MOE-Fellowship

Jakob Schneider

Entstehung und Entwicklung des Klimaschutzes als Idee und Themenfeld innerhalb der deutschen Natur- und Umweltschutzbewegung am Beispiel des Bund Naturschutz, des Deutschen Alpenvereins, der NaturFreunde Deutschlands und von Greenpeace Deutschland

Der Klimawandel und -schutz besitzt neben seiner naturwissenschaftlich zu erfassenden Dimension auch eine ausgeprägte gesellschaftliche Dimension. Schon bei der Beschreibung des Klimawandels als `Problem´ oder der Definition eines `guten´, zu `schützenden´ Klimas handelt es sich schließlich um eine menschliche Deutung. Nicht zuletzt ist es gerade diese gesellschaftliche Ebene, auf welcher häufig Schwierigkeiten auftreten, die die praktische Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erschweren. Umso wichtiger ist es, ein besseres Verständnis für die gesellschaftliche Dimension des Klimaschutzes zu erlangen. Ein Mittel hierzu bietet die Geschichtswissenschaft, sprich: die Erforschung des Klimaschutzes in seiner historischen Entwicklung.

Im Rahmen des Promotionsprojekts wird deshalb das Verhältnis der deutschen Natur- und Umweltschutzbewegung zum Klimaschutz in seiner historischen Entwicklung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erforscht. Mit Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Klimaschutzdiskurs ist diese Bewegung von besonderer Bedeutung. Zum einen vertritt sie die Interessen eines relevanten Anteils der deutschen Bevölkerung und prägt das gesellschaftliche Meinungsbild zum Klimaschutz maßgeblich mit. Zum anderen ist ihr Verhältnis zum Klimaschutz selbst überaus komplex und vielschichtig. Einerseits handelt es sich bei der Natur- und Umweltschutzbewegung um einen der wohl wichtigsten Vertreter stärkerer Klimaschutzmaßnahmen, andererseits ist ihr Verhältnis zum Klimaschutz durch grüne Zielkonflikte (z.B. Windkraft contra Vogelschutz) geprägt, weshalb sich Teile der Bewegung in manchen Fällen auch gegen konkrete Klimaschutzmaßnahmen engagieren.

Die in sich durchaus vielfältige deutsche Natur- und Umweltschutzbewegung wird in der Dissertation anhand von vier Verbänden, die diese repräsentativ erfassen, untersucht. Hierbei handelt es sich um den Deutschen Alpenverein, die NaturFreunde Deutschlands, den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sowie Greenpeace Deutschland. Im Einzelnen stehen dabei zunächst Fragen nach der Entstehung und Entwicklung des Klimaschutzes als Themenfeld innerhalb der Bewegung im Zentrum: In welchem historischen Kontext wurde der Klimawandel z.B. erstmals (als Problem) wahrgenommen und wie avancierte der Klimaschutz zu einem Thema, für das sich zivilgesellschaftliche Akteure aktiv einsetzten? Forschungsleitend ist zudem die Frage nach den Motiven und angeführten Argumenten für den Klimaschutz: Wurde der Klimawandel beispielsweise eher als Bedrohung der Natur oder als Gefahr für die Menschheit dargestellt? Des Weiteren ist natürlich von Interesse, wie genau der praktizierte Klimaschutz aussah und welche Lösungskonzepte innerhalb der Bewegung im Laufe der Zeit vertreten wurden. Von besonderer Relevanz ist die Frage, wie sich das `neue´ Thema des Klimaschutzes in den bereits bestehenden Natur- und Umweltschutzdiskurs eingliederte: Veränderte sich letzterer durch den Klimaschutzdiskurs? Inwieweit traten (grüne Ziel-)Konflikte zwischen dem Natur- und Umweltschutz sowie dem Klimaschutz auf und wie ist man mit diesen umgegangen? Abschließend soll untersucht werden, ob bzw. worin sich die Positionen zum Klimaschutz der `klassischen´ Natur- und Umweltschutzverbände von denen der `neuen´ (reinen) Klimaschutzbewegung unterscheiden. Beantwortet werden diese Forschungsfragen durch die primär qualitative Auswertung eines breiten Spektrums an Quellen, das von den Social-Media-Auftritten der Verbände bis hin zu klassischen archivalischen Quellen reicht. Besonders relevant sind die Mitgliederzeitschriften der einzelnen Organisationen, da sich diese hier der (vereinsinternen) Öffentlichkeit vorstellten, regelmäßig über ihre Tätigkeit berichteten und für (Klimaschutz-)Anliegen warben. Zugleich wurden über jene Medien aber auch vereinsinterne Debatten rund um den Klimaschutz ausgetragen. Durch die Analyse dieser Magazine lassen sich demnach Erkenntnisse zur Bedeutung und Ausprägung des Klimaschutzes sowie entsprechende Veränderungen über die Zeit am besten gewinnen.

Die Dissertation schafft damit eine neue, nicht von tagespolitischen Debatten überlagerte, Perspektive auf den Klimaschutz und stellt die derzeit häufig kontrovers geführten Auseinandersetzungen über (richtigen) Klimaschutz auf ein historisches Fundament. Hierdurch wird der gesellschaftliche Bezugsrahmen zum Klimaschutz und insbesondere die entsprechende Position der Natur- und Umweltschutzbewegung besser verstanden werden. Bei der Planung zukünftiger Klimaschutzmaßnahmen können so z.B. mögliche diesbezüglich relevante Bedenken und Vorstellungen der Natur- und Umweltschutzbewegung von Beginn an besser integriert werden. Dies ist für den Erfolg von Klimaschutz, der auch davon abhängt, ob er im Einklang mit der Bevölkerung geschieht, von entscheidender Bedeutung. Die zu erwartenden Ergebnisse der Dissertation sind jedoch für alle im Umwelt- bzw. Klimabereich tätigen Akteure hilfreich. Auch naturwissenschaftlich Forschende werden etwa durch den gesellschaftlichen Bezugsrahmen zum Klimawandel, beispielsweise in ihrer Auswahl von Forschungsfragen, beeinflusst und profitieren demzufolge von einer kritischen Aufarbeitung dieses Bezugsrahmens.


Übersicht

Förderzeitraum

01.11.2023 - 31.10.2026

Institut

Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte

Betreuer

Prof. Dr. Sabine Freitag

Kontakt

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