Das SÜDWIND-Institut unterstützt in den Jahren 2020-2022 die Steigerung des Einsatzes von Bio-Fairtrade-Baumwolle in Flachwäscheprodukten bei KMU (Großverbraucher, Textilserviceunternehmen, Anbieter). Bei Flachwäsche wird dabei der Fokus vor allem auf Bettwäsche und Frottierwäsche gelegt. Ein höherer Anteil von Bio-Baumwolle trägt zur Entlastung von Gewässern und Böden und zur Bio-Diversität in den Anbaugebieten bei. In Kombination mit Fairtrade werden die Einkommen und Arbeitsbedingungen von Farmer*innen und Feldarbeiter*innen verbessert. Anlass für das Vorhaben ist der extrem geringe Anteil von Bio-/Fairtrade-Baumwolle an der Weltproduktion von Baumwolle (knapp 0,7 % Bio-Baumwolle an 26 Mio. Tonnen Weltproduktion 2018/19; wenige Tausend Tonnen Fairtrade-Baumwolle) sowie die nicht ausreichende Berücksichtigung von Arbeitsstandards für Feldarbeiter*innen auf Bio-Baumwollfarmen. Auch bei kleinbäuerlichen Bio-Fairtradefarmen scheint es noch Verbesserungspotenzial für die Arbeitsbedingungen von Feldarbeiter*innen zu geben.
SÜDWIND will deshalb mit dem Vorhaben
(1) die Steigerung des Anteils von Bio-Fairtrade-Baumwolle am gesamten Baumwollverbrauch im deutschen Markt unterstützen und so die Erreichung des Steigerungsziels der Mitglieder des Textilbündnisses (20 % Bio-Baumwolle bis 2025) fördern. Konkret werden 5-8 KMU bei der Integration von Bio-Fairtrade-Baumwolle in ihre Wertschöpfungskette unterstützt.
(2) zu fairen Arbeitsbedingungen auf Bio-Baumwollfeldern und damit zu einem sozial-ökologischen Anbau beitragen;
(3) zur Integration von Nachhaltigkeitskriterien für den Anbau von Baumwolle in die Entwicklungsstufe des staatlichen Siegels Grüner Knopf beitragen.
Projektmaßnahmen im Rahmen des Vorhabens sind:
- Aufbau eines Netzwerks und Wissenspools zu Beschaffung und Angeboten von Flachwäsche aus Bio-Fairer Baumwolle aus Großverbrauchern, Textilserviceunter-nehmen, Anbietern, Fachverbänden und –initiativen;
- Analyse und Verbesserung der Arbeitsrealität auf Bio-Fairtrade-Farmen in Indien in Kooperation mit dem indischen SÜDWIND-Partner „Prayas Center for Labor Research and Action“;
- Dialogformate, Fachgespräche und Abschlussveranstaltung mit allen relevanten und interessierten Akteur*innen zur Erreichung der Projektziele.
Im ersten Projektjahr (bis September 2021) hat SÜDWIND im Rahmen des Projektes
• 1 Flyer, 1 Factsheet „Zertifiziert – und dann ist alles gut?“ und 4 Blogbeiträge veröf-fentlicht;
• eine Vor-Ort-Recherche mit dem indischen Partner Center for Labour Research and Action geplant, durchgeführt, ausgewertet und die Ergebnisse veröffentlicht (s. Factsheet);
• ein digitales Fachgespräch zur Erweiterung der Kriterien des Grünen Knopfs um Na-turfasern mit den zivilgesellschaftlichen Mitgliedern des Textilbündnisses, dem BMZ und der Geschäftsstelle des Grünen Knopfes durchgeführt;
• ein digitales Fachgespräch zu den Ergebnissen der Indien-Recherche unter dem Titel „Zertifiziert – und dann ist alles gut?“ mit interessierten Expert*innen aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Standardorganisationen durchgeführt;
• Dialoge mit Anbietern und Nutzern von Flachwäsche geführt;
• die Erkenntnisse aus dem Projekt in die Fachgruppe Naturfasern und die Bündnisini-tiative Bio-Baumwolle des Textilbündnisses eingebracht
• und einen digitalen Verteiler aus mehr als 100 Adressen aufgeteilt, der über die Pro-jektmaßnahmen und Fachfragen informiert wird.
