Projekt 39237/01

Wertewandel am Berg ? Entwicklung und Umsetzung von nachhaltigen und zirkulären Schutzhütten in den Alpen

Projektdurchführung

Deutscher Alpenverein e. V.
Bundesgeschäftsstelle
Anni-Albers-Str. 7
80807 München



Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bereits in den Tölzer Richtlinien des DAV von 1923 wurde der Grundstein für suffiziente und einfache Schutzhütten in den Alpen gelegt. Entgegen diesem Ansatz hat sich der Charakter von Schutzhütten immer mehr hin zu komfortabel ausgestatteten Berggasthöfen entwickelt, mit einem damit einhergehenden unverhältnismäßigen Ressourcenverbrauch und entsprechenden negativen Umweltwirkungen. Der Ursprung für diese Entwicklungen liegt in der zunehmenden Zahl an Bergtourist*innen mit unterschiedlichsten Interessen und gestiegenen Komfortansprüchen, denen mit entsprechenden Baumaßnahmen durch die Alpenvereinssektionen Rechnung getragen wird. Behördenvorschriften und Normung passen sich den Erwartungen der Gäste und dem technischen Fortschritt an, sodass mittlerweile auch von Seiten der Gesetzgebung und allgemein anerkannten Regeln der Technik Forderungen an alpine Schutzhütten gestellt werden wie an Gebäude im Tal. Diese Entwicklungen erschweren das Bauen und Betreiben von nachhaltig ausgerichteten, dem Ort und Nutzen angemessenen Schutzhütten im Gebirge und entfernen sich immer mehr vom Leitgedanken der Tölzer Richtlinien, die vorrangig eine ”Einrichtung und Betriebsführung auf eine einfache, gesunde Lebensweise...” propagieren. Ziel ist es daher, an die ursprünglich gedachte und praktizierte ‚Einfachheit‘ alpiner Bauten anzuknüpfen, unter Berücksichtigung der grundlegenden Schutzbedürfnisse der Nutzer*innen, mit Respekt und Schonung des sensiblen, örtlichen Kontexts und dabei unter Verwendung von möglichst lokalen und bereits vorhandenen Ressourcen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Rahmen dieses Forschungsprojektes wurden als Grundlage zunächst die Ansprüche und Anforderungen der verschiedenen Stakeholder an alpine Bauten identifiziert und deren Notwendigkeit über einen Abgleich mit den ursprünglichen Schutzzielen einer Alpenvereinshütte hinterfragt.
Darauf aufbauend begann eine sich fortsetzende Iteration, bei der kreislaufgerechte und umweltschonende Konstruktionen unter der Berücksichtigung der Aspekte aus angemessenem Komfort, Umweltwirkung, der Kreislauffähigkeit sowie dem Recyclingpotential entwickelt wurden. Auf der Grundlage der Planung für den Teilersatzbau der Hochlandhütte wurden verschiedene, Grenzen auslotende, nachhaltige Konstruktionen entwickelt und untersucht. Die entwickelten kreislaufgerechten und umweltschonenden Konstruktionen wurden hinsichtlich der Umsetzung des Anforderungsprofils bewertet. Als Ergebnis wurden 3 Varianten zur Erfüllung der unterschiedlichen Anforderungen entwickelt, wobei alle 3 die baurechtlichen Schutzziele erfüllen.
Die Ergebnisse werden im Rahmen der Dissemination über einen Leitfaden als Dokumentations- und Kommunikationsinstrument festgehalten, zielgerichtet, um in Partizipations- und Bildungsmaßnahmen zum Einsatz zu kommen.


