Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
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85316 Freising
Die Gemeine Spinnmilbe Tetranychus urticae ist ein Hauptschädling im Kulturhopfen, der bei starkem Befall zu signifikanten Qualitäts- und Ernteverlusten bis hin zum totalen Ernteausfall führen kann. Zum Schutz der Hopfenpflanzen werden weltweit regelmäßig Akarizide eingesetzt. Da starker Spinnmilbenbefall vor allem von trockener, warmer Witterung begünstigt wird, gewinnt dieser polyphage Schädling durch den Klimawandel in Deutschland weiter an Bedeutung. Witterungsbedingte Probleme durch Spinnmilbenbefall im Hopfen verstärken sich bereits heute und führen zu häufigeren Einsätzen von Akariziden, wobei zunehmend Resistenzbildungen der Spinnmilben gegen zugelassene Pflanzenschutzmittel beobachtet werden.
In dem Forschungsvorhaben wird über fünf Jahre untersucht, inwieweit starker Spinnmilbenbefall einer individuellen Hopfenpflanze ihre Anfälligkeit gegenüber Spinnmilben in den Folgejahren reduziert. Die vermutlich zugrunde liegenden Mechanismen werden unter dem Oberbegriff ‚Induzierte Resistenz‘ zusammengefasst. Induzierte Resistenz umschreibt die Steigerung der natürlichen Widerstandsfähigkeit einer individuellen Pflanze ohne Veränderung ihrer genetischen Konstitution. In der hier vorliegenden Interaktion von Hopfenpflanzen und Spinnmilben handelt es sich vermutlich um die „Systemic Acquired Resistance“ (SAR), die Abwehrreaktion einer Pflanze gegenüber einem Krankheitserreger. Die SAR ist eine Art pflanzliches Immunsystem und wird auch als pflanzliches Erinnerungsvermögen bezeichnet („plant memory“). Wenn eine Pflanze mit einem Pathogen konfrontiert ist, wird in der Pflanze eine Reaktion in Gang gesetzt, die auf biochemischen Prozessen beruht und die ganze Pflanze beim erneuten Angriff des Schaderregers schützt. Das Projekt soll über Analysen von Inhaltsstoffen befallener wie nicht befallener Blätter auch Rückschlüsse über die zugrunde liegenden Mechanismen liefern.
Aus den Ergebnissen des Projekts werden Erkenntnisse für den Pflanzenschutz in der Praxis erarbeitet, die zu einer signifikanten Reduktion von Akariziden beim Anbau von Kulturhopfen beitragen sollen ‒ idealerweise hin zu einer Situation, in der ein Akarizideinsatz eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Als Minimalziel wird angestrebt, im Durchschnitt den Verzicht auf eine Behandlung pro Hektar Hopfenfläche und Jahr zu erreichen, d.h. die Einsparung einer Behandlung auf über 20.000 ha pro Jahr.
Im ersten Projektjahr 2021 wurden 20 Kooperationsbetriebe angeworben, die Praxisflächen ausgewählt und jeweils die beiden Parzellen „unbehandelt“ und „gespritzt“ mit jeweils ca. 500 m² für die gesamte Projektdauer festgelegt. Mit einem Topfversuch im Gewächshaus wurde im Frühsommer 2022 begonnen. Dabei wurde eine Hälfte von 200 Hopfenpflanzen pro Sorte gezielt einem künstlichen hohen Spinnmilbenbefall ausgesetzt und die andere Hälfte mit Akarizid befallsfrei gehalten. Beide Kohorten der Sorten HTR, SSE und TET wurden im Frühjahr 2023 in einen Versuchsgarten im Freiland ausgepflanzt; HKS folgte später im Jahr. Diese Parzellen werden 2024 und 2025 regelmäßig auf ihre Spinnmilbenentwicklung bonitiert. Daneben werden Blattproben beider Kohorten für eine Untersuchung im GC-MS entnommen.
