Projekt 35818/01

Entwicklung hochwertiger Architektur- und Infrastrukturbetone mit carbonatisierten Produktionsabfällen und klinkerreduzierten Zementen in der Betonrezeptur

Projektdurchführung

Hering Bau GmbH & Co. KG
Neuländer 1
57299 Burbach

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung nachhaltiger und hochwertiger Architektur- und Infrastrukturbetone. In den Betonrezepturen sollen Produktionsabfälle (Rezyklierte Gesteinskörnungen und carbonatisierte Betonschlammfraktionen) sowie klinkerreduzierte Zemente eingesetzt werden. Damit ergeben sich drei wesentliche Ansatzpunkte für nachhaltige Betonprodukte: (1) Die Rückführung von Produktionsabfällen in neue Produkte bedingt eine massenäquivalente Einsparung von Abfällen sowie von Primärmaterialien. (2) Die beschleunigte Carbonatisierung der genannten Materialien vor der Einbringung in die Rezeptur bindet einen Teil der produktionsbedingten CO2-Emissionen langfristig stabil in Form von Calciumcarbonat. (3) Der Einsatz klinkeroptimierter Zemente verbessert die CO2-Bilanz der Betonprodukte im Bereich der Zementsteinkomponente (energetisch und nicht-energetisch). Mit den drei genannten Aspekten trägt das Vorhaben dazu bei, den wachsenden Markt für nachhaltigere Architektur- und Infrastrukturbetone zu befriedigen und Produktverantwortung wahrzunehmen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Arbeitspaket (AP) 1 wurden nachhaltige Ausgangsstoffe für Architektur- und Infrastrukturbetone identifiziert und bewertet. AP 2 diente der Entwicklung und Festlegung einer Carbonatisierungsstrategie unter Berücksichtigung der in AP 1 festgestellten Materialeigenschaften. AP 3 war der Festlegung der Rezepturen unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus AP 1 und AP 2 gewidmet. Entsprechende Prüfkörper wurden unter Einsatz carbonatisierter und nicht-carbonatisierter Ersatz-Gesteinskörnung sowie unter Verwendung klinkeroptimierter Zemente hergestellt. An diesen wurden normgerechte Frisch- und Festbetonprüfungen vorgenommen. AP 4 bündelte diejenigen Tätigkeiten, die auf dem Weg der Markteinführung der neuen Produktformulierungen unerlässlich waren. Dies umfasste u. a. die Herstellung von Musterbauteilen. Dabei wurden diejenigen Rezepturen berücksichtigt, die in AP 3 bzw. der Fest- und Frischbetoneigenschaften sowie unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekte als vorteilhaft gegenüber den Referenzrezepturen bewertet wurden.


Ergebnisse und Diskussion

Von der Zementindustrie werden mittlerweile viele Zemente mit einem reduzierten Anteil von umweltschädlichem Zementklinker angeboten. So lassen sich durch die Verwendung hochwertiger Klinker-Ersatzstoffe wie zum Beispiel Hüttensand aus der Roheisen-Produktion oder Kalksteinmehl CO2-Emissionen sehr wirksam reduzieren. Nach einer umfassenden Recherche der Expert*innen der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) wurden folgende Zemente für die weiteren Studien ausgewählt:

• CEM II/B-M S-LL 42,5 R (Firma Dyckerhoff)
• CEM III/A 52,5 R Variodur 40 (Firma Dyckerhoff)

