Gräfe Chemie GmbH
Deichstr. 48 - 50
20459 Hamburg
Vollsynthetische, wasserlösliche Polymere finden sich als Rohstoffe in vielen Haarpflegeprodukten. Ihre Funktion besteht darin, für einen besseren Glanz und eine bessere Kämmbarkeit und Frisierbarkeit des Haares zu sorgen. Um solche Fähigkeiten zu erlangen, bedarf es chemischer Modifikationen am Rückgrat des Polymers, welche diesem eine positive Ladung verleihen. Beim Waschen der Haare gelangen diese Polymere größtenteils in das Abwasser. Wieviel davon am Ende in den Kläranlagen tatsächlich herausgefiltert werden kann und wieviel in die Umwelt gelangt, ist in Zahlen bisher nicht bekannt. Mikroplastik und in dem Zusammenhang auch flüssiges Plastik werden jedoch immer mehr als Problem erkannt und sollen nach dem Vorsorgeprinzip kontinuierlich weiter eingeschränkt werden, um möglichen Schaden von Mensch und Umwelt abzuwenden. Ein großes Problem besteht vor allem in der schlechten biologischen Abbaubarkeit vieler zur Haarpflege eingesetzter Polymere. Einmal in die Umwelt gelangt, benötigen solche synthetischen Polymere oft Jahrzehnte, um abgebaut zu werden. Daher besteht zum einen durch vermehrte regulatorische Maßnahmen aber auch aufgrund einer wachsenden Nachfrage durch immer umweltbewusstere Verbraucher ein Druck zur Entwicklung biologisch abbaubarer, ökologischer Rohstoffalternativen. Zwar existieren bereits einige Alternativen, auf Basis natürlicher Polymere (Stärke), diese büßen jedoch durch die chemischen Modifikationen, die notwendig sind, um die Haarpflegeeigenschaften zu erhalten, ihre eigentlich gute biologische Abbaubarkeit zu einem erheblichen Teil wieder ein.
Ziel dieses Projektes ist es daher, ein auf natürlichen Bausteinen basierendes, kationisches Polymer zu entwickeln, welches an die gleichen Haarpflege-Eigenschaften, die ein vollsynthetisches Polymer mitbringt, heranreicht. Gleichzeitig soll es aber eine gute biologische Abbaubarkeit von mehr als 60 % in 28 Tagen aufweisen. Zu diesem Zweck sollen kationische Substituenten auf alternative Art und Weise an natürliche, stärkebasierte Polymere geknüpft werden. Unter den Anwendungsbedingungen von Haarpflegeprodukten soll deren Bindung an das Polymer stabil sein. Nach dem Abspülen und der Einleitung ins Abwasser sollen diese Substituenten jedoch von den in Klärschlämmen vorkommenden Mikroorganismen leicht gespalten und das Polymer damit insgesamt leicht abgebaut werden können. Als Polymerbasis sollen verschiedene Stärken oder abgebaute Stärken Verwendung finden. Damit sollen neben dem Verhältnis von Amylose und Amylopektin auch der Einfluss verschiedener Molekülgrößen auf die Haarpflege-Eigenschaften der hergestellten Polymere untersucht werden.
Ein weiterer Aspekt des Projektes liegt in der Entwicklung und Optimierung von Verfahren zur Bindung alternativer kationischer Substituenten an Stärkepolymere. Auf andere Polysaccharid-Polymere übertragen, könnten solche Verfahren auch über Haarpflegeprodukte hinaus einen Zugang zu anderen Pflegeprodukten oder Textilpflegeprodukten eröffnen und so weitere im Markt befindliche synthetische Polymere substituieren.
Fraunhofer-Institut
Das Fraunhofer-Institut stellte modifizierte Stärken als natürliche Polymere bereit. Diese wurden mit kationischen Substituenten versehen, um enzymatischen Abbau zu erleichtern.
Kationische Polymere mit hydrolysierbaren Bindungen
Bisherige Synthesewege kationischer Stärkeester wurden geprüft, jedoch aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen verworfen. Stattdessen wurde ein Verfahren zur Herstellung von Stärkecarbamaten erprobt. Diese entstehen durch säurekatalysierte Umsetzung mit Harnstoff oberhalb von 133 °C. Alternativ wurde eine Reaktion in einem eutektischen Gemisch aus Harnstoff und Betain untersucht, welches als Lösungsmittel und Katalysator wirkt. Die Löslichkeit von Stärke in diesem Gemisch wurde getestet, Reaktionsprodukte aufgereinigt und an Gräfe Chemie zur Testung gesandt.
Einfluss der Molekülstruktur
Stärken mit unterschiedlichen Amylose- und Amylopektinverhältnissen wurden untersucht, um ihre Adsorptionseigenschaften als Konditionierer zu analysieren. Da keine kommerziellen abgebauten Erbsenstärken verfügbar sind, wurden diese durch oxidativen Abbau mit Hypochlorit im Labor hergestellt. Erste Versuche mit kationischen Stärkeethern führten zu instabilen Gelen, weshalb auf Amylopektinstärken aus Kartoffel und Mais umgestellt wurde. Diese benötigen weniger Substituierung, was die biologische Abbaubarkeit verbessert. Chemisch und physikalisch charakterisierte Muster wurden abschließend zur weiteren Testung an Gräfe Chemie übergeben.
