Einfluss der Windenergienutzung auf die Avifauna im BinnenlandZusammenfassung der DissertationIm Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde den Fragen nachgegangen, welche Auswirkungen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) auf im Binnenland rastende sowie ĂŒberwinternde, brĂŒtende und ziehende Vögel hat. Weiterhin wurde die Raum-Zeitnutzung von Greifvögeln (hier: Accipitriformes und Falconiformes) im Hinblick auf einen möglichen Einfluss von WEA untersucht.Rastende und ĂŒberwinternde VögelIm Vordergrund dieses Aspektes standen die Fragen, a) ob WindparkflĂ€chen im Binnenland in vergleichbarer Weise wie unbeeinflusste FlĂ€chen von DurchzĂŒglern und ĂŒberwinternden Arten als Rast- bzw. Nahrungshabitate genutzt werden und b) ob die vorkommenden Arten ein Meideverhalten gegenĂŒber WEA zeigen. Zwischen Anfang Januar und Anfang April der Jahre 1998 bis 2000 wurde das Vorkommen sowie die rĂ€umliche Verteilung ĂŒberwinternder und rastender Vögel mittels standardisierter Begehungen (vgl. BIBBY et al. 1995) in mehreren westfĂ€lischen Windparks (WP) erfasst. ZusĂ€tzlich wurden Daten auf einer KontrollflĂ€che erhoben. Bei einem WP war der Vergleich zwischen der Situation vor und nach der Errichtung von WEA möglich. Das Artenspektrum und die Artenzahl waren beim Prae/Post-Test in den drei Untersuchungsjahren vergleichbar. Auch auf der KontrollflĂ€che und in den anderen WP wurde ein fĂŒr die westfĂ€lische Agrarlandschaft typisches Arteninventar festgestellt. Aufgrund der Ergebnisse kann bei den Arten MĂ€usebussard (Buteo buteo), Turmfalke (Falco tinnunculus), Kornweihe (Circus cyaneus) und RabenkrĂ€he (Corvus c. corone) ein Meideverhalten gegenĂŒber WEA weitgehend ausgeschlossen werden. Möglicherweise meiden allerdings individuenstarke RabenkrĂ€hen-SchwĂ€rme die Umgebung von WEA. Auch bei den Arten Star (Sturnus vulgaris) und Ringeltaube (Columba palumbus) ergaben sich Hinweise auf ein Meideverhalten bis zu 100 m zur nĂ€chsten WEA, wobei unklar ist, ob dieser Effekt in ursĂ€chlichem Zusammenhang mit den WEA steht. Die rĂ€umliche Verteilung rastender Kiebitze (Vanellus vanellus) beim Prae/Post-Vergleich weist deutlich auf ein Meideverhalten bis zu einem Abstand von 200 m zu einer WEA hin, aufgrund dessen es zu einem Lebensraumverlust fĂŒr die Art kommt. Als Ursachen werden Turbulenzen in der Umgebung der WEA, aber auch akustische Reize diskutiert. Es wird empfohlen bei der zukĂŒnftigen Planung von WEA einen Abstand von 200 m zu Kiebitz-Rastgebieten einzuhalten.BrĂŒtende VögelIm Hinblick auf einen möglichen Einfluss auf Brutvögel wurde untersucht, ob sich die Errichtung und der Betrieb von WEA auf das Artenspektrum sowie auf die Zahl und die rĂ€umliche Verteilung der Reviere einzelner Arten auswirkt. In zwei westfĂ€lischen WP wurden zwischen 1997 und 2000 die Siedlungsdichte und die rĂ€umliche Verteilung der Reviere mit Hilfe der Revierkartierungsmethode (vgl. BIBBY et al. 1995) vor und nach Errichtung von WEA erfasst. Dieselben Erhebungen fanden auf je einer vergleichbaren KontrollflĂ€che statt (BACI-Design). In keinem der WP kam es nach Errichtung der WEA zu einer wesentlichen VerĂ€nderung des Artenspektrums oder der Siedlungsdichte einzelner Arten. Die Analyse der rĂ€umlichen Verteilung der Feldlerchen-Reviere (Alauda arvensis) in den beiden WP lieferte keinerlei Anzeichen fĂŒr ein Meideverhalten der Art gegenĂŒber WEA. Diese Aussage scheint auch fĂŒr Buchfink (Fringilla coelebs) und Goldammer (Emberiza citrinella) zuzutreffen. Dabei ist zu berĂŒcksichtigen, dass die genannten Arten z.T. eine hohe Brutorttreue zeigen. Lediglich bei der Wachtel (Coturnix coturnix) war nach Errichtung eines WP ein deutlicher BestandsrĂŒckgang zu verzeichnen, der aufgrund des Migrationsverhaltens der Art (Invasionsvogel) allerdings schwer zu interpretieren ist. Zur KlĂ€rung eines möglichen Zusammenhangs sollte ein langfristiges Monitoring angestrebt werden.Trotz eines fehlenden Meideverhaltens können Individuen durch die von WEA ausgehenden akustischen und visuellen Reize oder durch die entstehenden Turbulenzen beeintrĂ€chtigt werden. Vor diesem Hintergrund wurde das Gesangsverhalten der Feldlerche in der Umgebung von WEA mit Hilfe des ?animal focus sampling? (vgl. ALTMANN 1974) detailliert untersucht. Dabei wurde in gleicher Weise das BACI-Design angewandt. Bei keiner der analysierten Variablen (u.a. Dauer und maximale Höhe eines Singfluges, Gesangsmenge pro 15 min) konnte ein Einfluss der WEA nachgewiesen werden.GreifvögelIn der vorliegenden