Landschaftsverband Rheinland
LVR- Archivberatungs- und Fortbildungszentrum
Forschungszentrum Technik
Ehrenfriedstr. 19
50259 Pulheim
Das Projekt verfolgt das Ziel, praxisnahe und ganzheitliche Konservierungsstrategien für fotografisches Material zu entwickeln, die kleinere und mittlere Archive umsetzen können. Derzeit besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den normativen Vorgaben (z. B. DIN-Normen) im Bereich Bestandserhaltung und deren Implementierungsmöglichkeiten. Die große Vielfalt der vorliegenden Materialkombinationen im Bereich Fotografie bedingt eine höhere Empfindlichkeit gegenüber exogenen und endogenen Schadensmechanismen, die häufig irreversibel sind und ggf. in vollständigem Informationsverlust münden. Hierzu zählen auch anthropogene Faktoren wie die Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt.
Aus der jahrzehntelagen Beratungstätigkeit des LVR-AFZ sowie weiterer, umfangreicher Vorarbeiten ist bekannt, dass viele Einrichtungen vor erheblichen kapazitären, fachlichen, finanziellen, organisatorischen und baulichen Herausforderungen stehen. Nicht selten führt dies dazu, dass fotografisches Material im Vergleich zu anderen Objektgattungen nachrangig behandelt oder sogar aus Unkenntnis oder Unsicherheit vernichtet wird, wie dies mehrfach im Fall von vermuteten Objekten auf Basis von Cellulosenitrat oder -acetat geschah.
Dies ist umso bedauerlicher, als dass fotografisches Material ohne Zweifel zum kulturellen Erbe zählt und Informationen enthält, die andere Objekte oder Dokumente nicht transportieren (können). Ein erheblicher Teil dieses Kulturguts wird in nichtstaatlichen Einrichtungen verwahrt, die sehr heterogen aufgestellt sind, aber bislang kaum im Fokus standen.
Im Projekt werden in Zusammenarbeit mit ausgewählten nichtstaatlichen rheinischen Archiven Wege ermittelt, die theoretischen Anforderungen bestmöglich mit den Gegebenheiten vor Ort übereinzubringen. Dabei wird ausgelotet werden müssen, welche Abstriche fachlich vertretbar sind bzw. welche Prioritäten gesetzt werden müssen oder können. Hierzu ist die Analyse der Rahmenbedingungen, der bestandserhalterischen Situation und der Materialien (z. B mit IR-Spektroskopie) vor Ort unabdingbar, da diese Erhebungen die Basis für folgende Arbeitsschritte bilden.
Durch die methodische Auswahl der Einrichtungen wird sichergestellt, dass die Rückschlüsse verallgemeinerbar und nachnutzbar sind. Die Ergebnisse werden in Publikationen und Vorträgen veröffentlicht und fließen in die kostenfreie Beratungs- und Fortbildungstätigkeit des LVR-AFZ ein, sodass die Nachhaltigkeit der Förderung gewährleistet ist.
Es wurden 11 Archive im Rheinland stellvertretend für die dichte Archivlandschaft ausgewählt, um typische Problemstellungen in Bezug auf die konservatorische Situation und die Archivierung von fotografischen Materialien zu identifizieren. Die Auswahl der Archive hatte zum Ziel, ein möglichst breites und heterogenes Spektrum an verschiedenen Archiven und Institutionen im Projekt zu erfassen und folgte zuvor ausgearbeiteten Kriterien.
In den am Projekt teilnehmenden Archiven und Einrichtungen werden zunächst umfangreiche Daten zur Gesamtsituation erfasst. Die Analyse bezieht die personelle, finanzielle, organisatorische und bauliche Situation mit ein, ebenso wie Umfang, Zusammensetzung und aktuelle konservatorische Situation der Fotobestände. Als Grundlage hierfür dient ein Prüfschema, dass es ermöglicht, die benötigten Daten einheitlich und damit vergleichbar zu ermitteln.
