Good Practice: PROWAVE

Im Zuge des fortschreitenden Klimawandels gewinnt ein nachhaltiges Wassermanagement zunehmend an Bedeutung. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte  Forschungsprojekt PROWAVE – PROaktive Steuerung von WAsserVErteilungssystemen unter Leitung des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Universität Duisburg-Essen, setzt genau hier an: Ziel ist es, Talsperren und Wasserverteilungsnetzwerke intelligenter zu steuern – proaktiv, datenbasiert und zukunftsorientiert.

Herausforderung

Klimatische Veränderungen wie steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster, längere Trockenperioden sowie häufiger auftretende Extremereignisse (Hochwasser, Dürren, Hitzewellen) stellen das traditionelle Management von Talsperren zunehmend vor erhebliche Probleme.

Talsperren übernehmen mehrere, teils konkurrierende Aufgaben: Sie helfen beim Hochwasserschutz, sichern die Wasserversorgung in Trockenzeiten, können zur Trinkwasserbereitstellung genutzt werden und tragen zur Energieerzeugung bei. Gerade in Regionen wie dem Harz, auf den sich das Projekt konzentriert, prognostizieren Klimastudien zukünftig steigende Winterniederschläge bei gleichzeitig trockenen Sommern und damit sehr schwankende Wasserstände.

Bisherige Steuerungsmechanismen von Talsperren arbeiten jedoch meist reaktiv: Sie greifen auf momentane Messwerte von Pegeln, Sensoren etc. zurück und reagieren im Nachgang. Diese statischen Regelwerke stoßen zunehmend an ihre Grenzen – insbesondere, wenn Vorhersagen von Extremereignissen nötig sind oder eine flexible, mehrzielorientierte Betriebsstrategie gefordert ist.

Darüber hinaus besteht eine große Unsicherheit hinsichtlich des zukünftigen Wasserbedarfs und -dargebots, da Extremwetterereignisse seltener beobachtet werden, was deren statistische Vorhersage erschwert. Genau hier setzt PROWAVE an: Es fehlen bislang belastbare Werkzeuge, die nicht nur den aktuellen Zustand, sondern auch die Zukunft berücksichtigen und gleichzeitig multiple Bewirtschaftungsziele (Versorgungssicherheit, Ökosysteme, Energie, Hochwasserschutz) ausbalancieren.

Digitaler Lösungsansatz

PROWAVE verfolgt einen modernen, daten- und KI-basierten Ansatz, um die Steuerung von Talsperren proaktiv und optimiert zu gestalten. Kern des Projekts ist ein Demonstrator, der auf mehreren Säulen aufbaut:

Bedarfs- und Dargebotsprognose mit KI

Das Team modelliert den Wasserbedarf für verschiedene Vorhersagezeithorizonte. Dafür werden historische Sensordaten gesammelt, ihre Qualität geprüft und verarbeitet. Zudem wird ein hydrologisches Modell mit Long Short-Term Memory (LSTM)-Netzwerken trainiert, das Zufluss und Wasserstände vorhersagen kann. Ensemble-Methoden sowie probabilistische Ansätze (beispielsweise Mixture Density Networks) werden eingesetzt, um Unsicherheiten zu quantifizieren – nicht nur punktuelle Prognosen, sondern Wahrscheinlichkeitsverteilungen.

Echtzeitoptimierung und Entscheidungsunterstützung

Darauf basierend entwickelt die KISTERS AG als Projektpartner ein Optimierungsmodell, das die Vorhersagen in Echtzeit nutzt. Ziel ist eine flexible, mehrkriterielle Steuerung der Talsperren unter Einbeziehung von Zielen wie Hochwasserschutz, Versorgungssicherheit, Ökosystemleistungen und Energieerzeugung. Diese Optimierung wird über eine technische Plattform realisiert (KISTERS „Datasphere“), die Daten integriert, visualisiert und valide Steuerungsempfehlungen liefert.

Integration von Unsicherheiten und Vorhersagehorizonten

Ein zentrales Merkmal des PROWAVE-Ansatzes ist, dass nicht nur Mittelwerte prognostiziert werden, sondern auch Unsicherheiten. Das erlaubt risikobasierte Entscheidungen: Zum Beispiel kann bei hoher Wahrscheinlichkeit für einen Dürrezeitraum anders gesteuert werden als in unsicheren Situationen. Verschiedene Vorhersagehorizonte (kurz, mittel, langfristig) werden abgebildet, da unterschiedliche wasserwirtschaftliche Ziele unterschiedliche Zeithorizonte benötigen.

Partizipation und Praxisbezug

Das Projekt wird nicht isoliert in der Forschung durchgeführt: Partner sind die Harzwasserwerke (demonstratives Talsperren­netzwerk), der Ruhrverband und Wupperverband, sowie die technologische Expertise der KISTERS AG. In Workshops mit Praxisakteuren wie Wasserverbänden, Betreiber*innen und Forschungseinrichtungen werden Anforderungen validiert und in das Systemdesign integriert. Das Projektteam veröffentlicht Ergebnisse, stellt Visualisierungen bereit (z. B. Dashboard zur Wahrscheinlichkeitsprognose) und evaluierte den Demonstrator gegen konventionelle Steuerungsverfahren.

Einsparung und Umwelteffekt

Der digitale Ansatz von PROWAVE verspricht einen bedeutenden Beitrag zu einer nachhaltigen und klimawandelresilienten Wasserwirtschaft. Durch die Kombination aus präzisen Vorhersagemodellen und einer proaktiven Steuerung können Talsperren künftig flexibler und robuster auf Extremwetterereignisse reagieren. Besonders die Einbeziehung von Unsicherheiten in den Prognosen verbessert das Risikomanagement: Entscheidungen werden nicht länger ausschließlich anhand aktueller Messwerte getroffen, sondern berücksichtigen unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten zukünftiger Entwicklungen. Das erhöht die Sicherheit sowohl bei drohender Wasserknappheit als auch bei potenziellen Hochwasserlagen.

Zugleich unterstützt PROWAVE den Schutz von Ökosystemen. Indem Pegelstände besser geplant und Zielkonflikte zwischen Wasserversorgung, Energiegewinnung und Naturschutz ausbalanciert werden können, trägt das System dazu bei, Lebensräume stabil zu halten und ökologische Schäden zu vermeiden. Auch die Versorgungssicherheit profitiert: Prognosen des Wasserbedarfs ermöglichen, sich frühzeitig auf Trockenphasen vorzubereiten und die Trink- und Nutzwasserversorgung langfristig zu stabilisieren.

Ein weiterer Aspekt liegt in der effizienten Nutzung von Ressourcen. Die optimierte Steuerung verbessert die Integration der Wasserkraftnutzung, ohne andere Bewirtschaftungsziele zu gefährden. Gleichzeitig können Betriebskosten sinken, da datenbasierte Empfehlungen den Ressourceneinsatz präziser und planbarer machen.

Das Projekt zeigt beispielhaft, wie KI und digitale Werkzeuge die Wasserwirtschaft transformieren können und schafft damit eine Grundlage für nachhaltige, zukunftsorientierte Managementsysteme, die sich perspektivisch auch auf andere Regionen und Infrastrukturen übertragen lassen.

Weitere Informationen zum Projekt gibt es hier: PROWAVE – PROaktive Steuerung von WAsserVErteilungssystemen – DBU

Projekt PROWAVE: Smarte Talsperrensteuerung