Arbeit wurde der Frage nachgegangen, ob die Errichtung und der Betrieb von WEA auf einer FlĂ€che die Raum-Zeitnutzung von Greifvögeln beeinflusst. Dazu wurden auf einer WindparkflĂ€che bei Paderborn vor und nach Errichtung von WEA sowie auf einer nahe gelegenen KontrollflĂ€che Daten erhoben (BACI-Design). Es wurde eine standardisierte Beobachtungsmethode unter Verwendung des ?scan sampling? (vgl. ALTMANN 1974) entwickelt, mit deren Hilfe sich das Auftreten, die rĂ€umliche Verteilung und das Verhalten der Individuen einer Art differenziert quantitativ beschreiben lĂ€sst. Die einstĂŒndigen Beobachtungen fanden in den Jahren 1998 bis 2000 zwischen Anfang Januar und Anfang Juli jeweils pentadenweise statt. Unter BerĂŒcksichtigung der KontrollflĂ€che lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass die Errichtung und der Betrieb der WEA keinen signifikanten Einfluss auf die NutzungsintensitĂ€t bei den Arten MĂ€usebussard, Turmfalke und Rotmilan (Milvus milvus) hatte. Allerdings gingen MĂ€usebussard und Turmfalke nach Errichtung der WEA tendenziell weniger der Ansitzjagd nach, was mit dem Verlust von Ansitzwarten wĂ€hrend der Errichtung der WEA und einer erhöhten Frequenz akuter Störreize (PKW, LKW) begrĂŒndet wird. Die leicht verĂ€nderte rĂ€umliche Verteilung der beiden Arten ist nicht auf ein Meideverhalten gegenĂŒber WEA zurĂŒckzufĂŒhren. Der WP hat sich fĂŒr die Arten Rohrweihe (Circus aeruginosus), Wiesenweihe (C. pygargus) und Kornweihe nicht als Barriere ausgewirkt.Ziehende VögelEin weiteres Ziel dieser Arbeit war es, das Auftreten von Reaktionen und Irritationen von Vögeln wĂ€hrend des Tagzuges an verschiedenen WP im Binnenland (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-WĂŒrttemberg) zu quantifizieren. DarĂŒber hinaus sollte ĂŒber einen Vergleich der in den vier WP gewonnenen Ergebnisse geklĂ€rt werden, ob die ReaktionshĂ€ufigkeit von den standörtlichen Bedingungen (Anzahl, Art und Anordnung der WEA) abhĂ€ngt. WĂ€hrend der Beobachtungen, die in den Jahren 1998 und 1999 zwischen Anfang September und Mitte November stattfanden, wurde das Verhalten der erfassten Individuen bzw. SchwĂ€rme (=Ereignis) anhand bestimmter Kategorien beschrieben, die vor der Untersuchung definiert worden waren. Es wurden nahezu ausschlieĂlich ziehende Kleinvögel (Passeres) registriert. Der Anteil der Ereignisse, bei denen deutliche Reaktionen festgestellt wurden, lag an den vier Standorten zwischen 4% und 45%. Als hĂ€ufigste Reaktion traten horizontale Ausweichbewegungen auf. In 3% bis 19% aller Ereignisse kam es zu einer Ănderung der Schwarmstruktur, die sich vor allem bei individuenstarken SchwĂ€rmen zeigte. Die Zahl und Dichte der WEA scheint positiv mit der ReaktionshĂ€ufigkeit zusammenzuhĂ€ngen. Eine Anordnung der WEA in einer senkrecht zur Zugrichtung stehenden Reihe sowie ein geringer Abstand zwischen Rotorunterkante und Grund scheinen deutlich mehr Reaktionen zu verursachen. Die Auswirkungen der WEA auf den Kleinvogelzug am Tage werden an den vier untersuchten Standorten als gering eingestuft. Insbesondere wenn WEA in groĂem Abstand (> 300 m) zueinander stehen, sind keine BeeintrĂ€chtigungen ziehender Kleinvögel zu erwarten. Um das Vogelschlagrisiko an WEA im Binnenland -vor allem im Mittelgebirge- wĂ€hrend des Herbstzuges abzuschĂ€tzen, wurde im gleichen Zeitraum die Umgebung von fĂŒnf WEA mehrfach intensiv nach toten oder verletzten Vögeln abgesucht. Um Aas fressende SĂ€uger, vor allem den Fuchs (Vulpes vulpes), von den abgesuchten FlĂ€chen fernzuhalten, wurden diese mit einem elektrischen Zaun gesichert. WĂ€hrend der insgesamt 82 Begehungen an den fĂŒnf WEA wurde ein totes WintergoldhĂ€hnchen(Regulus regulus) gefunden, das mit groĂer Wahrscheinlichkeit durch Kollision mit der WEA ums Leben kam. Trotz methodischer Schwierigkeiten wird das Vogelschlagrisiko an den fĂŒnf WEA als niedrig eingestuft.Die Ăbertragbarkeit dieser Aussagen auf andere Binnenlandstandorte hĂ€ngt entscheidend von der IntensitĂ€t des Zuggeschehens und dem Spektrum ziehender Arten ab und ist aufgrund der groĂen Zahl Einfluss nehmender Faktoren schwierig.Die Errichtung und der Betrieb von WEA kann fĂŒr einzelne Arten zu gewissen, aber begrenzten BeeintrĂ€chtigungen fĂŒhren, die durch planerische MaĂnahmen unter BerĂŒcksichtigung von Naturschutzaspekten auf ein ertrĂ€gliches MaĂ reduziert werden können. Dazu zĂ€hlt, dass in VorrangflĂ€chen fĂŒr den Naturschutz sowie in Gebieten, in denen es zu Konzentrationen des Vogelzuges kommen kann, keine WEA errichtet werden sollten.