Ein Leben für die Wildnis: 60 Sekunden wiesen den Weg

Blog-Beitrag zum Deutschen Umweltpreis

Dr. Christof Schencks Engagement gilt besonders dem Schutz riesiger Nationalparks in den tropischen Regenwäldern Amazoniens, des Kongobeckens und Südostasiens. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) würdigt diese Leistung mit dem Deutschen Umweltpreis 2022.

Für Christof Schenck bedeutet die Auszeichnung mit dem Deutschen Umweltpreis 2022 eine große Ehre. Gleichzeitig verbindet er damit „einen enormen Ansporn, nicht nachzulassen bei diesem unglaublich wichtigen Schutz der biologischen Vielfalt.“ Über seine herausragenden Leistungen, seinen Lebensweg und sein Engagement erzählt er als Gemeinschaftswerk und so ist folgende Ergänzung nicht überraschend: „Hinter so einem großen Preis steht immer ein Team.“ Das sei bei der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, die er seit 22 Jahren als Geschäftsführer leitet, auch so und „deswegen bin ich sehr stolz auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine wunderbare Familie.“

Kampf gegen Megakrise Artensterben

Im Zentrum von Schencks Engagement steht der Kampf gegen das Artensterben. „Das ist wirklich eine Megakrise“, sagt er. „Wir sind im sechsten Massensterben der Erde. Wir verlieren geschätzt 150 Arten pro Tag.“ Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) warnt davor, dass bis zu eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Zudem ist das Artensterben heute mindestens zehn- bis einhundertmal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Anstrengungen für den Schutz der Biodiversität müssen schnell und effektiv erfolgen, um essenzielle Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser, reine Luft und unbelastete Böden zu bewahren.

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„Unsere Welt war die Welt draußen“ beschreibt Schenck seine Kindheit im Schwarzwald
Foto: © Christof Schenck

Strategischer Ausbau der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt

Dafür setzt sich Schenck seit Jahrzehnten ein. Der Biologe hat die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) von einem kleinen Team mit einer Handvoll Personen, einem Budget von rund 4,5 Millionen Euro und einem bunten Strauß aus 70 teilweise recht kleinen Naturschutzprojekten zu einer internationalen Organisation strategisch weiterentwickelt und ausgebaut. Die ZGF hat jetzt 1.277 Personen unter Vertrag. Darunter sind viele in den Nationalparks der 18 Projektländer beschäftigt. 31 große Programme und Projekte wurden 2021 mit 24,8 Millionen Euro gefördert.

Prägende Phasen im Schwarzwald und südamerikanischen Regenwald

Die Liebe zur Natur wurde Schenck quasi in die Kinderschuhe gelegt. Seine ersten zehn Jahre „auf einem einzelnstehenden Hof an den Hängen des Schwarzwalds“ beschreibt er als prägend. Das war lange, bevor es Smartphones und Internet gab, „sogar vor dem Fernsehen“, sagt er. „Unsere Welt als Kinder war die Welt draußen. Keine Agrar- oder Industrielandschaft, sondern eben der Schwarzwald“, so Schenck.

Die zweite prägende Phase in seinem Leben war eher ein Moment. „Tatsächlich waren es nur 60 Sekunden, die dem Lebensweg eine komplett andere Richtung gegeben haben“, erzählt er. Das war 1985. Während einer abenteuerlichen Reise mit seiner späteren Ehefrau Elke Staib durch den peruanischen Manu-Nationalpark schwammen mehrere bis zu zwei Meter lange Riesenotter fauchend auf das Studentenpaar zu. Die augenblickliche Faszination ließ beide nicht mehr los und gipfelte fünf Jahre später in zwei Doktorarbeiten über die bis dahin noch wenig erforschten „Wölfe der Flüsse“, wie sie Einheimische nennen.

Der Riesenotter lebt im Amazonasgebiet in kleinen Gruppen. Cocha Salvador, Manu NP, Peru. © Daniel Rosengren

Nationalparks so groß wie die Schweiz

Klar war für den jungen Biologen damals: „Als Newcomer werden wir so ein Promotions-Projekt finanziell nicht stemmen können.“ So fragten seine Partnerin und er bei der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt nach, die ihre Unterstützung zusagte. „Das war auch unser allererster Kontakt“, sagt Schenck. Mehr als drei intensive Jahre verbrachten die Forschenden in der Wildnis Südamerikas abseits jeglicher menschlichen Zivilisation. Und Schenck erzählt mitreißend: „Diese Riesendimension der Regenwälder! Nationalparks so groß wie die Schweiz. Ökosysteme, in denen evolutionäre Prozesse selbständig weiter ablaufen und wo noch unkontaktierte indigene Völker leben.“

Ideengeber des Legacy Landscapes Fund (LLF)

Eine Stärke des Wildnisschützers ist das Schmieden von Bündnissen zwischen Naturschutz, Politik und Wirtschaft, oft über Grenzen hinweg. In Europa arbeitet die ZGF zum Beispiel am grenzüberschreitenden Schutz von Urwäldern zwischen Polen, der Slowakei und der Ukraine. Immer das Ziel vor Augen, langfristig riesige und besonders artenreiche Schutzgebiete dieser Erde zu sichern, überzeugte Schenck Naturschutzorganisationen, Stiftungen, staatliche Institutionen und wohlhabende Privatpersonen von der Idee eines Legacy Landscapes Fund (LLF). In diesem Internationalen Naturerbe-Fonds, der im Mai 2021 vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung offiziell gelauncht wurde, sollen staatliche und private Mittel gebündelt werden, um ein Portfolio der ökologisch wichtigsten Schutzgebiete der Welt anzulegen und deren Schutz langfristig zu sichern.

Als ZGF-Geschäftsführer steckt Schenk seine Kraft in das Schmieden von Bündnissen, sowohl auf internationaler Ebene als auch direkt vor Ort.
Foto: © ZGF

Teamleistung enorm ausgeprägt

Der agile Tropenkenner empfindet es als äußerst privilegiert, etwas bewirken zu können, und mahnt zugleich: „Unser Zeitfenster schmilzt zurzeit enorm. Alles, was wir jetzt tun, schützt uns vor weiteren schlimmeren Katastrophen, die unweigerlich kommen werden.“ In die Zukunft blickt der Vater zweier mittlerweile erwachsener Kinder dennoch optimistisch, denn „die globalen Krisen sind alle menschengemacht. Und wenn wir’s gemacht haben, können wir’s auch ändern“, ist er überzeugt. Wenn Bundespräsident Frank Walter Steinmeier dem Biologen am 30. Oktober in Magdeburg für seine Leistungen den Deutschen Umweltpreis überreicht, wird Schenck vermutlich einmal mehr sagen: „Es ist nie eine Person – es ist immer ein Team und das ist gerade bei der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt enorm ausgeprägt. Das ist immer eine Gemeinschaftsleistung.“

Text: Kerstin Heemann, Titelbild: © Jeldrik Schröer / ZGF

Tafelberge im Chiribiquete Nationalpark, Colombia. © Daniel Rosengren
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