Schifffahrt auf Klimakurs: Der Becker Mewis Duct

Blog-Beitrag zum Deutschen Umweltpreis

Durch den Becker Mewis Duct haben die Diplom-Ingenieure Friedrich Mewis und Dirk Lehmann die Schifffahrt weltweit revolutioniert und werden dafĂŒr mit dem Deutschen Umweltpreis 2022 ausgezeichnet. Was steckt hinter dieser energiesparenden Erfindung?

„Beim Becker Mewis Duct handelt es sich um eine energiesparende Vorrichtung, und diese wird unmittelbar vor dem Propeller am Schiff angebaut“, so erklĂ€rt Ingenieur und TĂŒftler Friedrich Mewis. Mit bis zu 60 Tonnen und bis zu sieben Meter im Durchmesser ist dieses Bauteil nicht gerade ein Leichtgewicht und wirkt im ersten Moment wie zusĂ€tzlicher Ballast, aber: „Da er Auftrieb hat, ist er gewichtsneutral – das ist wichtig, wenn man etwas an ein Schiff anbaut“, sagt Mewis mit einem Augenzwinkern.

Und so hat der Becker Mewis Duct seit seiner EinfĂŒhrung im Jahr 2008 den Verbrauch von Brennstoff und Energie erheblich reduziert und fĂŒr die Einsparung von rund zwölf Millionen Tonnen klimaschĂ€dlichem Kohlendioxid gesorgt – etwa so viel wie der jĂ€hrliche CO2-Ausstoß Tansanias oder Hamburgs.

Erfindergeist und Unternehmermut

Dass es ihn ĂŒberhaupt gibt, zeugt von Mewis‘ Erfindergeist und dem Unternehmermut seines Kooperationspartners Dirk Lehmann, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Becker Marine Systems GmbH. FĂŒr sie drehte sich ab dem Jahr 2007 alles um die Frage, wie die Effizienz bei großen, langsamen, auch „völlig“ genannten Schiffen zu steigern sei – von Tankern bis hin zu Bulkern, also Massengutfrachtern fĂŒr Erz, Getreide und anderes.

Kooperationspartner mit Erfindergeist und Unternehmermut: Die Ingenieure Friedrich Mewis und Dirk Lehmann brachten den Becker Mewis Duct zur MarkteinfĂŒhrung. Foto: Kathrin Pohlmann/DBU

Um eine neue Energiesparvorrichtung, eine neue „Energy Saving Device“, zu entwickeln, muss man das Nachstromfeld eines Schiffes betrachten, das Ingenieur Lehmann so beschreibt: „Ein Schiff ist wie ein Schuhkarton, der durchs Wasser geschoben wird. Vorne gibt’s eine Welle und hinten weiß das Wasser nicht, wohin es soll.“ Durch die Reibung des Wassers und abhĂ€ngig von der Form des Schiffes entstehen Strömungen und Wirbel, die auf die Arbeit des Propellers, der Schiffsschraube, einwirken. Wer die Verluste des Propellers in diesem Nachstromfeld versteht und reduzieren kann, macht den Schiffsantrieb effektiver.

VordĂŒse und Fins – die schlaue Kombination

Aber eigentlich waren „alle technischen Tricks schon erfunden“, wie Mewis sagt – bis auf einen: Zwei bereits bekannte Teile zu kombinieren, nĂ€mlich eine kreisförmige VordĂŒse mit StrömungsleitflĂ€chen, den sogenannten Fins. Die VordĂŒse beschleunigt die Anströmgeschwindigkeit des Propellers, sie bĂŒndelt quasi das Wasser. Die Fins werden asymmetrisch innerhalb der VordĂŒse platziert. Sie haben die Aufgabe, im anströmenden Wasser einen Vordrall zu erzeugen, so dass es energetisch gĂŒnstiger auf den sich drehenden Propeller auftrifft. Im Ergebnis verbraucht der Propeller weniger Brennstoff, um die gleiche Geschwindigkeit zu erzeugen – das Schiff fĂ€hrt effizienter. Ein zusĂ€tzlicher Effekt: Die Fins reduzieren die Druckimpulse des Propellers, so dass es weniger Vibrationen gibt. Dadurch wird das Schiff leiser, was eine geringere LĂ€rmbelastung fĂŒr Meerestiere wie beispielsweise Wale bedeutet.

Bis zu zehn Prozent Einsparungen

Auch wenn sich der Becker Mewis Duct im Nachhinein so logisch und vorteilhaft darstellt, war er anfangs ein Experiment mit unbekanntem Ausgang und unternehmerischem Risiko, fĂŒr das Mewis seinen Partner Lehmann ausdrĂŒcklich lobt: „Er war ĂŒberzeugt, dass das richtig ist, was ich sage. Das hat noch niemand gemacht in der Welt und ich komme an und sage: ‚Das klappt deswegen, deswegen und deswegen.‘ Das hat er verstanden und hat sofort losgelegt.“

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Was 2007 noch eine Idee war, wurde im Juni 2008 zum Patent angemeldet und im September 2009 an einem ersten Schiff installiert, dem Mehrzweckfrachter STAR ISTIND der norwegischen Reederei Grieg Shipping Group. Der Praxistest bewies: Die im Modellversuch ermittelten Einsparungen sind real. „Bei den Tankschiffen und bei den Bulkern, das sind die Massengutschiffe, haben wir bis zu zehn Prozent Einsparung, im Durchschnitt sechs bis sieben“, beschreibt Mewis und unterstreicht: „Das ist sehr, sehr viel.“

In den Jahren 2011 und 2012 wurde der Becker Mewis Duct fĂŒr schnellere Schiffe wie Containerschiffe weiterentwickelt und heute ist er weltweit in 1400 Schiffen eingebaut, 300 weitere stehen vor einer Installation. Dabei lĂ€sst sich die Vorrichtung sowohl in neuen als auch in bestehenden Schiffen nutzen und ihre Wirkung ist nahezu unabhĂ€ngig von Tiefgang und Geschwindigkeit. In rund 300 Versuchsserien in weltweit 14 verschiedenen Versuchsanstalten wurden die Einsparungen durch den Becker Mewis Duct inzwischen bestĂ€tigt.

So bringt der Becker Mewis Duct 15 Jahre nach Mewis‘ zĂŒndender Idee mehr und mehr Schiffe auf Klimakurs. Die Dringlichkeit dafĂŒr ist nach wie vor gegeben: Mit mehr als 1,1 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente jĂ€hrlich liegt der Anteil der internationalen Schifffahrt am globalen Treibhausgas (THG)-Ausstoß bei fast drei Prozent. Zum Vergleich: Deutschlands THG-Emissionen liegen laut Umweltbundesamt pro Jahr bei 762 Millionen Tonnen.

Ein weiterer Vorteil am Becker Mewis Duct: Die durch ihn erreichte Effizienzsteigerung und der positive Umwelteffekt bleiben auch dann bestehen, wenn die Schifffahrt endlich statt Schweröl andere und ökologischere Treibstoffe einsetzt.

Text: Verena Menz, Mitarbeit: Klaus Jongebloed, Titelbild: Hella Eilmes-Mewis

Der Becker Mewis Duct macht die internationale Schifffahrt energieeffizienter und damit klimafreundlicher – noch stĂ¶ĂŸt sie jĂ€hrlich mehr als 1,1 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente aus. Foto: Kathrin Pohlmann/DBU
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