Im zweiten Projektjahr (Sept. 2021 – Sept. 2022) hat SÜDWIND im Rahmen des Projektes:
• zwei Factsheets und fünf Blogbeiträge veröffentlicht;
• eine zweite Vor-Ort-Befragung in Indien in Kooperation mit dem indischen Partner Center for Labour Research and Action geplant, durchgeführt, ausgewertet und die Ergebnisse veröffentlicht (s. Factsheet „Zertifiziert und dann ist alles gut? Ein Up-date“);
• in der Expert*innengruppe Naturfasern des Textilbündnisses mitgearbeitet;
• Dialoge mit Anbietern und Nutzern von Flachwäsche geführt;
• die Vernetzung mit relevanten Akteur*innen über LinkedIn ausgebaut;
• das Projekt bei einem Stand auf der Nachhaltigkeitsmesse NEONYT in Frankfurt a.M. vorgestellt;
• an Expert*innengesprächen zur Revision des Blauen Engels sowie des Grünen Knopfs teilgenommen;
• eine Abschlussveranstaltung (Präsenz) in Bonn in Kooperation mit der Stadt Bonn durchgeführt.
Die Steigerung des Anteils an Bio-Fairtrade-Baumwolle im deutschen Markt wurde unterstützt durch
• die Veröffentlichung einer Marktanalyse zu Anbietern von Flachwäsche und Arbeitskleidung aus Bio-Fairtrade-Baumwolle (s. Blog „Flachwäsche aus bio-fairer Baumwolle - wer hat das im Angebot?“);
• bilaterale Dialoge mit den Firmen Alpirsbacher Wäscherei, Dibella, Kettelhack, Koppermann, dem Wäschereiverbund Servitex, dem Deutschen Textilreinigungsverband DTV und der Webe-rei Pahl sowie mit den Nutzern / Großverbrauchern AWO-Initiative „klimafreundlich pflegen“, Augustinum, eko: Die Einkaufskooperation, Diakonie Himmelsthür und DiakoVere. Die Gesprä-che steigerten das Bewusstsein und die Kenntnis der Gesprächspartner*innen über nachhaltige Angebote von Textilien, die Möglichkeit, Bio-Baumwolle statt konventioneller Baumwolle in den eigenen Produkten einzusetzen und die Vernetzung zwischen den Akteur*innen. Auch die Fra-ge, inwiefern Langlebigkeit zur Nachhaltigkeit beiträgt, wurde ausgiebig erörtert.
Aktuelle Zahlen aus dem Textilbündnis zeigen: Während im Jahr 2018 der Anteil von Bio-Baumwolle (inkl. Baumwolle in Konversion) in der Gesamtbeschaffung von Baumwolle durch die Mitglieder des Textil-bündnisses bei 10,5 % (Gesamtmenge 790.497 t) lag, konnte er bis einschließlich 2020 auf 14,7 % (Ge-samtmenge 971.470 t) gesteigert werden. Der Anteil sonstiger nachhaltiger Baumwolle, zu der auch Fairtrade-Baumwolle gezählt wird, stieg im selben Zeitraum von 21,7 % auf 50,4 %. Leider gibt es nur für 2018 eine standardspezifische Aufschlüsselung, laut der knapp 900 Tonnen Fairtrade-Baumwolle von Mitgliedern des Textilbündnisses genutzt wurden. Ob diese Menge 2020 niedriger oder höher war, ist aus den Zahlen, die das Bündnissekretariat seinen Mitgliedern zur Verfügung gestellt hat, nicht abzuleiten. In Bezug auf Bio-Baumwolle besteht eine realistische Chance, dass das Textilbündnis seine Steigerungs-ziele bis 2025 erreicht.
Die Zielgruppen haben durch die neun Blogbeiträge (insgesamt 2.803 Aufrufe, durchschnittlich 311 pro Blogbeitrag), die vier Factsheets (durchschnittlich 136 Downloads pro Factsheet und 121 Vertrieb), die zwei Vor-Ort-Befragungen in Indien und die Publikation der Ergebnisse, den Aufbau eines Mailverteilers von ca. 100 Adressaten und von knapp 300 LinkedIn-Kontakten sowie fünf Beiträgen / Artikeln in diver-sen Medien (print und digital) ihr Wissen über Bio- und Fairtrade-Standards (Inhalte, Verfügbarkeit, Marktstrukturen) verbessert und sind auch über das Projektende hinaus vernetzt.