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden vier Rezepturen entwickelt, die für die Herstellung von Betonfertigteilen für Bahnsteige verwendet werden können. Es wurden jeweils zwei Betonrezepturen zu jeder der beiden Zementsorten ausgebildet – ohne und mit Recyclingzuschlag (RC-Material). Im Folgenden wurden die Rezepturen hinsichtlich der erforderlichen Betonfestigkeit sowie der Frost-Tausalz-Beständigkeit geprüft.
Da das modulare Bahnsteigsystem von Hering Bau auf Basis einer geprüften Typenstatik sowie einer Anwenderfreigabe der DB AG geplant und ausgeführt wird, müssen die Bahnsteigelemente die Festigkeitsklasse C35/45 (LP) erfüllen. Diese Festigkeitsklasse galt es auch mit den neuen Rezepturen zu erreichen. Die Festigkeitsprüfungen zeigten, dass die Werte der entwickelten Rezepturen, ohne und mit RC-Material, deutlich über den erforderlichen Mindestwerten liegen. Die Festigkeiten der Rezepturen mit RC-Material fallen gegenüber den Rezepturen ohne RC-Material etwas ab.
Frostschäden am Beton werden verstärkt durch Taumittel hervorgerufen und treten als flächige Abplatzungen und Ausbrüche auf. In der Regel wird als Taumittel auf Bahnsteigen Natriumchlorid verwendet, welches auch zu einer Korrosion der Bewehrung führen kann. Daher ist der Nachweis der hinreichenden Frost-Taumittel-Beständigkeit des Betons außerordentlich wichtig. Für die Rezepturen wurden Versuche zur Bestimmung des Frost-Tausalz-Widerstandes am Wilhelm Dyckerhoff Institut für Baustofftechnologie in Wiesbaden durchgeführt. Bei allen vier Rezepturen lagen die gemessenen Werte deutlich unterhalb des von der DB AG geforderten Grenzwertes von 800 g/m² (hinreichender Frost-Taumittel-Widerstand).
Somit können die neuen nachhaltigen Betonrezepturen als beständig gegen Frost-Taumittel-Einwirkung eingestuft werden.
Nicht zuletzt wurde im Rahmen des Forschungsprojektes eine Bilanzierung der CO2-Emissionen gemäß ISO 14067 durchgeführt. Dabei wurde die Rohstoffgewinnung der Betonkomponenten wie Zement, Wasser, Gesteinskörnung und Additive ebenso berücksichtigt wie der Transport vom Gewinnungsort bis zum Fertigteilwerk. Aus den durchgeführten Berechnungen lässt sich erkennen, dass eine Reduzierung der schädlichen Emissionen um bis zu 35 % möglich ist. Aktuell beträgt der Transportweg für das RC-Material noch 320 km, was sich negativ auf die Bilanz auswirkt. Der Grund: Derzeit existieren nur wenige Anbieter für zertifiziertes RC-Material. Hier muss das Ziel sein, die Transportstrecke auf maximal 50 km zu reduzieren.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

In folgenden Fachzeitschriften wurden bereits Artikel über das Forschungsprojekt und die entwickelten Betonrezepturen veröffentlicht.
1. Der Eisenbahningenieur, Ausgabe Mai 2024, Titel „Zukunftsgerechter Bahnsteigbau“
2. BFT International, Ausgabe November 2024, Titel „Zukunftsgerechter Beton für den Bahnsteigbau“


Fazit

Mit den entwickelten neuen Betonrezepturen lässt sich die Nachhaltigkeit von Betonfertigteilen deutlich verbessern – und zwar ohne Abstriche bei der Qualität. Die Rezepturen mit CO2-reduzierten Zementen sind ohne Verwendung von RC-Material normenkonform und werden von Hering Bau ab sofort für die Produktion von Fertigteilen aus Beton zum Einsatz kommen. Auch in der neuen DIN 1045-2(2023) wird die Anwendung von rezyklierter Gesteinskörnung für die Expositionsklassen XD3 und XM1 noch nicht zugelassen. Aus diesem Grund muss für diesen Anwendungsfall ein spezieller Verwendungsnachweis erbracht werden. Daher wird beabsichtigt, für die RC-Betone eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) zu beantragen. Nach der Erteilung der Genehmigung kön-nen dann auch die RC-Betone zur Anwendung kommen – ein entscheidender weiterer Schritt für den Klimaschutz und das nachhaltige Bauen.

Übersicht

Fördersumme

124.974,00 €

Förderzeitraum

01.04.2022 - 30.09.2024

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter