Bauen und Wohnen – einer der energieintensivsten Bereiche – bietet ein riesiges Einsparpotenzial. Wir können es nutzen, indem wir einerseits unser Verhalten anpassen und andererseits bauliche Maßnahmen umsetzen, z. B. unsere Gebäude dämmen. Doch die teils divers geführte öffentliche Diskussion zu Sanierungsmaßnahmen hat bei vielen zu Unsicherheiten und Bedenken geführt. Wirkt Dämmung überhaupt? Entsteht dabei nicht Schimmel? Wie lüfte ich richtig? Müssen Wände nicht atmen können?
Um diese Fragen zu beantworten hat das Energie- und Umweltzentrum am Deister (e.u.[z.]) ein Projekt ins Leben gerufen, das die Themen Dämmen, Lüften, Heizen und die Vermeidung von Schimmel auf anschauliche Weise vermittelt. Mit einfachen, dem Alltag entlehnten Experimenten lassen sich bauphysikalische Zusammenhänge auch für Laien verständlich darstellen. Was wir mit den eigenen Augen beobachten, mit den eigenen Händen fühlen, bleibt im Gedächtnis und hilft uns, Unklarheiten zu beseitigen.
Das Vorhaben richtete sich an Energieberater*innen, Lehrer*innen, Ausbilder*innen und Seminarleiter*innen der schulischen Aus- und Weiterbildung sowie an Beratende im Baustoffhandel und in der Industrie, die zum Thema Energieeffizienz weiterbilden und informieren. Die Zielgruppen wurden durch das Projekt befähigt, Fragestellungen im Kontext der Bauphysik mithilfe von Experimenten und Modellen zu beantworten.
Das Projekt bestand aus fünf Arbeitspaketen, die innerhalb von Dezember 2021 bis Februar 2024 umgesetzt wurden:
1. Entwicklung anschaulicher Experimente
2. Erprobung mit ausgewählten Teilnehmer*innen
3. Entwicklung eines Leitfadens und Dokumentation
4. Seminare für Multiplikator*innen
5. Verbreitung der Ergebnisse
Es wurden einprägsame Experimente und Modelle entwickelt, die physikalische Phänomene auf ein allgemein verständliches Niveau brachten. Die Experimente griffen u. a. folgende Themen und Fragen auf:
Dämmen: Wie wirkt Dämmung? Wie wirken sich verschiedene Dämmstärken aus? Wie kann ich mir einen Wärmewiderstand vorstellen? Wann kann ich einen Schrank an die Außenwand stellen ohne Schimmel zu riskieren? Unter welchen Bedingungen entsteht Schimmel und wie lässt er sich vermeiden? ...
Heizen: Durchheizen oder nachts abkühlen lassen – was ist besser? Wie sehr darf ein einzelner Raum auskühlen? Wie wirkt Dämmung beim Aufheizen und Abkühlen?
Lüften: Wie kann ich energiesparend lüften? Nach welchen Kriterien muss ich mich richten? Wie viel Luft muss ich austauschen? Was sagt mir ein Thermohygrometer? Welche Rolle spielt die Oberflächentemperatur? Können Wände atmen?
Ein Projektbeirat mit Vertreter*innen aus Bildung, Wirtschaft und Wissenschaft prüfte im September 2022 die Experimente auf ihre Praxisrelevanz. Nach einem ersten Probeseminar fanden 2023 im e.u.[z.] Workshops zum Thema „Bauphysik-Experimente – bauphysikalische Zusammenhänge verstehen und anschaulich erklären“ statt. Hier zeigte Wilfried Walther – Sachverständiger für Bauphysik beim Energie- und Umweltzentrum am Deister – wie Fragen zum Dämmen, Lüften, Heizen und zur Vermeidung von Schimmel anhand von Experimenten und Modellen erklärt werden können. Jedes Experiment widmete sich einer Fragestellung.
Im Rahmen des Projekts wurden zwanzig Experimente und Modelle entwickelt, mit denen sich Fragen wie die oben genannten verständlich beantworten ließen. 2023 wurden die Experimente in Workshops mit über 130 Multiplikator:innen erprobt. Die Teilnehmenden kamen u. a. aus der Energieberatung, Aus- und Weiterbildung sowie der Bauwirtschaft. Die Rückmeldungen zu den Workshops waren durchweg positiv. Viele schätzen es sehr, bauphysikalische Zusammenhänge, die sie bisher nur aus Lehrbüchern kannten, in dreidimensionaler Form vor sich zu sehen und in Echtzeit zu erleben. Das Projekt zeigte, wie wichtig es bei der Wissensvermittlung ist, so viele Sinne wie möglich anzusprechen, insbesondere den Sehsinn. Wer z. B. einen Kubikmeter Luft in Originalgröße vor sich gesehen hat und die wenigen Milliliter Wasser, die er aufnehmen kann, wird dem Lüften in Zukunft größere Aufmerksamkeit schenken. Von Bildungseinrichtungen in Niedersachsen und Hessen wurde das e.u.[z.] eingeladen, den Workshop für ihre Auszubildenden zu halten. Im Rahmen des Projekts wurde zudem ein Leitfaden entwickelt, der den Nachbau der Experimente anleitet. Dieser ist auf Anfrage (per E-Mail an bex@e-u-z.de) kostenfrei erhältlich.
Im September 2023 drehten Wilfried Walther und Energieberater Carsten Herbert ein Video, in dem einige Experimente gezeigt werden. In dem Video machen die beiden den „Taupunkt“ sichtbar, schauen, wie viel Wasser ein Kubikmeter Luft aufnehmen kann und bringen ihn zum Schweben. Sie zeigen auch, wie Wärmewiderstände wirken – insbesondere bei einer Dämmung. Das Video ist auf dem YouTube-Kanal von Carsten Herbert ("Energiesparkommissar") sowie auf dem YouTube-Kanal des Energie- und Umweltzentrums am Deister verfügbar. Es erhielt innerhalb kürzerster Zeit über 24.000 Aufrufe (Stand Mai 2024) und viele positive Kommentare.
Die Experimente wurden auf verschiedenen Veranstaltungen vorgestellt, u. a. auf der 15. EffizienzTagung klimaneutral Bauen+Modernisieren am 11. November 2023 und beim Forum Energie und Bau in Hannover. Auch Studierenden-Gruppen erhielten im e.u.[z.] Einblicke in die Experimente.
Auf der Website des Energie- und Umweltzentrums am Deister können sich Interessierte über das Projekt und künftige
Workshops informieren.
Die Experimente und Modelle, die innerhalb der Projektlaufzeit entwickelt und in Workshops erprobt wurden, erweisen sich für die Vermittlung bauphysikalischer Zusammenhänge als sehr hilfreich. Sie zeigen, wie wichtig die Ansprache verschiedener Sinne, insbesondere des Sehsinns, bei der Wissensvermittlung ist. Mit den Workshops wurden über 130 Multiplikator:innen aus verschiedenen Bereichen erreicht, u. a. Energieberatung, Aus- und Weiterbildung und Bauwirtschaft. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren sehr positiv und es ergaben sich daraus erste Buchungen für weitere Workshops, z. B. an Bildungszentren. Auch für den Leitfaden besteht eine deutliche Nachfrage.
Das Energie- und Umweltzentrum am Deister wird über das Förderprojekt hinaus Workshops zu den Experimenten anbieten und erörtert derzeit Möglichkeiten der Weiterentwicklung (z. B. Train-The-Trainer-Workshops, Workshops für Berufsschullehrer, Erstellung von Material- und Experimente-Sets).