Gräfe Chemie GmbH
Das menschliche Haar besteht aus drei Schichten: Medulla, Cortex und Cuticula. Der Cortex macht 80–90 % des Haargewichts aus und enthält die elastischen Keratinfasern sowie die Melaninpigmente. Die Cuticula schützt die Haarrinde mit einer Lipidschicht (F-Schicht), die das Haar hydrophob macht. Mechanische, chemische und Umwelteinflüsse wie Blondieren oder UV-Strahlen schädigen die Cuticula, indem die F-Schicht zerstört und die Haaroberfläche hydrophil wird. Dies macht das Haar rau, schwer kämmbar und glanzlos. Kationische Konditionierer binden an die geschädigte Haaroberfläche, neutralisieren Ladungen und stellen die Hydrophobie wieder her. Die Konditionierung wurde durch sensorische Beurteilungen und Kämmkraftmessungen überprüft. Dabei wurden vorgeschädigte Haarsträhnen (Fa. Kerling) mit Testprodukten behandelt und maschinell die Kämmkraft ermittelt. Ziel war die Untersuchung modifizierter Stärken des Fraunhofer-Instituts hinsichtlich Sensorik und Kämmkraft.
Fraunhofer-Institut
Stärke und ihre Bestandteile
Stärke wird in Pflanzen als Reservestoff gespeichert und besteht aus Amylopektin und Amylose. Amylose ist ein unverzweigtes Polymer mit α-1,4-Verknüpfungen, während Amylopektin ein verzweigtes Molekül mit α-1,4- und α-1,6-Bindungen ist. Der Anteil beider Komponenten variiert je nach Stärkequelle (z. B. Kartoffel, Mais, Erbse).
Physikalische Eigenschaften
Die Funktionalität von Stärke in wässrigen Systemen hängt von ihrer molekularen Struktur ab. Beim Erhitzen quellen Stärkekörner auf (Verkleisterungstemperatur). Amylose neigt zur Retrogradation, wodurch feste Gele entstehen, während Amylopektin stabilere, weichere Gele bildet.
Modifikation von Stärke
Stärke wird physikalisch, enzymatisch oder chemisch modifiziert, um ihre Eigenschaften zu verbessern.
• Enzymatische Hydrolyse: α-Amylase, β-Amylase und Pullulanase spalten gezielt Bindungen.
• Chemische Modifikation: Methoden wie Oxidation, Säurehydrolyse, Etherifizierung und Veresterung beeinflussen Viskosität, Löslichkeit und Gelbildung.
Diese Modifikationen ermöglichen maßgeschneiderte Stärkeprodukte für Lebensmittel, Industrie und Pharmaanwendungen.
Gräfe Chemie GmbH
Versuche mit Stärkecarbamaten und quaternisierten Waxy Kartoffelstärken:
Das Fraunhofer-Institut stellte der Gräfe Chemie zwei gefriergetrocknete Stärke-Carbamate mit unterschiedlichem Substitutionsgrad zur Verfügung (MW-24-71: DS 0,23; MW-24-85: DS 0,29). Beide ließen sich in einer 0,4%igen Konzentration in ein Basis-Shampoo einarbeiten. Die sensorische Evaluierung und Kämmkraftmessungen zeigten jedoch keine pflegenden Eigenschaften oder eine signifikante Kämmkraftreduktion. Zudem traten Stabilitätsprobleme auf, weshalb die Testreihe abgebrochen wurde.
Versuche mit quaternisierten Waxy Kartoffelstärken
Quaternisierte Waxy Kartoffelstärken mit höheren Substitutionsgraden (MW-24-105, -106, -107) waren in Shampoos stabil und zeigten bei der sensorischen Evaluierung gute konditionierende Eigenschaften, ähnlich dem Benchmark Amylomer CAT 531. Die Kämmkraftmessungen bestätigten eine verbesserte Kämmkraftreduktion.
Biologische Abbaubarkeit
Weitere Muster mit niedrigerem Substitutionsgrad (≤ 0,10) zeigten eine gute biologische Abbaubarkeit (bis zu 79%). Diese Muster bieten Potenzial für zukünftige sensorische und physikalische Untersuchungen.
Im Rahmen des Projekts wurden Forschungsergebnisse intern und mit Projektpartnern geteilt, jedoch konnte kein finales Endprodukt veröffentlicht werden. Demnach sind keine Maßnahmen zur Verbreitung der Ergebnisse wie Veröffentlichungen, Fachvorträge oder Messeausstellungen geplant.
Modifizierung von Stärken und Testergebnisse:
Durch eine neuartige Modifizierung in eutektischen Gemischen wurden Stärkecarbamate mit DS 0,2–0,3 hergestellt und zur Prüfung übergeben. Obwohl sie kosmetisch einarbeitbar waren, erfüllten sie nicht die gewünschten sensorischen und physikalischen Anforderungen und zeigten Instabilität, weshalb dieser Ansatz verworfen wurde.
Quaternisierte Waxy Kartoffelstärken und biologische Abbaubarkeit:
Quaternisierte, amylopektinreiche Waxy Kartoffelstärken zeigten bereits bei geringem Quaternisierungsgrad vergleichbare Eigenschaften zu einem Marktprodukt. Gegen Projektende hergestellte Stärken mit DS ≤ 0,1 wiesen eine gute biologische Abbaubarkeit auf, konnten jedoch nicht mehr vollständig untersucht werden.
Herausforderungen und nicht durchgeführte Arbeitspakete:
Einige Arbeitspakete konnten nicht umgesetzt werden, da die ursprünglich geplante Waxy Kartoffelstärke für Kosmetik nicht verfügbar war. Nach intensiver Recherche wurde eine Alternative gefunden, auf deren Basis neue Muster getestet wurden.
Ergebnis des Projekts:
Trotz Fortschritten konnte bis Projektende kein marktreifes Produkt entwickelt werden, das für toxikologische Prüfungen, Scale-up oder Schutzrechte infrage kam. Dies führte dazu, dass einige Arbeitspakete nicht abgeschlossen wurden.