Projekt 35453/01

Mob Grazing in Nordost-Deutschland Evaluation eines neuen Beweidungsverfahrens

Projektdurchführung

Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde FB Landschaftsnutzung und Naturschutz Nachhaltige Grünlandnutzungssysteme und Grünlandökologie
Schicklerstr. 5
16225 Eberswalde

Zielsetzung

Extensiv genutztes Dauergrünland ist durch die Einstellung der Bewirtschaftung massiv gefährdet, da Grünland ohne Nutzung der Sukzession unterliegt. Grund für die Nutzungsaufgabe von extensivem Grünland sind häufig minderwertige Futtererträge und -qualitäten, so dass eine kostendeckende Bewirtschaftung kaum möglich ist. Verschärft wird diese Situation durch die allgemeine Klimaerwärmung mit steigenden sommerlichen Temperaturen und zunehmenden Trockenperioden. Der ohnehin trockenheitsgefährdete Nordosten Deutschlands ist hiervon besonders betroffenen.
Das Beweidungsverfahren Mob Grazing könnte ein Lösungsansatz sein, um die Bewirtschaftung von extensiven trockenheitsgefährdeten Grünlandflächen attraktiver zu machen und damit auch die Naturschutzleistungen dieser Flächen zu erhalten. Im Mob Grazing, das aus trockenen Erdregionen stammt, werden für eine kurze Besatzzeit von unter einem Tag relativ viele Tiere auf eine kleine Fläche mit hohem Aufwuchs getrieben. Dabei ist gewollt, dass die Tiere nur ca. 50 % des Aufwuchses fressen, der Rest soll niedergetrampelt werden und als Mulchschicht den Boden vor dem Austrocknen bewahren und so für stabilere Folgeaufwüchse sorgen.
Das Forschungsprojekt „Mob Grazing in Nordost-Deutschland“ hat zum Ziel, das in Mitteleuropa neuartige Weideverfahren für trockene und extensive Grünlandflächen zu erproben. Durch die innovative Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen Produktionsverfahrens „Mutterkuhhaltung“ soll somit ein Beitrag zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität dieser Flächen geleistet werden. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen Mob Grazing mit der gezielten Bildung einer Mulchschicht auf die Vegetationszusammensetzung und den Lebensraum für Insekten hat. Neben den naturschutzfachlichen Auswirkungen wurde insbesondere die Umsetzbarkeit des Beweidungsverfahrens für den landwirtschaftlichen Betrieb adressiert. Hier steht im Fokus, wie das innovative und in Mitteleuropa neue Weideverfahren unter nordostdeutschen Standort- und Betriebsbedingungen im Dauergrünland realisiert werden kann. Daneben sind die Flächenerträge, die Zunahmen der Rinder und auch die Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit von Interesse. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen Akteuren des Naturschutzes, landwirtschaftliche Berater*innen und Landwirt*innen zur Verfügung stehen und so eine Entscheidungsgrundlage für die Beweidung von extensivem Grünland mit Mob Grazing bilden.

Arbeitsschritte

Auf einer naturschutzfachlich wertvollen 21 ha großen Grünlandfläche des Landwirtschaftsbetriebes und Kooperationspartners „Weidewirtschaft Liepe“ wurde das Beweidungsverfahren Mob Grazing mit einer betriebseigenen Angus-Mutterkuhherde und den mitlaufenden Kälbern eingeführt. Zum Vergleich wurde eine 12 ha große Grünlandfläche ähnlicher natürlicher Ausstattung mit der im Betrieb üblichen Umtriebsweide untersucht. Bei beiden Flächen handelt es sich um stark reliefierte Dauergrünlandbestände mit artenreichen Trockenrasen- und Halbtrockenrasenanteilen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Während vom Landwirtschaftsbetrieb neben Flächen und Rindern weitere Hilfsmittel und Arbeitszeit in das Projekt mit eingebracht wurden, lag die Verantwortung für die Organisation und Evaluation des Weideverfahrens bei der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
Im ersten Jahr des Projektes stand die Einführung des Weideverfahrens Mob Grazing im Vordergrund. Hierfür musste zunächst eine passende Weidestruktur geschaffen werden, indem eine Wasserleitung verlegt und mit mobilen Elektrozäunen Weidekorridore von je 100 m Breite geschaffen wurden. Innerhalb der Korridore wurden die einzelnen Weideparzellen flexibel abgetrennt, für deren Umtrieb automatische Weidezaunöffner zum Einsatz kamen. Nachdem die Trampeleffekte in Form einer Mulchschicht zwar im ersten Versuchsjahr bei zwei Umtrieben pro Tag bereits sichtbar, aber noch nicht zufriedenstellend waren, wurden die Rinder ab 2022 drei Mal täglich auf nochmals kleinere Parzellen umgetrieben und so höhere Besatzdichten und ein zufriedenstellender Trampeleffekt erreicht. Das Weideverfahren Mob Grazing konnte so erfolgreich eingeführt werden.
Für die Untersuchung der flächengebundenen Parameter wurden auf der Mob Grazing Versuchsfläche und der Referenzfläche mit Umtriebsweide jeweils sieben Transekte mit je fünf Transektpunkten eingerichtet. Hier wurden während der drei Versuchsjahre 2021-2023 Parameter zur Umsetzung des Weideverfahrens aufgenommen und analysiert. Auch Vegetationsaufnahmen und Bodenparameter konnten so zwischen den Weideverfahren verglichen werden. Die Auswirkung von Mob Grazing auf die faunistische Diversität wurde anhand eines Vergleiches der Lebensraumansprüche der vorkommenden Insektenarten mit den Veränderungen auf die Habitatqualität durch Mob Grazing eingeschätzt. Zudem wurden die tierischen Leistungen in Form von Gewichtszunahmen unter Mob Grazing und Umtriebsweide untersucht und verglichen.