Zur Erfassung der Umweltbedingungen in den ausgewählten Archiven werden verschiedene Analysemethoden genutzt, um die klimatischen Werte sowie ggf. die Licht-, Schimmel-, und Schadstoffbelastung zu ermitteln. Einen festen Bestandteil innerhalb der Analysen vor Ort bildet die Identifikation fotografischer Kunststoffträger, da sie besondere Problemstellungen mit sich bringen. Gerade angesichts des Umstands, dass viele Einrichtungen nicht wissen, ob und ggf. in welchem Ausmaß Cellulosenitrat oder -acetat in ihren Magazinen vorliegt, sind tiefergehende Erhebungen zu den vorliegenden Materialitäten erforderlich.
Gemeinsam mit den teilnehmenden Archiven werden auf Basis der umfangreichen Analysen geeignete Strategien entwickelt, um die konservatorische Situation der dort verwahrten Fotobestände dauerhaft zu verbessern. Die Strategien erheben den Anspruch, ganzheitlich zu sein, da hierbei die verschiedensten Variablen mit einbezogen werden: die finanziellen und personellen Ressourcen, die archivinterne Organisation und die fachlichen (Vor-)Kenntnisse der Mitarbeitenden, die baulichen und klimatischen Gegebenheiten und die Umgebung der Magazine bzw. Lagerräume. So sollen die Vorgaben der einschlägigen Normen und Ratgeber für jedes Archiv und seine individuelle Situation auf eine Umsetzbarkeit geprüft werden und ggf. alternative Konzepte und Lösungen erarbeitet werden. Auszuloten, welche Zugeständnisse noch mit den fachlichen Anforderungen vereinbar sind, gehört zu den essentiellen Projektinhalten. Diese Lösungen münden in ein individuelles Präventionskonzept, dass sich an den Möglichkeiten des Archivs orientiert und somit möglichst das optimale Ergebnis für die Konservierung der jeweiligen fotografischen Materialien erzielt. Neben Maßnahmen der präventiven Bestandserhaltung gehören sicherlich auch weitere Empfehlungen zu den Strategien, um bereits eingetretene Schädigungen bzw. Schadensprozesse zu verlangsamen oder sogar zu stoppen.
An diesen Arbeitsschritt schließt sich die Umsetzung erster Maßnahmen mit den Partnereinrichtungen an, wobei zu beachten ist, dass diese v. a. bei baulichen Veränderungen außerhalb des Projektzeitraums liegen.
Begleitend zum Projekt werden Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt und Sachstandsberichte auf Fachtagungen vorgestellt. Das Projekt soll durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit in Fachkreisen begleitet werden.
Die Projektziele wurden vollumfänglich erreicht. Insbesondere ist die Erarbeitung einer modellhaften Konservierungsstrategie hervorzuheben, die innovativ als „Maturity Model“ (Reifegradmodell) umgesetzt wurde. Es hat sich gezeigt, dass angesichts der Heterogenität der Archivlandschaft keine allgemeingültige Strategie sinnvoll ist. Das Modell ist niedrigschwellig und flexibel auf die stark variierenden Bedürfnisse und Möglichkeiten in Archiven sowie Kultur- und Gedächtniseinrichtungen anpassbar. Es ermöglicht, auf Grundlage einer Selbstevaluation individuelle Ziele zu definieren und zeigt anschließend klare und nachvollziehbare Schritte zu deren Erreichung auf.
Ein wichtiges Teilziel bestand in der Entwicklung einer Methode, die gängigen fotografischen Kunststoffe (Cellulosenitrat, Celluloseacetat und Polyester) verlässlich, einfach und schnell zu bestimmen. Die sichere Identifikation ist als Basis für weitere Schritte in der Bestandserhaltung, aber ebenso für die Priorisierung einer Digitalisierung und hinsichtlich der Arbeits- und Betriebssicherheit, unerlässlich. Die Tests des Nahinfrarot-Spektrometers MicroNIR On-Site W verliefen erfolgreich, sodass eine Spektrenbibliothek erarbeitet wurde, die als Datengrundlage für weitere Einsätze genutzt werden kann und auch anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird.
Im Projekt wurden mehrere Handreichungen entwickelt, die bereits über die Homepage des LVR-AFZ abrufbar sind. Sie vermitteln nicht nur grundlegende bestandserhalterische Informationen zum Umgang mit fotografischen Materialien, sondern liefern ebenso detaillierte Hilfestellungen. Dabei wurde gemeinsam mit der für das Sprengstoffwesen zuständigen Stelle eine Checkliste entwickelt, um CN-Material (rechts-)sicher zu lagern.
