Promotionsstipendium: Johannes Graetschel

Vorteilsausgleich im Völkerrecht. Zur ausgewogenen und gerechten Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung von Umweltgütern.

Das Promotionsvorhaben analysiert die Verfestigung von Vorstellungen zur Verteilungsgerechtigkeit in völkerrechtliche Normen. Konkreter Untersuchungsgegenstand ist das sich dynamisch entwickelnde Konzept des Vorteilsausgleichs („benefit-sharing“). Es sieht einen materiellen oder immateriellen Ausgleich für die Vorteile vor, die aus der Nutzung von Umweltgütern erwachsen. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich benefit-sharing zu einem zentralen Verhandlungsthema des Umweltvölkerrechts entwickelt, als Antwort auf die bestehende globale materielle Ungleichheit. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob eine internationale Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Umweltproblemen und der Regulierung der Nutzung von Umweltressourcen möglich ist. Die thematische Spannbreite reicht hierbei vom Schutz der Biodiversität über den Tiefsee- und Asteroidenbergbau bis hin zur Bekämpfung von Pandemien.

Das Ziel der Arbeit ist es, eine fundierte Kritik des Vorteilsausgleichs auf der Grundlage von Ansätzen der Third World Approaches to International Law (TWAIL) zu entwickeln. Bestehende Schwachstellen des Konzepts sollen anhand der These untersucht werden, dass der Vorteilsausgleich – angelehnt an David Kennedy – sowohl als verbindendes Element („Klebstoff“) zwischen Zentren und Peripherien fungiert, als auch als „Mantel“, der hierarchische Strukturen verdeckt und bestehende Ungleichheiten eher festigt als auflöst. Die Analyse soll zugleich offenlegen, welcher Veränderungen es bedürfte, um den Vorteilsausgleich zu einem wirksameren Instrument mit echtem Transformationspotenzial weiterzuentwickeln.

Im Rahmen der Untersuchung werden zudem vertieft zwei Fallbeispiele untersucht, bei denen sich Deutschland zuletzt prominent in die Verhandlungen eingebracht hat. Erstens wird das Regime des Tiefseebergbaus im Rahmen des Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) betrachtet. Innerhalb der Internationalen Seebodenbehörde wird derzeit an der Konkretisierung der Vorschriften aus UNCLOS gearbeitet. Verschiedene Staaten und private Akteure drängen auf eine Ausbeutung der sogenannten Manganknollen insbesondere im Pazifischen Ozean. Deutschland hat sich für ein Moratorium des Tiefseebergbaus bis zur Fertigstellung des sogenannten Mining-Code ausgesprochen. Die Ausgestaltung der Regelungen zum Vorteilsausgleich ist dort noch nicht verhandelt. Zweitens wird der jüngste Durchbruch im Umgang mit Digitalen Sequenzinformationen unter der UN-Biodiversitätskonvention und dem Nagoya-Protokoll untersucht. Diese Sequenzdaten, die durch die Analyse biologischer Proben generiert und anschließend in Datenbanken gespeichert werden, wurden durch die Einigung als Auslöser für Vorteilsausgleichsverpflichtungen anerkannt. Gleichzeitig wurden mit dem geplanten Cali-Fonds die Grundlagen für eine neue multilaterale Verwaltungsstruktur für benefit-sharing geschaffen. Die konkrete Umsetzung der Verpflichtungen soll in den kommenden Jahren erfolgen. Deutschland hatte sich in den Verhandlungen insbesondere für die Bewahrung des freien Zugangs zu den bestehenden Datenbanken eingesetzt.

AZ: 20025/006

Zeitraum

01.07.2025 - 30.06.2028

Institut

Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Betreuer

Prof. Dr. Isabel Feichtner