Ohne Wasser gäbe es kein Leben auf der Erde. Gleichzeitig steht unsere Versorgung mit dieser essenziellen Ressource unter wachsendem Druck: der menschengemachte Klimawandel und damit einhergehend häufiger auftretende Dürren und Hochwasser sowie steigender Wasserbedarf (u. a. zur Abkühlung oder Pflanzenbewässerung), machen Anpassungen ebenso erforderlich wie alternde und ineffiziente Infrastrukturen. In diesem Spannungsfeld gewinnen digitale Technologien zunehmend an Bedeutung, um Wasser nachhaltig zu managen, Verluste zu senken, Qualität zu sichern und Stakeholder besser zu vernetzen.
Digitalisierung umfasst dabei eine Vielzahl von Technologien und Methoden: Sensorik (IoT), Datenanalyse & Big Data, künstliche Intelligenz (KI), digitale Zwillinge, Cloud-Computing, Automatisierung, Geo-Informationssysteme, Entscheidungsunterstützungssysteme und seit neuester Zeit Tools wie Augmented Reality, Open Data Plattformen etc. Zahlreiche Fachverbände und Forschungseinrichtungen sehen diese Technologien als Schlüssel, um Wasserwirtschaft resilienter, effizienter und ökologisch verträglicher zu gestalten. Beispielsweise betont das Umweltbundesamt, dass Digitalisierung unverzichtbar sei für bessere Datenlage und Bewertung des Gewässerzustands. (Umweltbundesamt, 2025)
Digitale Technologien in der Wasserwirtschaft: Überblick
Unter dem Schlagwort „Wasserwirtschaft 4.0“ werden bereits heute digitale Technologien in der Praxis eingesetzt:
- Sensorik und Internet of Things (IoT):
Sensoren erfassen in Echtzeit Daten zu Wasserstand, Wasserqualität, Temperatur, chemischen Parametern, Niederschlag etc. Diese Informationen sind die Basis für Monitoring und Frühwarnsysteme.
- Datenanalyse, Machine Learning und KI:
Diese Methoden helfen, große Datenmengen zu interpretieren, Muster zu erkennen (z. B. Trends bei Wasserbedarf, Leckagen, Verschmutzungen), Vorhersagen zu treffen oder Prozesse zu optimieren. Mittels KI könnte so z. B. der Wasserverbrauch abgeschätzt werden (Morain et al., 2024)
- Digitale Zwillinge (Digital Twin):
Digitale Zwillinge können realen Wassersystemen oder Anlagen (z. B. Versorgungsnetze, Kläranlagen) digital abbilden, in denen physikalische Modelle und Echtzeitdaten kombiniert werden. Diese Zwillinge ermöglichen das Simulieren verschiedener Szenarien – etwa bei Hochwasser, Trockenperioden oder beim Ausfall von Komponenten (Initiative D21, 2024).
So entwickelt beispielsweise das ACWA-Projekt ein AI-getriebenes cyber-physisches Testbett, bei dem sowohl Experimente in realen Anlagen als auch Simulationen erfolgen (Batarseh et al., 2023).
- Entscheidungsunterstützungssysteme & Prognosemodelle:
Digitale Tools können Behörden, Versorger und Planer*innen unterstützen, bessere Entscheidungen zu treffen – z. B. bei Infrastrukturinvestitionen, bei Vorhersagen von Überflutungen oder bei der Steuerung von Wasserressourcen unter Unsicherheiten. Ein Beispiel ist das Projekt Integrated Water Resource Management in the Segura Basin, das mittels AI, Fernerkundung und agronomischen Modellen Wasserzugang und Bedarf optimiert (Otamendi et al., 2024).
- Smart Infrastructure & Automatisierung:
Automatisierung kann beispielsweise bei der Steuerung von Pumpen, Ventilen genutzt werden. Darüber hinaus wird ein verbessertes Leckage-Ortungsverfahren ermöglicht, wie das Projekt DigiWasser zeigt. Dieses nutzt non-invasive Technologien und Algorithmen, um Leckagen im Trinkwassernetz frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren.
- Open Data, Transparenz und Bürgerbeteiligung:
Digitalisierung ermöglicht das Bereitstellen großer Datenmengen (z. B. Messdaten zu Wasserqualität, Wasserverfügbarkeit) in maschinenlesbaren Formaten. Bürger*innen, NGOs und Wissenschaft können so stärker partizipieren. Projekte wie digital-water.city zeigen, wie offene Plattformen, Sensoren für Badegewässer, Apps und Visualisierungsmittel (z. B. Augmented Reality) zur Information und Beteiligung eingesetzt werden.
Ausblick & Anwendungsmöglichkeiten für nachhaltigeres Wassermanagement
Wie können sich diese Technologien weiterentwickeln bzw. eingesetzt werden, um eine nachhaltigere Versorgung mit Wasser zu gewährleisten?