Ergebnisse und Diskussion

Das Projekt zeigt, dass durch die Integration ökologischer Nachhaltigkeitskriterien in den Planungsprozess alpiner Hüttenbauten wesentliche Reduktionen im Ressourcenverbrauch und im Ausstoß von Treibhausgas-Emissionen erzielt werden können. Die drei untersuchten Varianten („Tal“, „Berg“ und „Gipfel“) belegen, dass sich durch gezielte Maßnahmen – wie suffiziente Bauweise, reduzierte Ausstattung und rückbaufähige Konstruktionen – das Treibhauspotenzial um bis zu 75 % gegenüber herkömmlichen Lösungen senken lässt. Gleichzeitig werden zentrale Schutzziele wie Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene und Barrierefreiheit eingehalten. Die entwickelten praxisnahen Lösungsansätze zeigen, dass auch unter hochalpinen Bedingungen ressourcenschonendes und zirkuläres Bauen möglich ist. Ergänzend liefert ein Bauteilkatalog mit Ökobilanzdaten eine fundierte Grundlage als Beispiel für zukünftige Planungen. Die Analyse der thermischen Behaglichkeit unterstreicht das Potenzial alternativer Maßnahmen zur Reduktion technischer Systeme. Zudem fördert der Etappenplan fundierte Entscheidungen in frühen Planungsphasen, während partizipative Ansätze die Akzeptanz und Anwendbarkeit in der Praxis stärken. Die Ergebnisse fließen in einen grafisch aufbereiteten Leitfaden ein, der künftig Planende im DAV unterstützen soll. Jedoch fehlt es besonders im Hinblick auf Wiederverwendbarkeit an klaren rechtlichen Grundlagen, etwa zur Bewertung gebrauchter Bauteile. Der Leitfaden bietet daher eine praxisnahe Orientierung, muss jedoch durch künftige Bauprojekte validiert und weiterentwickelt werden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wurde das Projekt während der Laufzeit bereits vereinsübergreifend dem ÖAV, AVS und SAC sowie vereinsintern bei verschiedenen Veranstaltungen wie Gremiensitzungen sowie dem Hütten- und Wegefachsymposium vorgestellt und ein Ausblick auf die folgende Präsentation der Ergebnisse gegeben. Aufgrund der verlängerten Projektlaufzeit fällt der Projektabschluss nun in einen veranstaltungsfreien Zeitraum im DAV. Im Sommer 2025 werden die Ergebnisse zunächst gezielt bei Ortsterminen an Hüttenstandorten in Bau-Beratungen mit betroffenen Sektionen eingebracht. Ab Herbst 2025 ist vorgesehen, das Projekt und seine Ergebnisse im Rahmen verschiedenster Veranstaltungen umfassend zu präsentieren.
Zentrales Kommunikationsmittel ist der entwickelte Leitfaden, der nicht nur als Dokumentation der Forschungsergebnisse dient, sondern insbesondere bei Workshops mit Sektionen zur Anwendung kommt. Die Inhalte werden zudem in bestehende und neu zu entwickelnde Veranstaltungs- und Fortbildungsangebote des DAV integriert, beispielsweise in Seminare zum „Sicheren und gesunden Bauen“.
Ein weiterer Fokus liegt auf der Sensibilisierung der Öffentlichkeit – insbesondere von Hüttengästen – durch begleitendes Informationsmaterial und digitale Angebote, etwa auf Buchungsplattformen. Auch vor Ort sollen Materialien sichtbar und erklärt präsentiert werden, um nachhaltige Bauweisen erlebbar zu machen.
Mit den grafischen Aufbereitungen des Leitfadens werden Informationsmaterialien des DAVs aktualisiert und durch Veröffentlichung, z. B. im DAV-Magazin beworben. Der Leitfaden sowie die Projektergebnisse werden über alpenverein.de sowie das DAV-Hüttenhandbuch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Ergebnisse sollen so langfristig in Planung, Baupraxis und Kommunikation innerhalb und außerhalb des Vereins einfließen.


Fazit

Der Bau und Betrieb alpiner Schutzhütten steht vor der Herausforderung, Sicherheit, Funktionalität und Nachhaltigkeit in einem sensiblen Naturraum zu vereinen. Das Projekt zeigt, dass eine zirkuläre, ressourcenschonende Bauweise unter Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen im Gebirge möglich ist – vorausgesetzt, es erfolgt eine differenzierte Betrachtung von Erfordernissen, Nutzer*innen und Anforderungen. Die entwickelten Konstruktionsvarianten und der begleitende Leitfaden
unterstützen Planende bei der Auswahl geeigneter Lösungen, ohne starre Standards vorzugeben. Besonders deutlich wird das Potenzial im bewussten Umgang mit Materialien: Der Fokus auf Wiederverwendbarkeit, effizienter Ressourcen und emissionsarme Transporte leistet einen wesentlichen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit. Der Etappenplan fördert zudem eine frühzeitige, partizipative Einbindung aller relevanten Akteur*innen und schafft Orientierung im komplexen Planungsprozess. Langfristig kann so eine neue Planungskultur im DAV entstehen, die das Privileg des Bauens in der Natur durch nachhaltige Architektur bewahrt.

Übersicht

Fördersumme

123.999,00 €

Förderzeitraum

01.02.2024 - 01.02.2025

Bundesland

Bayern

Schlagwörter