Enviplan Ingenieurgesellschaft mbH
Dammstr. 21
33165 Lichtenau
Eine funktionierende Abwasserbehandlung ist ein zentraler Bestandteil unserer heutigen Umwelt- und Gesundheitspolitik. Die Voraussetzung dafür ist eine zuverlässige und leistungsfähige Abwasserreinigung insbesondere in dicht besiedelten und industriell geprägten Regionen Deutschlands mit teilweise hochbelasteten Vorflutern. Dazu leisten moderne Kläranlagen zwar bereits einen großen Beitrag, im Detail gibt es jedoch Verbesserungspotential und zwar nicht nur in Bezug auf die Reinigungsleistung. So haben Kläranlagen auch aus energetischer Sicht einen besonderen Stellenwert, denn vielfach sind sie innerhalb einer Kommune die größten Einzelverbraucher an Energie. Damit kommt energiesparenden Abwasserreinigungsverfahren sowohl aus Gründen des Klimaschutzes mit einer Reduktion des CO2-Ausstosses, wie auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten aufgrund steigender Energiekosten, eine wesentliche Bedeutung zu. Und nicht zuletzt stellt die zunehmende Problematik der zu entsorgenden Klärschlämme mit ihren erheblichen Kosten eine weitere Herausforderung dar.
Verbesserungen diesbezüglich lässt der Einsatz aerober Granula erwarten. Dabei handelt es sich um eine Sonderform von Biofilmen ohne zusätzliches Trägermaterial. Aerobe Granula haben das Potential, höhere Reinigungsleistungen als konventionelle Belebungsanlagen mit Flockenschlamm zu erreichen. Damit wird eine bessere Reinigungsleistung bei gleichem Volumen erreicht oder ein entsprechend geringerer Flächen- bzw. Volumenbedarf benötigt. Granulaverfahren sind daher auch für die Ertüchtigung und Erweiterung bestehender Kläranlagen prädestiniert, u. a. auch unter dem Aspekt des Platzbedarfs für weitere Reinigungsverfahren (z. B. 4. Reinigungsstufe). Außerdem entsteht bei der Abwasserreinigung mit aeroben Granula weniger Überschussschlamm.
Ein großtechnischer Einsatz aerober Granula erfolgt bisher nur sehr vereinzelt in diskontinuierlich durchflossenen Verfahren (SBR). Da die meisten Kläranlagen jedoch mit kontinuierlichem Durchfluss arbeiten, ist die Etablierung aerober Granula für diesen üblichen Kläranlagenbetrieb wünschenswert. Das Ziel dieses Projektes war daher die Entwicklung der Abtrennung aerober Granula von flockigem Schlamm mittels Mikroflotation für ein kontinuierlich durchströmtes Abwasserreinigungsverfahren. Ein konkretes Umweltentlastungspotenzial existiert in den Bereichen Gewässerschutz, Flächen- und Energiebedarf sowie einer geringeren Überschussschlammproduktion.
Das Projekt war in 5 Arbeitsschritte (AS) unterteilt.
Im AS1 wurden die aeroben Granula zunächst auf der Versuchsanlage des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft und Umwelttechnik (LSU) im Labormaßstab bzw. kleinen Technikumsmaßstab gezüchtet, um deren Abtrennung im AS2 detailliert untersuchen zu können. Da es am LSU wiederholt gelungen war, aerobe Granula im kontinuierlich durchflossenen Betrieb zu erzeugen, wurde die in der Antragsphase noch geplante Anzucht der Granulen in einem SBR verworfen und sie wurden sofort mit einer kontinuierlich durchflossenen Anlage erzeugt.
Im Rahmen des AS2 wurde detailliert die Abscheidung der Granula von flockigem Schlamm und Wasser mit der Mikroflotation betrachtet. Zielsetzung war eine möglichst gute Anhaftung der Blasen an die Schlammflocken und eine möglichst geringe an die aeroben Granula. Erste Vorversuche zur Abtrennung der aeroben Granula von Flockenschlamm erfolgten mit einer mobilen Laboranlage. Die detaillierteren Untersuchungen wurden dann mit der Flotationszelle der stationären Anlage durchgeführt, sie bot für die hier betrachtete Fragestellung deutlich mehr Möglichkeiten. Zum AS2 gehörte auch der Dauerbetrieb dieser stationären Anlage, um Erkenntnisse für den Einsatz des Verfahrens unter realitätsnahen Betriebsbedingungen zu gewinnen.
Weiterhin erfolgten Grundlagenuntersuchungen zur Bestimmung der Dichte und der Sinkgeschwindigkeit der aeroben Granula sowie Viskositätsmessungen des Granulaschlamms. Diese Daten und Erkenntnisse bildeten auch die Basis für die numerischen Strömungsberechnungen (CFD), mit denen die Strömung in den Flotationszellen untersucht und optimiert wurde. Darüber hinaus wurden die Parameter zur Auslegung von Flotationszellen für diese Anwendung betrachtet.
Im AS3 wurde beispielhaft für zwei Kläranlagen des Wupperverbands die technische Einbindung der Flotation mit der Etablierung aerober Granula für zwei kontinuierlich betriebene biologische Stufen planerisch untersucht und beurteilt.
Für eine umfassende Bewertung des Verfahrens mit dem Ziel einer Nachrüstung von Belebungsanlagen, sind neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch nichtmonetäre Aspekte zu betrachten. Im AS4 wurden diese in einer Bewertungsmatrix zusammengestellt und darauf aufbauend Empfehlungen für die Umrüstung bestehender konventioneller Belebungsverfahren aufgezeigt.
Abschließend wurden im AS5 die durchgeführten Arbeiten mit den erzielten Erkenntnissen im Abschlussbericht zusammengefasst.