Mit einem Fachgespräch zum Grünen Knopf im September 2021 hat SÜDWIND einen Beitrag zur Auf-nahme von Anbaukriterien in den Grünen Knopf 2.0, der ab Sommer 2022 in Kraft trat, geleistet.
Die Ergebnisse von zwei Vor-Ort-Befragungen in Indien wurden von SÜDWIND in Kooperation mit CLRA ausgewertet und im Rahmen eines Fachgesprächs im September 2021 an die Zielgruppen kommuniziert und mit Fairtrade Deutschland diskutiert. Von den 47 Teilnehmenden des Fachgesprächs beteiligten sich 18 an der Feedback-Runde. 82 % waren zufrieden oder sehr zufrieden mit der Veranstaltung. Für 83 % war die Veranstaltung nützlich oder sehr nützlich für ihre Arbeit zu Nachhaltigkeitsthemen. Genauso viele waren zufrieden mit Organisation, Moderation, Ablauf und technischem Support der Veranstaltung.
Am 21. Juni 2022 fand die Abschlussveranstaltung des Projekts in Kooperation mit der Stadt Bonn und unter Anwesenheit von 35 Teilnehmenden in Präsenz statt. Durch die Veranstaltung konnte eine der teil-nehmenden Gesundheitseinrichtungen, die in den kommenden Jahren ihre textile Beschaffung nachhalti-ger gestalten will, mit drei Anbietern nachhaltiger Textilien vernetzt werden. Das Feedback auf die Ver-anstaltung, das per Mail mit der Zusendung der Präsentationen an die Teilnehmenden erbeten wurde, fiel sehr positiv aus. Hier einige Zitate: „Vielen Dank auch für die interessante und aufschlussreiche Veran-staltung am Dienstag. Können Sie mich für Informationen bezüglich weiterer Veranstaltungsformate bitte in den Verteiler aufnehmen?“ / „Vielen Dank für die Vernetzung und nochmal ein großes Lob für die tolle Veranstaltung ????“ / „Danke für die tolle Veranstaltung. Vor allem dafür, dass ihr es geschafft habt einen ehrlichen und offenen Austausch zu den diversen, sich auch entgegenstehenden, Problemlagen in der nachhaltigen Textilbeschaffung zu ermöglichen!“
Die gesamte Projektlaufzeit lag in einer von mehreren Krisen geprägten Zeit: Zunächst führte die Corona-Krise und die durch sie veranlassten Lockdowns zu erheblichen arbeitsmäßigen und finanziellen Belas-tungen der Zielgruppen, speziell von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und von Hotels. Zum anderen trugen die durch die Lockdowns bedingten Probleme in den globalen Lieferketten zur Verteuerung von Rohstoffen bei, die nachhaltige Baumwollfasern noch einmal teurer machten. Ab Februar 2022 trug schließlich der russische Krieg gegen die Ukraine zu einer weiteren Störung von Lieferketten, Preisstei-gerungen
Die Maßnahmen des Projekts bestanden aus einer Mischung von nicht-öffentlichen, bilateralen Dialog-formaten und öffentlich zugänglichen Publikationen und Veranstaltungen. Letztere bleiben auch weiterhin öffentlich zugänglich und SÜDWIND wird auch über das Projektende hinaus ansprechbar für nachhaltige Beschaffung durch Großverbraucher sein, auch wenn für diesen Schwerpunkt keine unmittelbare An-schlussfinanzierung besteht.
Da SÜDWIND seit mehr als zwei Jahrzehnten zu sozialen Bedingungen in der textilen Kette arbeitet und seit 2011 speziell auch zu den sozialen und ökologischen Aspekten im Baumwollanbau, wird auch inhalt-lich das Thema weiterverfolgt werden. Denn trotz Erreichen der Teilziele des Projekts bleibt die Steige-rung des Bio-Fairtrade-Anteils am Baumwollmarkt eine große Aufgabe – sowohl bei Großverbrauchern von Flachwäsche als auch bei Einzelkonsument*innen oder in anderen Textilsegmenten (z.B. Berufsbe-kleidung, Mode). Die Erkenntnisse und Kontakte aus dem Projekt stellen für diese Aufgabe, zu der SÜDWIND weiterhin beitragen möchte, eine gute Ausgangsbasis dar.
