Paludikulturen – Landwirtschaft auf Moorböden

Blog-Beitrag zum Deutschen Umweltpreis

Rohrkolben, Schilf und Torfmoos sind keine Pflanzen, die wir als typische landwirtschaftliche Nutzpflanzen kennen. Aber wenn es nach Umweltpreisträger Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Joosten und seinen Kolleginnen und Kollegen vom Greifswald Moor Centrum geht, gehört diesen Pflanzen die landwirtschaftliche Zukunft auf Moorböden.

Nutzung entwässerter Moorböden in Deutschland. Grafik: © Greifswald Moor Centrum Schriftenreihe/ Klimaschutz auf Moorböden

„Moor muss nass“, lautet der Slogan der Moorforscherinnen und -forscher in Greifswald, damit die Böden kein klimaschädliches Kohlendioxid emittieren. Aber der Großteil der deutschen Moore ist nicht nass, sondern entwässert. Von den 18.250 Quadratkilometern Moor in Deutschland werden 95 Prozent genutzt – für Ackerbau, als Grünland, als Wald oder für den Abbau von Torf. Die Moore machen zwar nur sieben Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus. Diese verursachen aber 37 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen der gesamten Landwirtschaft in Deutschland.

Paludikulturen bringen Schutz und Nutzung von Mooren in Einklang

Aber wie können auf der einen Seite die Moore geschützt werden und auf der anderen Seite die Produktionsfunktion der Moorflächen sowie das wirtschaftliche Überleben der betreffenden Landwirte gesichert werden? Eine Lösung, um den Schutz und die Nutzung von Mooren in Einklang zu bringen, ist das Konzept der Paludikulturen. „Palus“ bedeutet auf lateinisch „Sumpf“ oder „Morast“. Unter Paludikultur versteht man die nasse Bewirtschaftung von Mooren. Das Ziel bei allen Konzepten ist, dass die Torfschicht erhalten bleibt und im Idealfall selbst neu gebildet wird. Mit dieser Form der Bewirtschaftung können im Vergleich zu konventioneller landwirtschaftlicher Nutzung die Treibhausgasemissionen stark reduziert werden. Die Bilanz ist beachtlich (siehe Abbildung 2): Statt 37 Tonnen CO2-Aquivalente pro Hektar und Jahr auf Ackerböden werden bei der Bewirtschaftung mit Paludikulturen nur fünf bis acht Tonnen frei.

Das Konzept der Paludikulturen wurde von Joosten und seinem Team auch mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) an der Universität Greifswald entwickelt und der Begriff geprägt. „Moorentwässerung ist nicht mehr zu verantworten. Nur mit Paludikultur können wir wesentliche ökologische Funktionen von Mooren sichern,“ so der Umweltpreisträger. Die Vorteile liegen auf der Hand: Paludikulturen schonen das Klima, regulieren den Wasserhaushalt der Moore und schützen die Biodiversität.

Einsparpotential für die jährlichen Treibhausgasemissionen bei verschiedenen Moornutzungsformen in Deutschland. Grafik: © Greifswald Moor Centrum Schriftenreihe/ Klimaschutz auf Moorböden

Kultivierung und Nutzung wiedervernässter Moore

Doch Moor ist nicht gleich Moor. Daher experimentieren die Moorforscherinnen und Moorforscher vom Greifswald Moor Centrum mit verschiedenen Pflanzenarten. Wiedervernässte Hoch- und Niedermoore bieten unterschiedliche Bedingungen beispielsweise im Hinblick auf die Nährstoffverfügbarkeit. Etwa 200 Pflanzenarten kommen für Paludikultur in Deutschland in Frage und die Greifswalder konzentrieren sich auf eine Auswahl davon. Schilf, Rohrkolben, Anbaugräser und Erle eignen sich für Niedermoorstandorte, Torfmoos (Sphagnum) und Sonnentau gedeihen auf Hochmoorstandorten. Die Pflanzen liefern nachwachsende Rohstoffe und werden als Baustoff oder als Brennstoff oder auch medizinisch verwendet. Das Team um Joosten beschäftigt sich intensiv mit der Frage, für welche Nutzungen sich die verschiedenen Paludi-Pflanzen eignen.

