Projekt 38274/01

Aufbau und Erprobung einer digitalen, betriebsübergreifenden und kundenorientierten Informationsplattform für KMU und Verbraucher:innen in Bezug auf Kreislaufwirtschaft im Textilbereich

Projektträger

hessnatur Stiftung
Görlitzer Str. 51
10997 Berlin
Telefon: +49 30 69 56 50 79

Zielsetzung

Jährlich werden immer größere Mengen an Textilien produziert und in Umlauf gebracht. Verschiedenste Einflussfaktoren wie Bevölkerungswachstum und ein verändertes Konsumverhalten begünstigen diese Entwicklung. Nachwachsende Rohstoffe werden mit schneller werdender Geschwindigkeit verbraucht. Die Textilindustrie muss sich zunehmend mit Risiken wie Klimawandel, Wasserknappheit und Bodenerosionen auseinandersetzen, die den Faseranbau und die Textilproduktion erschweren oder bedrohen. Die zukünftige Nutzung von Ressourcen erfordert daher ein grundlegendes Umdenken.
Die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft, in der die Wertigkeit, Qualität und Nutzungsdauer von Textilien wiederhergestellt wird, ist derzeit ein übergeordnetes Ziel von Politik, Ökonomie und Gesellschaft. Aufgrund ihres gravierenden Einflusses auf die Umwelt wurde die Textilindustrie als ein Schwerpunktsektor des European Green Deals festgelegt. In diesem Konzept definiert die EU umfassende Ziele, mit dessen Hilfe die 27 Mitgliedsstaaten bis 2050 Klimaneutralität erreichen sollen. Innerhalb dieses Maßnahmenpakets ist insbesondere eine Ausweitung der Verantwortung von Textilunternehmen vorgesehen: Produkte sollen wiederverwendbar, langlebiger und reparierbar gestaltet werden, Recyclingquoten erhöht und Abfälle reduziert werden.
Daher beginnen viele Unternehmen zirkuläre Lösungen für Verbraucher*innen umzusetzen. Dabei fokussieren sie sich jedoch meist auf Insellösungen, also auf technische Systeme, die nur in den eigenen Grenzen wirksam sind. Die vereinzelnd angebotenen zirkulären Wirtschaftskonzepte, wie zum Beispiel Reparatur- oder Rücknahmeangebote, werden meist für Marketing- bzw. Positionierungszwecke entwickelt. Zudem ist der Zugang oft nicht niedrigschwellig und das Angebot nicht flächendeckend genug, um eine möglichst hohe Akzeptanz und Frequenz zu schaffen.
Folglich ist weder eine Skalierbarkeit noch die Transformation von nachhaltigen, zirkulären Services in ein integriertes Geschäftsmodell gegeben.
Innerhalb des Projektes wurde die Möglichkeit von Textilunternehmen getestet, mithilfe einer externen digitalen Plattform eigene Textilsammlungen zu analysieren und diese zu kategorisieren. Mit den Ergebnissen konnte eine Einschätzung gegeben werden, welche Qualitäten in diesen Sammlungen gesammelt werden und auf welche Weise eine weitere Verwendung stattfinden kann. Im Anschluss wurde die Machbarkeit und Sinnhaftigkeit dieses Geschäftsmodells anhand der Ergebnisse bewertet.

Arbeitsschritte

Der Projektzeitraum teilte sich in 3 Phasen auf:
1. Planung und Organisation
In der ersten Phase wurden die genauen Fokuspunkte des Projektes herausgearbeitet und die Durchführung geplant. Hierfür wurden die Kooperationspartner auf der digitalen Plattform integriert und die Vorkehrungen zur Inbetriebnahme getroffen. Für die Berechnungen der Treibhausgasemissionen wurde das Szenario definiert und die einzelnen Prozessschritte beschrieben.
2. Durchführung
In dem Zeitraum von Mai bis Oktober 2023 wurden die Textilsammlungen in ausgewählten Filialen des Drogeriemarkts durchgeführt, von einem Sortierer in Kategorien entsprechend der Faserzusammensetzung und der Qualität eingeteilt und die Mengen auf der Plattform erfasst.
Parallel wurden die definierten Prozessschritte für die Treibhausgasberechnungen mit Emissionsdaten hinterlegt, um am Ende einen Vergleich zur Neuware ziehen zu können.
3. Bewertung
In der letzten Phase wurden die Sammelergebnisse ausgewertet und anhand von Nachhaltigkeitskriterien bewertet. Die Berechnungen und der Vergleich der Treibhausgasemissionen wurde finalisiert. Mit diesen Ergebnissen wurden Kommunikationsmaterialien erstellt, um das Bewusstsein der Verbraucher*innen für das Thema „Kreislaufwirtschaft“ zu fördern.

Mit den Ergebnissen konnte dargestellt werden, inwiefern das getestete Geschäftsmodell des Projektes für etablierte Unternehmen umsetzbar ist und welchen Beitrag es zur Förderung der Kreislaufwirtschaft tragen kann. Außerdem wurden mit den annähernden Berechnungen des Einsparpotenzials von Treibhausgasemissionen bei der Nutzung von Second Hand Bekleidung und damit einhergehenden Verlängerung der Nutzungsdauer der ökologische Nutzen in Zahlen greifbar gemacht.
Bei der Herausarbeitung der ökologischen Vorteile wurde der Fokus auf eine annähernde Berechnung der Treibhausgasemissionen von Second Hand Bekleidung im Vergleich zu Neuware gelegt. Dabei kooperierten die WaschMal GmbH als Anbieter der digitalen Plattform und die hessnatur Stiftung mit einem Drogeriemarkt, die auch Textilwaren im Sortiment haben.