Die vorgenannten Ergebnisse basieren auf den Stellungnahmen, die für die kooperierenden Archive aus dem Rheinland erstellt wurden. Diese beschreiben die jeweilige Gesamt- wie Bestandserhaltungssituation für den Bereich der Fotografien und formulieren individuelle, an den jeweiligen Gegebenheiten orientierte, priorisierte Verbesserungsmaßnahmen. Auf dieser Grundlage gelang es mehreren Häusern, bereits im laufenden Projekt signifikante Optimierungen einzuleiten oder sogar umzusetzen. Diese reichen von Umbettungen und Umlagerungen über die Beschaffung von Klimakammern bis hin zur Erhöhung von Personalkapazitäten.
Alle Ergebnisse sind aus der Projektstruktur in die Beratungs- und Unterstützungsleistungen des LVR-AFZ überführt.
Die Öffentlichkeitsarbeit war von Beginn an integraler Teil des Projekts, das z. B. auf zahlreichen archivarischen wie restauratorischen Gremiensitzungen vorgestellt wurde. Dies aus, um die Vernetzung mit wichtigen Akteuren aus dem Bereich voranzutreiben. In diesem Kontext sind das Arbeitskreistreffen der Fotorestaurator*innen im Juni 2023 sowie die Tagung des Arbeitskreises Bestandserhaltung e.V. im April 2024 hervorzuheben. Ausführliche Werkstattberichte wurden des Weiteren auf den Rheinischen Archivtagen des Jahres 2024 und (nach Abschluss des Projekts) 2025 gehalten, wo das Nahinfrarotspektrometer auch live vorgeführt wurde. Die Beiträge sind z. T. bereits in den Tagungsdokumentationen publiziert.
Um die Anwendungsbereiche und die Handhabung des MicroNIR On-Site W zu demonstrieren, konnte ein Video produziert werden, das über die Homepage des LVR-AFZ abrufbar ist. Eine schriftliche Publikation der Projektergebnisse wird im Heft 4/ 2025 der Zeitschrift „Archiv. Theorie und Praxis“ erfolgen. Ein weiterer Beitrag ist für die Zeitschrift „Rundbrief Fotografie“ vorgesehen“. Der Verlauf und die Resultate des Projekts konnten im Oktober 2025 einem größeren Publikum auf dem Österreichischen Archivtag in Wien vorgestellt werden.
Die Projektziele wurden – auch dank der guten Zusammenarbeit der archivischen wie technischen Kooperationspartner*innen – erreicht. Für wichtige Aspekte, die insbesondere in nichtstaatlichen Archiven für große Unsicherheit sorgten, entwickelte das Projektteam Angebote, die praxisnah unterstützen und Vorbehalte abbauen. Die Konservierungsstrategie eröffnet die Perspektive, eigenständig einen situativ adaptierbaren Weg zur Optimierung der bestandserhalterischen Situation für fotografische Materialien zu implementieren. Die Schritte bzw. Erfolge, die in den kooperierenden Archiven schon in der Projektlaufzeit umgesetzt wurden, belegen die Validität dieses Ansatzes.
Gleichwohl bleiben Fragen offen. Die langfristige Bestandserhaltung fotografischer Materialien bleibt eine in finanzieller, personeller und organisatorischer Hinsicht herausfordernde Aufgabe. Das LVR-AFZ und jüngst auch die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) haben bereits reagiert und bieten nun auch Fördermittel für den Beriech der Fotoarchivierung an. Hier wären Es wäre wünschenswert, dass weitere Förderlinien folgen, um finanzielle Hilfe und Anreize zu bieten.
Das LVR-AFZ hat die Ergebnisse in seine Beratungs- und Unterstützungsleistungen integriert, sodass die Resultate des Projekts bereits weiteren Einrichtungen zugutekommen. Aus dem Projekt haben sich weitere Vorhaben ergeben, sodass sichergestellt ist, dass die grundlegenden Anliegen weiterverfolgt werden.