Die aeroben Granula wurden zu Beginn des Projektes direkt in kontinuierlich durchflossenen Reaktoren und nur mit Belebtschlamm sowie kommunalem Abwasser der Kläranlage Bochum-Ölbachtal (Ruhrverband) angezüchtet.
Erste Abtrennversuche erfolgten mit einer mobilen Laboranlage, mit der die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Verfahrens frühzeitig nachgewiesen werden konnte. Basierend auf den ersten Erkenntnissen wurde die stationäre Mikroflotationsanlage für den Dauerbetrieb entwickelt, die aber auch für Batch-Versuche eingesetzt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass die Abtrennung von Flockenschlamm aus dem Abwasser mit der Flotation sehr gut und mit sehr geringer Dosierung der Luftblasen funktioniert. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass auch die erwartete Abtrennung der Granulen von Flockenschlamm und Wasser gelingt. Im Gegensatz zu anderen Anwendungen der Mikroflotation, ist hier die Dosierung der feinen Luftblasen ein entscheidender Faktor. Abhängig von der Beschaffenheit der aeroben Granula, lassen sich bei Mindestgrößen zwischen 1 und 2 mm immer alle Granulen abtrennen, auch wenn sie mit maximaler Dosierung beaufschlagt werden. Bei den kleineren Granulen zwischen 0,3 mm und etwa 1 mm ist dagegen eine Dosierung der Luftblasen erforderlich, die so einzustellen ist, dass der Flockenschlamm flotiert und die Granulen sedimentieren.
Begleitend zu den Arbeiten an der Versuchsanlage wurde die Strömung in den Flotationszellen auch numerisch untersucht, um das Strömungsregime besser verstehen und Optimierungen durchführen zu können. So wurde ein Strömungslenker entwickelt, der im 3D-Druck hergestellt wurde und den ungewollten Austrag kleiner Granulen über den Flotatablauf verringert.
Die beispielhaft geplante technische Einbindung der Flotation im Haupt- oder im Nebenstrom könnte auf beiden betrachteten Kläranlagen aufgrund des relativ geringen Platzbedarfs auf den vorhandenen Freiflächen umgesetzt werden. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zeigte bei der KA Schwelm für die Flotation im Neben- als auch im Hauptstrom einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber einer klassischen Erweiterung der konventionellen Biologie. Für die KA Marienheide zeigte sich ein Kostenvorteil nur für die Einbindung im Nebenstrom.
Anhand der multikriteriellen Bewertungsmatrix zeigte sich, dass das Verfahren eine Umsetzungsvariante für die Erweiterung überlasteter Kläranlagen oder zur Einhaltung verschärfter Anforderungen für die Stickstoffelimination darstellen kann.
Die im Projekt FLOTAGRAN gewonnenen Erkenntnisse sollen auf verschiedenen Wegen veröffentlicht und so Kläranlagenbetreibern und -planern zugänglich gemacht werden. Dazu zählen Vorträge auf nationalen Tagungen ebenso wie nationale und internationale Veröffentlichungen. Im Vordergrund steht dabei die praxisnahe Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auf möglichst viele Kläranlagen.
Enviplan wird über Fachpublikationen, Vorträge und Informationsbesuche bei relevanten Anwendern die entwickelte Technologie präsentieren und geeignete Kanäle suchen und bewerten, um sie zu vermarkten. Weitere Möglichkeiten sind Ausstellungen und Fachmessen, ebenso wie gezielte Informationsveranstaltungen bei Planungsbüros.
Am LSU werden die Arbeiten darüber hinaus in eine Dissertation eingehen und im Rahmen der Lehre dem wissenschaftlichen Nachwuchs vermittelt werden (u. a. in der Vorlesung „Innovationen in der Abwassertechnik“). Der LSU wird die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um weitere Forschungsvorhaben zu die-sem Thema zu initiieren.
Die WiW mbH wird ihr vorhandenes Fachwissen im Bereich der Granulaverfahren durch das geplante Vorhaben vertiefen und das Know-how einsetzen, um das Verfahren in die Praxis umzusetzen.
Mit den durchgeführten Arbeiten konnte erstmalig gezeigt werden, dass die Abtrennung aerober Granula von Flockenschlamm mit der Mikroflotation in einem kontinuierlich durchflossenen Abwasserreinigungsverfahren möglich ist.
Mit dem Einsatz der Mikroflotation konnte durch die Dosierung von Recyclestrom und Luftblasen ein Regelbereich von 0 % (keine flotative Abtrennung, nur Sedimentation wie in einem Nachklärbecken) bis 100 % (maximale Flotationsleistung gemäß Auslegung der Anlage) realisiert werden. Die Abtrennleistung durch die Flotation ist unabhängig vom Zufluss frei einstellbar und aus technischer Sicht auch sehr einfach zu realisieren. Grundsätzlich kann damit die Abtrennung des Flockenschlamms von den aeroben Granula vorgegeben und damit auch ein gewünschtes Granula-Flockenschlamm-Verhältnis eingestellt werden. Darüber hinaus kann auf Schwankungen der Zulaufmenge und der Fracht nahezu verzögerungsfrei reagiert werden. Außerdem sind trotz des zusätzlichen Energiebedarfs für die Flotation, Energieeinsparungen beim Einsatz des Granulaverfahrens zu erwarten.
Die auf verschiedenen Wegen der Fachwelt zu Verfügung gestellten Erkenntnisse sollen den breiten Einsatz des Granulaverfahrens in Verbindung mit der Mikroflotation ermöglichen und so mit einem energie- und platzsparenden Abwasserreinigungsverfahren zu einer Verbesserung des Gewässerzustands beitragen.