Rohrkolben als Dämmmaterial im Test

Die in Mitteleuropa heimischen Arten Schmalblättriger Rohrkolben (Typha angustifolia), Breitblättriger Rohrkolben (Typha latifolia) und deren Hybrid (Typha x glauca) wachsen schnell und gelten daher als „hochproduktiv“. Sie haben kräftige Wurzeln und steife Blätter, die bis zu drei Meter hoch werden können. Die Blätter besitzen ein ausgeprägtes Durchlüftungsgewebe. Diese Luftkammern machen Rohrkolben als nachwachsenden Rohstoff im Baustoffsektor interessant, der in Deutschland bereits zum Einsatz kommt – allerdings als importierter Rohstoff. Der Anbau von Rohrkolben in Deutschland befindet sich noch immer in der Testphase. In den Neunzigerjahren unter anderem im Rahmen des DBU-Projekts „Rohrkolbenanbau in Niedermooren“ und aktuell in Mecklenburg und in den Niederlanden. Der Anbau von Rohrkolben ist noch nicht als landwirtschaftliche Kultur anerkannt und somit nicht förderfähig. Dabei sind Dämmstoffe aus Rohrkolben in Deutschland bereits im Einsatz.

Schilf als Brennstoff und traditionelles Baumaterial

Schilf ist ebenfalls als Baumaterial geeignet und scheint aufgrund seiner Eigenschaften ein Alleskönner zu sein: Es wächst schnell, kann sowohl als Baustoff als auch als Brennstoff zur Energiegewinnung genutzt werden. Außerdem fördert Schilf das Torfwachstum und unterstützt damit die Moorbildung. Traditionell wird Schilf als Baustoff zum Dachdecken (Reet) oder als Dämmmaterial verwendet. In Deutschland es aufgrund bestehender Rahmenbedingungen noch nicht als landwirtschaftliche Kultur angebaut, in Pilotversuchen aber bereits mehrfach erfolgreich etabliert.

Alleskönner Schilf: Es wächst schnell und kann als Baustoff sowie als Brennstoff zur Energiegewinnung genutzt werden. Foto: © Greifswald Moor Centrum

Schilf besitzt außerdem sehr gute Eigenschaften als Festbrennstoff. In dem DBU-Projekt „Energiebiomasse aus Niedermooren“ wurde untersucht, wie sich Schilf, aber auch die Paludikulturpflanzen Großseggen und Rohrglanzgras ernten lassen. Aus den Gräsern werden Pellets hergestellt, sogenannte „Paludi-Pellets“ und ihre Brenneigenschaften verglichen. Schilf zeigte bei den Tests im Biomasseheizkraftwerk Friedland hohe Heizwerte und geringe Aschebildung. In Malchin am Kummerower See eröffnete 2014 bereits das erste Niedermoor-Biomasseheizwerk mit Großseggen und Rohrglanzgras als Energieträgern. Im Vergleich zu fossilen Energieträgern wird dabei deutlich weniger Kohlendioxid freigesetzt. Man kann dabei selbst, wenn man die positive Klimawirkung der Moorwiedervernässung mit in Betracht nimmt, von „negativen Emissionen“ sprechen.

Torfmoos als Torfersatzstoff

Das filigrane Torfmoos der Gattung Sphagnum ist der Haupttorfbildner in Hochmooren. Es kann auf wiedervernässten Hochmoorflächen angepflanzt und alle drei bis fünf Jahre geerntet werden. Als hochwertiger Rohstoff kann es dann für gärtnerische Substrate und Blumenerden als Torfersatzstoff verwendet werden. Das Torfmoos-Substrat ist bereits in dem Erwerbsgartenbau in der Erprobung und hat gute Ergebnisse erzielt. In einem Pilotversuch wird in einem teilabgetorften Hochmoor bei Ramsloh im Kreis Cloppenburg die Etablierung von Torfmoosen auf einer inzwischen 17 Hektar großen Fläche getestet, die zuvor als Grünland genutzt wurde. Stimmt der Wasserstand, wächst das Torfmoos so gut, dass der jährliche Ertrag kostendeckend ist.

Zeigen was geht: Ein Tiny-House aus Paludi-Kulturen

Welch großes Potenzial in Paludi-Kulturen steckt, zeigt ein Tiny House (Minihaus) des Greifswald Moor Centrums. Im Tiny House steckt Rohrkolben in der Wand, Schilf im Schallschutz und Erle in den Paneelen. Um die Idee bekannt zu machen und für nasse Moore zu werben, rollt das Tiny-House (insofern Corona das zulässt) durch Deutschland.

Was es braucht

„Für die Umsetzung von Wiedervernässung und Paludikultur braucht es ein Umdenken, Anreize und Unterstützung für die Landnutzenden,“ fordert Joosten. „Wir sehen uns daher als Greifswald Moor Centrum an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Auf wissenschaftlicher Grundlage bieten wir Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen.“

Text: Dr. Ute Magiera, Titelbild: © Greifswald Moor Centrum