- Proaktive und adaptive Steuerung unter Unsicherheit:
Wasserverfügbarkeit und -nachfrage ändern sich, daher sind zuverlässige Prognosemodelle und digitale Zwillinge essenziell, um flexibel zu reagieren. So könnten Versorger Wasserentnahmen, Speichermanagement, Bewässerungspläne dynamisch anpassen – je nach Wettervorhersage, Bodenfeuchte etc.
- Integration von Wassernutzungskreisläufen und Wiederverwendung:
Neben sparsameren Umgang mit Frischwasser werden Wasserrecycling, Regenwassernutzung, Grauwasser etc. in Zukunft an Bedeutung zunehmen. Hier können digitale Systeme helfen, mikrobiologische Sicherheit (z. B. UV-Desinfektion) in Echtzeit zu überwachen und Vorhersagemodelle für die Qualität entwickeln, wie das Good Practice Beispiel DigiWaVe zeigt.
- Smart City & Infrastrukturmodernisierung:
Viele Städte in Europa haben veraltete Kanäle, kombinierte Abwasser-/Regenwassersysteme, unzureichende Überlaufkapazitäten etc. Digitalisierung kann helfen, Zustand dieser Systeme zu erfassen, priorisierte Instandhaltung zu planen, Überlaufereignisse zu prognostizieren, und damit Umweltbelastungen zu reduzieren (Kompetenzzentrum Wasser Berlin).
- Ressourcenoptimierung inkl. Energie-Wasser-Nexus:
Digitalisierung kann helfen, den Verbrauch von Energie beim Pumpen, bei der Desinfektion, beim Betrieb von Anlagen zu optimieren. Gleichzeitig aber also auch die Auswirkungen der Digitalisierung selbst (z. B. Strombedarf, Rechenzentren) mitdenken und steuern.
- Frühwarnsysteme und Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen:
Hochwasser, Dürren, Überflutungen können mit Sensornetzwerken und Echtzeit-Datenanalyse schneller und zuverlässiger vorhergesehen und somit beispielsweise Kanalsystemen (z. B. bei Starkregen) entsprechend vorbereitet werden.
- Governance, Datenstandards & Interoperabilität:
Damit digitale Systeme effektiv genutzt werden können, müssen rechtliche Rahmenbedingungen, Datenschutz, offene Schnittstellen, gemeinsame Ontologien / Datenformate etc. geschaffen werden. Nur so gelingt der Austausch zwischen Behörden, Versorgern, Forschung und Öffentlichkeit (Umweltbundesamt, 2020, S. 84 ff.).
- Kosteneffizienz und Skalierbarkeit, auch für kleinere Kommunen und Regionen:
Viele Innovationen entstehen im Rahmen großer Forschungsprojekte oder in Städten. Für ländliche Regionen oder kleinere Versorger sind die Kosten, Kapazitäten oder das Know-how oft Hürden. Digitale Lösungen müssen modular, erschwinglich und bedarfsgerecht sein.
Auswirkungen, Risiken & Herausforderungen
Wie jede Technologie bergen Digitalisierung und KI sowohl Chancen als auch Risiken aus Blick der Nachhaltigkeit, die es abzuwägen gilt:
- Wasserverbrauch digitaler Infrastrukturen (Rechenzentren, Kühlung):
KI-Modelle werden größer, Rechenzentren leistungsfähiger, der Kühlbedarf steigt. Das führt zu einem wachsenden indirekten Wasserverbrauch. Einige Studien warnen, dass der Ausbau von Rechenzentren in Regionen mit Wasserstress konkurrenzierend wirken kann (heise online, 2025).
- Datenqualität, Unsicherheiten und Bias:
Modelle & Vorhersagen sind nur so gut wie die Daten, aus denen sie gespeist werden. Fehlende, ungenaue oder verzerrte Daten (z. B. unzureichende räumliche Abdeckung, geringe zeitliche Auflösung) können zu falschen Entscheidungen führen. Außerdem können Modellannahmen den lokalen Kontext vernachlässigen.
- Cybersecurity und Systemrisiken:
Digitale Zwillinge, Sensor-Netzwerke, AI-gestützte Regelungen sind potenzielle Angriffspunkte. Die Überprüfung auf mögliche Schwachstellen im System sind daher regelmäßig zu überprüfen (Kompetenzzentrum Wasser Berlin, 2022). Großer Schaden wäre beispielsweise bei der Manipulation der Steuerung von Talsperren denkbar (siehe Projekt SAFERWATER)
- Rechtliche, ethische und soziale Fragen:
Datenschutz (z. B. beim Monitoring von landwirtschaftlicher Nutzung), Eigentumsrechte an Daten, Transparenz in Algorithmen und Verantwortlichkeiten spielen auch bei digitalen Anwendungen im Kontext Wasser eine große Rolle. So stellt sich beispielsweise die Frage, wer haftet, wenn ein KI-Modell falsche Vorhersagen macht – z. B. bei Hochwasserwarnungen oder die Wasserqualität nicht mit den Angaben der digitalen Tools übereinstimmen sollte?
