Projekt 35861/01

Milieuschutz versus Klimaschutz? – Strategien zur Vereinbarung von klimagerechter mit sozialverträglicher Quartiersentwicklung (Vorphase)

Projektdurchführung

zukunftsgeraeusche GbR c/o Projektbüro TU Berlin FG Bauphysik und Baukonstruktionen Sekr. TIB1-B3
Gustav-Meyer-Allee 25 // Geb. 13 b
13355 Berlin

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens


In Milieuschutzgebieten wird ein Zielkonflikt zwischen sozialer Stadt und Klimaneutralita¨t deutlich, wenn durch die Kosten von energetischen Modernisierungen die soziale Erhaltung gefährdet ist. Damit ist die Anpassung des Geba¨udebestandes an die Anforderungen des Klimaschutzes derzeit schwer möglich. Energetische Sanierungen unterbleiben oder müssen im Falle versagt werden, um die Umlage der Kosten auf die Mieter*innen und damit soziale Folgen und Verdrängung auszuschließen. Mit den aktuellen Voraussetzungen und Interessenlagen wie auch Anreiz-Strukturen entsteht damit ein praktischer Widerspruch zwischen Milieu- und Klimaschutz. Das Projekt hat zum Ziel diese komplexe Problemstellung zu erschließen, um innovative, wissenschaftlich fundierte und umsetzungsfa¨hige sowie quartiersbezogene Strategien zu erarbeiten, die den Zielkonflikt, der insbesondere in Milieuschutzgebieten exemplarisch hervortritt, beilegen zu können – sprich für eine sozialverträgliche energetische Quartiersentwicklung.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Vorhaben gliedert sich insgesamt in zwei Phasen, die aufbauend und formativ die komplexe Materie aufbereiten und Lösungswege aufzeigen helfen. Gegenstand dieses Projekts ist die Phase EINS (Vorphase), die auf die Fortführung in einer Phase ZWEI zielt. Im Gesamt-Ergebnis soll ein „Werkzeugkasten“ mit Orientierungs- und Handlungsoptionen für Verwaltung, Eigentu¨mer*innen, Mie-ter*innen, Planung und Bauwesen entstehen. Das Projekt wird anhand von zwei Referenz-Quartieren in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf und Berlin Neukölln mit lokalen und übergeordneten Akteur*innen durchgeführt.
In Phase EINS werden dafür die Grundlagen gelegt. Die Arbeitspakete der Phase EINS sind entlang der Kompetenzen der beteiligten Partner*innen FG BES, insar, FG BB und zkg strukturiert. In einem partizipativen Ansatz werden zunächst Stakeholder*innen identifiziert, um einen kollaborativen und ko-kreativen Zugang zu den Problemstellungen zu erschließen. Eingeführt wird dieser Prozess mit der am FG BES entwickelten und von insar in der Praxis vertieften Methode „Urban Design Thinking“, im Workshop-Format mit zwei „MvK-Labs“. Parallel dazu wird ein Rechenmodell für eine integrierte CO2-äquivalente Quartiers-Bilanzierung durch das FG BB aufgestellt, um Wirkungen von bisherigen und zukünftigen Maßnahmen, insbesondere in Kombination und auf Quartiersebene, überprüfen zu können. Zudem bietet die Bilanzierung eine Grundlage zur digitalen Anwendung für Evaluation und Monitoring, die als Entscheidungshilfe die Partizipationsfa¨higkeit unterstützen kann. Die Aufgaben von zkg liegen in der Projektsteuerung, der Umsetzung des transdisziplina¨ren Dialogs und Arbeitsprozesses, die für sich eine durchgängige Säule des Projekts darstellen, sowie im Stakeholder*innen-Approach und in der digitalen Entwicklung.

Wesentliches Ziel der Phase ZWEI wird es sein, auf den Grundlagen der Phase EINS aufbauend, innovative Lo¨sungsstrategien sowie konkrete Maßnahmen zu entwickeln, deren ökologische und soziale Wirkungen zu erfassen und kontextuell zu bewerten, und diese Modellvorhaben in den Quartieren zuzuordnen.



Ergebnisse und Diskussion

Die erste Projektphase hat im Spiegel der klima- und energiepolitischen Aktualität eindrücklich die Relevanz der Thematik bestätigt, die anhand von Milieuschutzgebieten zugespitzt zu beobachten und untersuchen ist. Zunächst offenbarte der Stakeholder*innen-Approach ein differenziertes Feld von sachlichen und interessenseitigen Faktoren sowie strukturellen Hürden. Positiv dabei ist, dass ein übergeordnetes Verständnis für die dringliche Notwendigkeit, die klimatischen und sozialen Ziele zu vereinbaren, zu bestehen scheint – anhand der beteiligten Stakeholder*innen, die repräsentativ die unterschiedlichen Interessen abbilden. Dies zeigte sich in den Ergebnissen der „MvK-Labs“ und der Diskussion, im Bericht anhand der Statements wiedergegeben. Ebenso zeigte sich jedoch, dass auch die Beteiligung noch essenzielle Grenzen aufweist. Wesentlich sind die Beteiligung und die Bereitschaft sowie auch Möglichkeiten auf Eigentümer*innenseite zur sozialverträglichen energetischen Sanierung. Herausforderungen sind unter anderem die heterogene Einzeleigentümer*innenschaft, die für viele innerstädtische Lagen gegeben ist, womit der Untersuchung in den Referenzquartieren eine exemplarisch Relevanz zukommt. Andere strukturelle Hürden, wie in der Kommunikation und Information sowie in der Dynamik, Klarheit und Anwendbarkeit von Regelungen wirken verstärkend. Die ko-kreative Methode bestätigte sich als zielführend zur konsequenten Beteiligung, vor allem Identifikation von komplexen Problemstellung bzw. Erarbeitung kollaborativer Maßnahmen. Gleichzeitig sind breite Erschließung und Bewertung von bestehenden und zukünftig möglichen Maßnahmen essenziell. Für die klimatische Bewertung von Maßnahmen, erfolgte eine Bestands- und Datenerfassung und wurde eine CO2-äquivalente Berechnungsbasis geschaffen, bei der zunächst die maßgeblich beeinflussbaren emittierenden Sektoren Gebäude und Verkehr auf Quartiersebene betrachtet wurden. Dem folgt die Betrachtung weiterer einwirkender bzw. mindernder Faktoren sowie die CO2-Bilanzierung auf die in einem Haushalt bzw. Quartier lebenden Personen abzustellen. Zur digitalen Umsetzung sowie Anwendung wurden die Grundlagen gelegt. Demgegenüber, für die ganzheitliche Betrachtung der sozialen bzw. gesellschaftlichen Wirkungen, ist eine transdisziplinäre Bewertung von Nöten, basierend auf der Stakeholder*innen-Beteiligung sowie dafür eine systematische Erfassung im Kontext von Quartiers- sowie übergeordneten Faktoren. Wobei wechselseitig Einflussgrößen sozio-kultureller und ökonomischer, politischer und regulativer Art sowohl die sozialen als auch klimatischen Wirkungen betreffen. Die Grundlagen und Zugänge wurden mit den beteiligten Bezirksämtern für die Praxis reflektiert und dienten folglich der fortlaufenden Konzeption für die zweite Projektphase.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Mit der konsequenten Stakeholder*innen-Arbeit sowie den ko-kreativen „MvK-Labs“ waren die Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation des Vorhabens methodisch und inhaltlich integrierte und wesentliche Bestandteile der Projektarbeit. Die Stakeholder*innen wirkten dabei als Vertreter*innen und Multiplikator*innen bezüglich ihrer Interessen- und Zielgruppen. Hierdurch wurde das Projekt in den amtlichen und öffentlichen Gremien der Bezirke vermittelt, ebenso auf Landesebene sowie im fachlichen Kreis der Verbände und im wissenschaftlichen Umfeld über die Dissemination an der TU Berlin. Hierfür wurden zur Vermittlung digitale Inhalte bilateral, online sowie auch über soziale Medien zur Verfügung gestellt und verwendet.


Fazit

Die Phase EINS des MvK-Projekts hat einen multiperspektivischen und transdisziplinären Zugang zu der komplexen Problemstellung geschaffen und damit wesentliche Grundlagen gelegt, für die Entwicklung von Lösungsstrategien und die Umsetzbarkeit in Form von Maßnahmen und anhand von Modellvorhaben in der Phase ZWEI. Die Aktualität und Beispielhaftigkeit zur Vereinbarung der Zielstellungen, die zwischen Milieu- und Klimaschutz pointiert zum Ausdruck kommen, wurden während der Projektlaufzeit durch die klima-, geo-, energie- und gesellschaftlich-politischen Entwicklungen deutlich vor Augen geführt. Offensichtlich wurde zudem, dass energetische Modernisierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Klimaneutralität wesentlich abhängig von der Nutzung erneuerbaren Energien sind und die Betrachtung und Lösungen auf Quartiersebene gegenüber der Gebäudeebene größere Notwendigkeit besitzen. Dabei sind für die Konfliktmoderation insbesondere die geschaffenen Möglichkeiten zur ko-kreativen Beteiligung der Stakeholder*innen sowie zur Einordnung und Bewertung von Maßnahmen relevant. Bei der Einbindung von Stakeholder*innen werden identifizierte Hürden, wie bzgl. Eigentümer*innen, weiteren Entwicklungsbedarf erfordern. Zur Erfassung und Bewertung der klimatischen wie auch ganzheitlichen sozialen Wirkungen – und um diese zur Anwendung zu bringen – ist der Ausbau, für erstere, formativ auf der Quartiersebene und, für letztere, der wissenschaftlichen und methodischen Verfasstheit ein Gegenstand der Phase ZWEI.

Übersicht

Fördersumme

124.969,00 €

Förderzeitraum

14.12.2020 - 31.05.2022

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Umweltforschung