Während es in den Projektjahren 2021, 2023 und 2024 im Freiland nur zu geringem Spinnmilbenbefall kam, war 2022 ein ideales Jahr für die Spinnmilben. Deshalb konnte 2021 wie 2023 und 2024 kein negativer Einfluss des Spinnmilbenbefalls auf den Ertrag beobachten werden. Bei den jährlich beernteten HTR-Hopfengärten kam es aber 2022 zu Einbußen bei Qualität und Ertrag. In den übrigen Versuchsjahren gab es auch bei HTR keine Unterschiede zwischen Kontrolle und Praxis. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit und Hitze wurde 2022 wie 2024 auch in den Kontrollparzellen einiger HKS-Versuchsgärten spät ein hoher Spinnmilben-Befall erreicht. Dennoch wurde bei HKS in keiner Versuchsernte der Hektarertrag oder der Alpha-Säurengehalt durch den starken Befall beeinflusst. Bei den Sorten TET und SSE kam es in vier Jahren lediglich in einem Fall zu leichten Spinnmilbenschäden. Wenn es einen signifikanten Unterschied im alpha-Säuregehalt gab, war dieser immer in der Kontrollparzelle höher, da die Spinnmilbe die alpha-Säuren Produktion induziert.
Die ausgepflanzten Topfpflanzen, die bereits im Gewächshaus Erfahrung mit einem starken Spinnmilbenbefall gesammelt hatten (Indu) und die, die durch Akarizide spinnmilbenfrei gehalten wurden (PSM), wurden 2023 und 2024 im Versuchsgarten auf Spinnmilben bonitiert. Der Befall war sehr gering und es gab keine Unterschiede zwischen den unterschiedlich vorbehandelten Pflanzen.
Bei den Blattanalysen wurden die Peaks der GC/MS Spektren mit der NIST-Bibliothek verglichen und so vorläufig identifiziert. Die Auswertung der GC/MS Daten mittels MetaboAnalyst 6.0 zeigte, dass die Hopfenblätter der Sorten SSE und HKS Substanzen enthalten, die in den chemischen Profilen der anderen Hopfensorten nur in geringen Mengen oder gar nicht vorkommen. Die Hopfensorten zeigen also sortenspezifische chemische Profile. Inwieweit der Befall von Blattlaus und Spinnmilbe einen Effekt auf die Blattchemie hat, muss noch genauer analysiert werden, allerdings scheint die Substanz Methylsalicylat dabei eine wichtige Rolle zu spielen.
Zu Beginn des Projekts wurde eine Projektwebseite bei der LfL eingerichtet, um allen Interessierten eine Informationsmöglichkeit zu bieten (www.lfl.bayern.de/hopfen-induresi). Auf diese Webseite wird sowohl in Veröffentlichungen als auch in Vorträgen verwiesen, da sie stets aktuell gehalten werden soll.
Nach einer Pressemitteilung der LfL zum Projektstart wurde das Thema von diversen lokalen Tageszeitungen aufgegriffen und das Projekt vorgestellt. Jüngst wurde es auch im DBU-Newsletter vom Mai 2025 thematisiert. Zusätzlich erfolgten Veröffentlichungen in Fachzeitschriften.
In den bisherigen vier Projektjahren wurden unterschiedliche Zielgruppen im Rahmen von bislang 19 Vorträgen über das Projekt informiert – von größeren Hopfenbau-Versammlungen über die Bioland-Woche bis hin zu je einem internationalen Kongress in Spanien (2022), Slowenien (2023) und Tschechien (2024).
Daneben wird das Projekt laufend fachlich interessierten Besuchern des Hopfenforschungszentrums in Hüll im Rahmen von Führungen vorgestellt – so z. B. Studierenden der Agrarwissenschaften der ETH Zürich oder Bloggern, Influencern und Pressevertretern aus dem Brauwesen.
Im ersten Projektjahr ist es gelungen, 20 KUM-Hopfenbaubetriebe als Kooperationspartner für das Projekt zu gewinnen. Diese stellen insgesamt 31 Hopfengärten zur Verfügung, sodass für die vier im Projekt ausgewählten Hopfensorten jeweils fünf bis zehn Praxisflächen gefunden werden konnten.
Auf diesen Flächen werden über den gesamten Projektverlauf hinweg jeweils eine unbehandelte und eine gegen Spinnmilben gespritzte Parzelle beobachtet. Die regelmäßigen Bonituren aller 62 Projektparzellen auf Spinnmilbenbefall verlaufen planmäßig – ebenso die Versuchsernten.
Der Topfversuch begann im Frühjahr 2022; seit 2023 stehen die Pflanzen im Freiland zur Bonitur bereit.
Die Vorstellung des Projekts stieß in der Öffentlichkeit allenthalben auf reges Interesse.