Darüber hinaus wird SÜDWIND die Erkenntnisse und Materialien aus dem Projekt über die Projektdauer hinaus in der Bildungs- und Kampagnenarbeit einsetzen. Die im Projektverlauf entstandenen Kontakte sowie das aufgebaute Netzwerk sollen auch über die zeitliche Dauer des Projekts hinaus gepflegt wer-den. Perspektivisch ließe sich mit den erfolgreich erreichten KMU auch eine Zusammenarbeit zu weiteren Nachhaltigkeitsaspekten in ihren textilen Produkten (z.B. in der industriellen Verarbeitung) u.a. im Rah-men des Textilbündnisses entwickeln. Dasselbe gilt für die Nachhaltigkeitsstandards Grüner Knopf und Fairtrade: Die Anforderungen beider Standards sollten durch das Projekt positiv beeinflusst werden. Die Maßnahmen des Projekts waren hierfür aber nur ein erster Schritt, denn nach der Aufnahme von Anbau-kriterien für Baumwolle (Grüner Knopf 2.0) bzw. der angestoßenen Diskussion zur besseren Berücksich-tigung von Saisonarbeiter*innen (Fairtrade) bedarf es vor allem einer Verbreitung der Standards am Markt, zu der SÜDWIND im Rahmen von Folgeprojekten beitragen könnte.
Betrachtet man die reinen Zahlen zum Anteil von Bio-Baumwolle am Baumwollweltmarkt, so lässt sich seit Projektbeginn eine deutliche Steigerung feststellen, wie die folgende Tabelle zeigt, die die Aus-gangssituation der Saison 2017/18 mit der Saison 2020/21 (den aktuellsten verfügbaren Daten) ver-gleicht.
Saison 2017/18 Saison 2020/21
Weltproduktion Baumwolle 26 Mio. Tonnen 24 Mio. Tonnen
Produktion Bio-Baumwolle 180.871 Tonnen 342.265 Tonnen
Zahl Farmer:innen 182.876 229.280*
Länder mit Bio-Anbau (Baumwolle) 19 21
Fläche Bio-Anbau (Baumwolle) 356.131 ha 621.691 ha
Fläche Bio-Anbau in Umstellung 44.394 ha 293.204 ha
* Angabe für 2019/20
Trotz der bereits genannten Schwierigkeiten (Pandemie, Russland-Krieg, Lieferkettenunterbrechungen und Preissteigerungen) zeichnet sich also ein Wachstumstrend in der Nutzung von Bio-Baumwolle ab. Dieser Trend und das Projekt haben sich wechselseitig befruchtet. Insofern hat sich die Vorgehensweise des Projekts bewährt. SÜDWIND hat die o.g. Teilziele erreicht (s. 1.2) und dadurch einen Beitrag zur Steigerung des Anteils von Bio-Fairtrade-Baumwolle am gesamten Baumwollverbrauch im deutschen Markt geleistet.
Dennoch muss konstatiert werden, dass der Zeithorizont konkreter Beschaffungsvorgänge bei Großver-brauchern zu lang ist, um innerhalb einer zweijährigen Projektlaufzeit zu einer messbaren Umstellung auf die Beschaffung nachhaltiger Textilien führen zu können. In der Projektlaufzeit gelangen dementspre-chend nur die ersten Schritte in diesem Prozess: der Kontaktaufbau, der Austausch, die Wissensvermitt-lung und die Vernetzung zwischen Großverbrauchern und Anbietern. Eine konkrete Beschaffung nachhal-tiger Textilien durch die Maßnahmen des Projekts ist in der Projektlaufzeit nicht erfolgt bzw. SÜDWIND nicht zur Kenntnis gekommen. Eine Projektlaufzeit von fünf Jahren wäre der Veränderung konkreter Be-schaffungsprozesse angemessener.