Projekt 38714/01

Maßvoll wirtschaften: Unternehmerische Strategien für gemeinwohlorientierte Konsum- und Produktionsmuster

Projektdurchführung

Technische Universität Berlin
Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre (IBBA)
Fachgebiet Sozial-ökologische Transformation
Marchstr. 23
10587 Berlin

Zielsetzung

Anthropogene Aktivitäten bedrohen zunehmend die Stabilität des planetaren Ökosystems und damit die Überlebensfähigkeit der menschlichen Zivilisation. Zur Lösung dieser Herausforderungen setzen die Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz und Konsistenz auf technologischen Fortschritt. Jedoch sind entsprechende Bemühungen, den Energie- und Ressourcenverbrauch der Wirtschaft zu optimieren, aufgrund von Rebound-Effekten nicht ausreichend. Zusätzlich sind daher strukturelle und nachhaltige Veränderungen der Produktions- und Konsumpraktiken (Suffizienzstrategie) notwendig, um die sozialen Bedürfnisse innerhalb ökologischer Grenzen zu befriedigen.
Unternehmen spielen bei der Umgestaltung von Produktions- und Konsumpraktiken hin zu einer entschleunigten, regionalen und sozial-gerechten Wirtschaft und Gesellschaft eine zentrale Rolle. In maßvoll wirtschaftenden Unternehmen tragen alle Aktivitäten zur Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft bei – indirekt, indem Angebote und Rahmenbedingungen für ressourcenarme Lebensstile geschaffen werden und direkt durch die Begrenzung von Ressourcenverbrauch und Produktionsmengen. Konkrete unternehmerische Strategien des maßvollen Wirtschaftens umfassen langlebige und reparaturfähige Produkte, zusätzliche Dienstleistungen für Miete, Sharing oder Secondhand und den Verzicht auf aggressive Werbung und Schnäppchenpreise.
Die Forschung zu maßvoll wirtschaftenden Unternehmen ist in den letzten Jahren zwar gewachsen, aber es gibt weiterhin wenig Wissen zur Verbreitung, wirtschaftlichen Anschlussfähigkeit und Akzeptanz von entsprechenden Strategien. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt „Maßvoll Wirtschaften“ die folgenden Ziele: Erfassung und Untersuchung von Strategien des maßvollen Wirtschaftens von Unternehmen und Organisationen unterschiedlicher Branchen, Größe, Organisationsform und Nachhaltigkeitsorientierung; Analyse von förderlichen und hemmenden Einflussfaktoren und Umsetzungsbedingungen; Erforschung, Entwicklung und Erprobung von Lösungsstrategien zur Überwindung von Hemmnissen und Empfehlungen für die Übertragbarkeit und Skalierung in der Praxis. Das Projekt leistet einen direkten Beitrag zur Umweltentlastung, indem es Unternehmen dabei unterstützt, ressourcenschonende Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

Arbeitsschritte

Das Vorhaben wurde in vier Arbeitspaketen realisiert, unterstützt von kontinuierlichen Aktivitäten im Rahmen des Projektmanagements und des Projektcontrollings. Das Projekt war ein Kooperationsvorhaben zwischen der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) unter Einbeziehung eines wissenschaftlichen Beirats und Multiplikatoren aus der Praxis, wie etwa Wirtschaftsverbände und Nachhaltigkeit- und Umweltorganisationen.
Zu Beginn wurde in AP 1 der aktuelle Forschungsstand mittels einer semi-systematischen Literaturanalyse erhoben und zusammengefasst. Das Ziel war es, einen systematischen Überblick über den aktuellen Wissensstand zu erlangen und darauf aufbauend die Forschungsfragen und Erhebungsinstrumente für die empirischen Studien festzulegen. Die qualitative Vorstudie (AP 2) diente der Exploration der Praktikabilität von Strategien des maßvollen Wirtschaftens in der Praxis. Es wurden insgesamt 13 Interviews mit Unternehmensvertreter*innen zu den Motivationen, Hindernissen und Kontroversen entsprechender Maßnahmen in der Praxis geführt und ausgewertet. Die qualitativen Erkenntnisse unterstützten zudem die Konzeption und Bestimmung von Inhalten für die nachfolgende quantitative Unternehmensbefragung. Diese Befragung war der Fokus von AP 3 und wurde als standardisierte Online-Umfrage realisiert. Es wurden nicht nur die Verbreitung von Strategien des maßvollen Wirtschaftens in unterschiedlichen Branchen erfasst, sondern auch Einfluss- und Kontextfaktoren für die Umsetzung. Als Modellprojekt wurden kontinuierlich Austausch- und Kommunikationsformate angeboten, um die Forschungserkenntnisse zu vermitteln, zu diskutieren und hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz zu überprüfen. Konkret wurden in AP 4 eine Workshop-Serie mit drei Veranstaltungen durchgeführt und ein praxisorientiertes Playbook erstellt.