Ergebnisse

In dem Sammelzeitraum von 6 Monaten wurde ein sehr unterschiedliches Sammelvolumen in den Filialen festgestellt. Während in manchen Filialen keine Alttextilien abgegeben wurden, lag das höchste Sammelvolumen bei 114 KG.
Die Menge der abgegebenen Altkleider, die sich für einen Verkauf als Second-Hand Ware geeignet hat, lag bei 70%. Dieser Anteil war höher als erwartet. Der Standort der Textilsammlungen in einer Filiale und die persönlichere Umgebung einer Filiale scheinen einen positiven Effekt auf die Spender*innen zu haben.
Vor einer Ausweitung der Textilsammlungen ist deshalb zu prüfen welche Gründe es für die höhere Qualität gibt, um die Sammlungen in der Zukunft bewusst entsprechend organisieren zu können.
Die berechneten Treibhausgasemissionen für die Second-Hand Ware entsprachen nur 24% der Treibhausgasemissionen der Neuware bei einer Betrachtung von der Materialproduktion bis zum Verkauf der Waren. Während die Emissionen in dem Teilbereich „Handel und Vertrieb“ für beide Waren ähnlich war, konnten in den Bereichen „Bereitstellung Vorprodukte“ und „Fertigung“ erhebliche Emissionen eingespart werden.
Der Umsatzanteil von Second-Hand Bekleidung am gesamten Bekleidungsmarkt ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. 2 von 3 Unternehmen, die Second-Hand Produkte anbieten, sehen dieses Geschäftsfeld sogar als wesentlich für ihre Langzeitstrategie in Bezug auf Wachstum an. Dabei sieht die Hälfte der Unternehmen die Gefahr, dass Second-Hand Verkäufe den Handel mit Neuware im ersten Moment torpedieren können. Langfristig werden in dieser Veränderung jedoch Vorteile gesehen. Für Unternehmen ist es demnach sinnvoll, zukünftig neben dem Verkauf von Neuware mindestens ebenfalls auf kreislauforientierte Modelle wie dem Second-Hand Handel zu setzen. Das neue Geschäftsfeld bietet ein zusätzliches Standbein, während es dem Ziel die Treibhausgasemissionen in der Textilindustrie zu reduzieren, näherkommt.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Projektpartner hatten unterschiedliche Schwerpunkte für die Kommunikation. Für die einen standen Unternehmen als Adressaten im Vordergrund, für die anderen die Verbraucher*innen. Aus diesem Grund wurden prägnante Informationen zusammengestellt, die von den Partnern individuell verwendet werden können.
Die im Projekt erarbeitete Infrastruktur zur digitalen Erfassung von Altkleidern in unterschiedlichen Kategorien bleibt auch nach der Projektlaufzeit bestehen. WaschMal kann diese anderen Unternehmen weiterhin zur Verfügung stellen, so dass diese eigenen Projekte im Bereich der Textilsammlungen umsetzen können.
Für die jährliche Future of Fashion Konferenz der hessnatur Stiftung in Zusammenarbeit mit der Schwedischen Botschaft am 05.02.24 wurde ein Quiz im Pilotformat entwickelt, das die Teilnehmer mit Details zur Kreislaufwirtschaft und Zahlen vertraut machte.
Die Wissensvermittlung in Form von Fragen und interaktiven Einschätzungen der Teilnehmenden hat sich als gewinnbringend herausgestellt. Deshalb ist zukünftig ein Ausbau dieser Art der Wissensvermittlung auf den Internetseiten von WaschMal und der hessnatur Stiftung geplant. Hierfür sollen weitere Fragen aufgenommen werden und nach Themenfeldern spezifisch gruppiert werden

Fazit

Das Projekt hat die Notwendigkeit bestätigt kreislauffähige Modelle zu testen, um Rückschlüsse zur Skalierbarkeit und einer Implementierung in bestehende Geschäftsabläufe zu ziehen. Die 6-monatige Testphase der Textilsammlungen hat die Umsetzbarkeit von Sammlungen in Filialen belegt.
Während die Qualität der gesammelten Textilien überdurchschnittlich im bundesweiten Vergleich war, reicht die gesammelte Menge an Produkten der Eigenmarken nicht aus, um z.B. ein neues Geschäftsfeld nur mit Eigenmarken im Bereich Re-sale aufzubauen. Zum besseren Verständnis dieses Aspektes empfiehlt sich eine grundlegende Recherche zu den Gründen, z.B. durch eine Kundenbefragung.
Im Vergleich der THG-Emissionen von Second-Hand Ware und Neuware konnte innerhalb des Projektes ein deutliches Einsparpotenzial aufgezeigt werden. In der Zukunft kann der Vergleich weiter ausgebaut werden und der komplette Lebenszyklus eines T-Shirts betrachtet werden.
All diese Themen, die zukünftig bearbeitet werden müssen, vereint die Notwendigkeit zur Vernetzung und dem gemeinsamen Aufbau von Infrastrukturen, um eine effiziente Kreislaufwirtschaft umsetzen zu können. Dazu ist ein Austausch zwischen unterschiedlichen Kreislaufprojekten elementar, um Synergien zu ermitteln. Als ein weiterer Vorteil der fortschreitenden Vernetzung ist die gemeinsame Kommunikation zu Nachhaltigkeits- und Kreislaufthemen zu sehen.

Übersicht

Fördersumme

94.626,00 €

Förderzeitraum

02.01.2023 - 02.02.2024

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Umweltkommunikation