt.
© BUND

Zahrnts Ratschlag in vielen Gremien gefragt

Auch in beratender Funktion habe die promovierte Volkswirtschaftlerin ihre Spuren hinterlassen, so Brickwedde: Unter anderem als Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, im Strategiebeirat „Sozialökologische Forschung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung oder in wissenschaftlichen Beiräten. Auch als langjähriges Mitglied und stellvertretende Vorsitzende im Fernsehrat des ZDF habe sie sich für "ihre" Themen erfolgreich eingesetzt.

Den BUND politisch wirkungsvoller gemacht und internationaler ausgerichtet

Ihre Verdienste habe sich Angelika Zahrnt vor allem in ihrem Wirken als Vorsitzende des BUND erworben. Als erste Frau an der Spitze habe sie neun Jahre das Bild des größten deutschen Umweltverbandes bestimmt. Unter ihrem Vorsitz habe der Verein 50.000 Mitglieder und Förderer dazu gewonnen und professionelle Strukturen geschaffen, um politisch wirkungsvoller zu sein und um die ehrenamtliche Mitarbeit im BUND zu stärken. Das Bewusstsein, dass der Umweltschutz nicht vor Ländergrenzen Halt mache, sei von Zahrnt im BUND gefestigt worden. „Global denken – global handeln“ sei als Motto neben "Global denken - lokal handeln" verankert. Einen weltweiten Bezug des Vereins und stärkere internationale Ausrichtung im internationalen Netzwerk „Friends of the earth“ (Freunde der Erde) sei die Folge ihres Engagements. Zahrnt sei es zu verdanken, dass große Naturschutzprojekte wie das „Grüne Band“, das Rettungsnetz Wildkatze, die Bergbaufolgelandschaft Goitzsche sowie das Besucherzentrum Burg Lenzen voran gebracht werden konnten, Projekte, die zum Teil auch von der DBU unterstützt worden sind.

Dr. Angelika Zahrnt erhöhte die umweltpolitische Schlagkraft des BUND und richtete sein Profil auf mehr Internationalität aus.
© BUND

Thema Nachhaltigkeit in das alltägliche Leben getragen und umsetzbar gemacht

Bereits als stellvertretende Vorsitzende des BUND habe sie die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ initiiert. Die gemeinsam von BUND und dem katholischen Hilfswerk MISEREOR 1996 herausgegebene Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie habe ein starkes öffentliches Echo gefunden und viele lokale Agenda-21-Prozesse angestoßen. „Damit hat erstmals ein Umweltverband das Thema Nachhaltigkeit so vermittelt, dass es für die Politik und das alltägliche Leben umsetzbar ist“, so Brickwedde. Zahrnts herausragender Einsatz wurde mit dem Bundesverdienstkreuz belohnt. Als „Vordenkerin und Vorkämpferin für eine ökologische Politik, die den BUND zu einem der einflussreichsten Umweltverbände in Deutschland gemacht hat“, habe der Bundespräsident Angelika Zahrnt 2006 geehrt. 

Folgestudie "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt" auf den Weg gebracht

Inzwischen ist Angelika Zahrnt über 20 Jahre ehrenamtlich im BUND aktiv – zunächst als Sprecherin eines wissenschaftlichen Arbeitskreises, dann als stellvertretende Vorsitzende, als Vorsitzende, nun als Ehrenvorsitzende. Ihr Credo für die Arbeit im BUND beschrieb Zahrnt einmal so: „Ich glaube an das Vermögen des BUND, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen und auch die richtigen Antworten zu haben.“ Deshalb hat sie auch eine neue Studie auf den Weg gebracht: "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt". Die Studie ist 2008 erschienen, diesmal in Zusammenarbeit mit den evangelischen Hilfswerken Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). Die Studie analysiert die gegenwärtigen miteinander verbundenen Krisen und zeigt den nötigen Kurswechsel auf. Brickwedde: „Nachhaltigkeit als weltweite und generationenübergreifende Gerechtigkeit ist das Lebensthema von Angelika Zahrnt geworden.“

Die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" trug das Thema Nachhaltigkeit in das tägliche Leben.
© BUND

Maßgeblich am Konzept der Öko-Steuer und an wegweisenden Reformen beteiligt

Wie kaum eine andere Persönlichkeit in den Umweltverbänden habe Zahrnt wegweisende Anstöße für die Nachhaltigkeitsdiskussion in der Umweltwissenschaft und für politische Strategien gegeben. In den Publikationen „Öko-Steuern“ (1989) und „Für eine ökologische Steuerreform“ (1990) habe die Vordenkerin zusammen mit ihrem Studienkollegen Prof. Dr. Hans Nutzinger bereits vor 20 Jahren die Idee von Prof. Hans Christoph Binswanger für eine ökologische Steuerreform aufgegriffen, zum Konzept weiterentwickelt und in die politische Debatte gebracht." Die politische Umsetzung folgte erst zehn Jahre später“, so Brickwedde.

Einsatz für globale Regeln auf sozialer Ebene und die Gleichberechtigung von Frauen

Angelika Zahrnt zeichne aus, dass sie nicht vor klaren Worten, unbequemen Themen und politischen Auseinandersetzungen zurückschrecke. Gleichzeitig strebe sie einen Austausch und eine Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen an - mit Gewerkschaften und Unternehmen, mit Kirchen und Verbänden. In einer "Allianz für die Tiere" seien Verbesserungen für die Haltung von Nutztieren erreicht worden. Beim Weltgipfel in Johannesburg 2002 habe sie globale Regeln für die Wirtschaft "global rules for global players" eingefordert, damit sich die Welt nicht in „global player“ und „local loser“ spalte, also in global handelnde Sieger und lokal leidende Verlierer - eine Forderung, die in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise aktueller denn je sei. Die Diskussion um die Gleichberechtigung der Frau in einer ursprünglichen Männerdomäne, die unterschiedlichen Sichtweisen, Betroffenheiten und Lösungsvorschläge von Männern und Frauen habe Zahrnt nicht nur in den Umweltverband getragen, sondern auch gesamtgesellschaftlich thematisiert, so Brickwedde.

Brickwedde: "Zahrnt zu verdanken, dass Umweltschutz und Energieeffizienz heute Top-Themen sind"

Dass Biolebensmittel und Fair-Trade-Produkte heute in den Alltag gehörten, dass Energieeffizienz und biologische Vielfalt heute politische Top-Themen seien, zeige, dass ein ökologischer Wandel in Deutschland stattgefunden habe. „Dass der Umweltschutz immer ein entscheidender Punkt sein wird, ob in Haushaltsdebatten, Regierungsstrategien, beim technischen Fortschritt oder im Alltag, ist heute unbestritten. Dass es dazu kommen konnte, haben wir wesentlich Hunderttausenden von ehrenamtlichen Umweltschützern zu verdanken. Stellvertretend für sie alle wird Angelika Zahrnt ausgezeichnet“, sagte Brickwedde.

Telefonkontakt zu Dr. Angelika Zahrnt: 06223/72226

Kontakte knüpfen anlässlich der Generalversammlung von "Friends of the earth" in Ghana 1990: der damalige BUND-Vorsitzende (und heutige DBU-Kuratoriumsvorsitzende) Hubert Weinzierl (2.v.l.) neben seiner Stellvertreterin Dr. Angelika Zahrnt.
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