- Ungleiche Verteilung von Nutzen:
Größere Kommunen, besser ausgestattete Versorger und gut vernetzte Regionen profitieren wahrscheinlich zuerst von digitalen Innovationen. Regionen mit geringer Infrastruktur oder begrenzten finanziellen Mitteln könnten zurückbleiben; das verstärkt bestehende Ungleichheiten im Zugang zu sauberem Wasser oder resilienter Infrastruktur.
- Ökologischer Fußabdruck der Digitalisierung:
Die Produktion der Hardware (Sensoren, Netzwerke, Rechenzentren), der Stromverbrauch während der Nutzung sowie die Verwendung und Gewinnung seltener Erden sind zum Teil mit erheblichen Umwelteinflüssen verbunden (BUND, 2024). Auch wenn digitale Systeme zu Einsparungen führen können (z. B. durch verminderte Leckage, effizientere Bewässerung), müssen diese Einsparungen die Umweltkosten aufwiegen.
- Abhängigkeit und Systemkomplexität:
Mit wachsender Digitalisierung steigt die Komplexität und Abhängigkeit von funktionierenden IT-Systemen. Ausfälle, technische Störungen oder mangelnde Wartung können schwerwiegende Folgen haben – besonders wenn digitale Systeme zentrale Steuerungsfunktionen übernehmen.
- Anforderungen hinsichtlich Fachkräfte
Digitale Anwendungen können in Bezug auf die Nutzer*innen Herausforderungen aber auch Chancen bieten. Einerseits haben Angestellte die eher nicht den „Digital Natives“ zuzuordnen sind, einen größeren Schulungsbedarf bei deren Nutzung. Gerade kleinen Betrieben könnten dafür ebenso die Kapazitäten fehlen, wie auch für zukünftig möglicherweise notwendiges IT-Personal. Andererseits kann die vermehrte Nutzung von KI und Co den Berufszweig für den potenziellen Nachwuchs attraktiver machen. Darüber hinaus wäre denkbar, dass der Effizienzgewinn der beschriebenen Tools dabei hilft, den Fachkräftemangel im Zuge des demografischen Wandels abzufedern.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Wie zuvor dargestellt, hat Digitalisierung in der Wasserver- und -entsorgung hohes Potenzial. Basierend auf den zuvor genannten Punkten gilt es für einen nachhaltige Nutzung der Digitalisierung im Wassersektor folgendes zu beachten:
- Nutzen von Pilotprojekten & Lernen mit Praxisbezug:
Durchführung lokal angepasster Pilotprojekte (z. B. in Kommunen), um Technologie, Datenqualität, Akzeptanz und Effektivität zu testen und zu optimieren.
- Schaffung und Anwendung von Standards & offenen Schnittstellen:
Datenformate, Interoperabilität, Governance-Regeln sind zentral, um datenbasierte Systeme über Regionen hinweg nutzbar zu machen.
- Integration von Nachhaltigkeitsbewertungen in Design und Betrieb:
Ökobilanz, Lebenszyklusbetrachtungen, Wasser-Fußabdrücke digitaler Systeme selbst müssen mitgedacht werden.
- Partizipation & Transparenz:
Bürgerinnen und Bürger sowie lokale Stakeholder sollten in Planung, Umsetzung und Monitoring eingebunden werden – das schafft Vertrauen und bessere Lösungen.
- Balance zwischen Innovation und Robustheit:
Während neue KI-Modelle und Automation spannend sind, sollten Systeme so ausgelegt sein, dass sie auch bei Unterbrechungen (z. B. Stromausfall, Ausfall der Datenversorgung) funktionsfähig bleiben.
- Politische & rechtliche Rahmenbedingungen:
Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden müssen klare Regelungen für Datenschutz, Datennutzung, Wasserrechte und Infrastrukturinvestitionen setzen. Förderung und Finanzierung sollten gerade für Regionen mit mehr Risiko oder beschränkten Mitteln gesichert sein.
- Die (zukünftigen) Mitarbeitenden mitdenken
Die Nutzung digitaler Tools stellt neue Anforderungen an die Mitarbeitenden. Diese sollten daher frühzeitig bei der Einführung einbezogen und entsprechend geschult bzw. weitergebildet werden. Soziale Aspekte wie z.B. die mögliche Sorge der Beschäftigten um den eigenen Arbeitsplatz bei zunehmender Digitalisierung sollten mitbedacht werden.
Wenn Digitalisierung und KI-Methoden klug, transparent und nachhaltig eingesetzt werden, bieten sie großes Potenzial, die Wasserversorgung resilienter und effizienter zu gestalten – auch angesichts wachsender Herausforderungen wie z.B. dem Klimawandel.