Ergebnisse

Das Projekt hat gezeigt, dass maßvolles Wirtschaften bereits in der Praxis angekommen ist, wenngleich noch in der Nische. Die Entscheidung für ein suffizienzorientiertes Geschäftsmodell ist meistens wertebasiert und wird aus innerer Überzeugung getroffen, getragen von einem Verantwortungsgefühl für Mensch und Umwelt. 70 % der befragten Unternehmen reagieren auf Anforderungen von Kund*innen und 60 % auf Erwartungen von internen Stakeholdern. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass maßvolles Wirtschaften nicht nur ökologische Vorteile bringt, sondern auch Reputation, Kundennähe und wirtschaftliche Stabilität stärken kann. Aber Unternehmen stoßen auch auf Hindernisse bei der Umsetzung. Ein zentrales Problem ist das vorherrschende Wirtschaftssystem selbst, das Wachstum und Umsatzsteigerung belohnt, während Suffizienz oft als unrentabel gilt. Ein weiteres Hindernis ist die Konsumkultur und die große Bedeutung von Komfort, Verfügbarkeit und billigen Preisen bei Konsumentscheidungen. Zu maßvollem Wirtschaften gehört also auch, die Produkterwartungen und Konsumeinstellungen zu verändern, zum Beispiel durch konsumkritische Werbung. Das Projekt hat auch gezeigt, dass Maßvoll Wirtschaften nicht heißt „Wachstum ausschließen“ – sondern es neu bewerten und gezielt gestalten.

Playbook Maßvoll Wirtschaften

Öffentlichkeitsarbeit

Das Projekt verfolgte das Ziel, praxisnahe und übertragbare Erkenntnisse für Unternehmen zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse wurden im Playbook Maßvoll Wirtschaften in einer ansprechenden und praxisrelevanten Form aufbereitet. Zur Steigerung der Sichtbarkeit nutzte die Öffentlichkeitsarbeit gezielt die Netzwerke von Multiplikator:innen, um die Zielgruppe der Unternehmen zu erreichen. Unternehmens- und Umweltverbände unterstützten das Projekt dabei, Bekanntheit zu erlangen und die Workshops, die Umfrage sowie das Playbook zu bewerben.
Darüber hinaus präsentierte das Projektteam seine Arbeiten in 12 Vorträgen auf Fachkonferenzen und veröffentlichte zwei Interviews, einen Medienbeitrag über externe Medienpartner sowie eine Pressemitteilung über die TU Berlin.
Mit dem Abschluss des Projekts endet zwar die institutionelle Forschungstätigkeit, die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema wird jedoch von den Teammitgliedern fortgeführt. Angesichts der hohen Relevanz bleibt die Thematik aktuell, und weiterführende Forschung auf Basis der Projektergebnisse ist erforderlich, um Unternehmen in der Transformation hin zu nachhaltigen Konsum- und Produktionspraktiken zu unterstützen.

Fazit

Für das Projekt Maßvoll Wirtschaften und die Projektziele kann ein durchweg positives Fazit gezogen werden. Die gewählte Vorgehensweise und Methodik haben sich insgesamt bewährt. Die Datenerhebung mittels Literaturanalyse, Interviews und Umfrage verlief reibungslos und erforderte nur geringfügige Anpassungen. Auch der Austausch mit Unternehmen und Unternehmensverbänden im Rahmen von Workshops und Datenerhebungen bestätigte die hohe Relevanz des Themas Maßvoll Wirtschaften.
Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse bilden eine solide Grundlage für die Entwicklung einer zukünftigen Forschungsagenda. Diese soll praxisorientiert dazu beitragen, bestehende Barrieren für maßvolles Wirtschaften zu identifizieren und zu überwinden sowie förderliche Rahmenbedingungen – etwa durch politische Maßnahmen oder unternehmensinterne Anreize – herauszuarbeiten. Langfristig kann so eine Brücke zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und unternehmerischer Praxis geschlagen werden, um Unternehmen in ihrem Transformationsprozess hin zu nachhaltigeren Wirtschaftsweisen wirksam zu unterstützen.

Übersicht

Fördersumme

169.164,00 €

Förderzeitraum

01.05.2024 - 31.10.2025

Bundesland

Berlin