Ergebnisse

Das Monitoring der Weideparameter zeigte, dass ab dem zweiten Versuchsjahr 2022 die wesentlichen Kriterien für das Weideverfahren Mob Grazing erreicht wurden. Mit drei Umtrieben pro Tag – zwei 6-Stundenintervalle tagsüber und ein 12-Stundenintervall nachts – wurde eine Besatzdichte von 150.000 kg LM/ha in der Frühjahrs- und 100.000 kg LM/ha in der Sommerrotation erreicht – entgegen 2000-6500 kg LM/ha bei Umtriebsweide. Durch die längeren Rastzeiten wurde bei Mob Grazing im ersten Aufwuchs mit ca. 1,5 t/ha mehr Gesamtbiomasse kurz vor der Beweidung erreicht als bei der Umtriebsweide mit 1,2 t/ha. Der Weideertrag, also das Futter, das tatsächlich von den Tieren gefressen wurde, betrug allerdings aufgrund der gezielt hohen Weidereste dennoch im ersten Aufwuchs nur ca. 0,7 t/ha bei Mob Grazing und ca. 1 t/ha bei Umtriebsweide.
Bei Mob Grazing konnten zwei Weiderotationen pro Vegetationsperiode im Vergleich zu drei bei Umtriebsweide durchgeführt werden. Indirekt über die Weidetiertage kalkulierte Weideerträge bestätigen, dass der Weideertrag bei Mob Grazing im Projektzeitraum etwa 50 % des Umtriebsweide-Ertrages betrug. Die Futterqualität der gesamten Biomasse war entsprechend der älteren Aufwüchse im Mob Grazing Rohfaser-reicher und Protein-ärmer als bei Umtriebsweide – ca. 30 vs. 23 % XF und ca. 9 vs. 11 % XP im ersten Aufwuchs. Mob Grazing-Weidefutterproben, die mit simuliertem Fressverhalten der Rinder gewonnen wurden zeigten überraschenderweise nur eine gering bessere Futterqualität. Die Zunahmen der Kälber, die ein entscheidender Leistungsparameter in der Mutterkuhhaltung sind, unterschieden sich dennoch nicht zwischen den Weideverfahren und waren mit ca. 1000 g/Tag sehr zufriedenstellend. Die Zunahmen der Kühe waren – vermutlich durch das immer üppige Futterangebot bei Mob Grazing – sogar signifikant höher.
Auswirkungen von Mob Grazing auf Indikatoren der Bodenfruchtbarkeit konnten während des Versuchszeitraumes nicht nachgewiesen werden. Die Vegetationszusammensetzung veränderte sich, allerdings auf der Mob Grazing Versuchsfläche und der Referenzfläche mit Umtriebsweide in gleicher Weise: insgesamt waren 2022 signifikant weniger Arten zu verzeichnen, die Deckung der Obergräser, der Rote-Liste-Arten und der kleinwüchsigen, lichtbedürftigen Arten nahm ab. Diese Entwicklung ist vermutlich auf die Witterungsbedingungen mit einem relativ niederschlagsreichen Jahr 2021 und einem von Frühjahrs- und Spätsommertrockenheit geprägten Jahr 2022 zurückzuführen.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Ergebnisse aus dem Projekt „Mob Grazing in Nordost-Deutschland“ wurden einerseits bereits während des Projektverlaufes auf vielfältige Weise zugänglich gemacht und diskutiert, andererseits sind weitere Transferaktivitäten wie ein Praxisleitfaden und weitere Tagungsbeiträge geplant und schon im Entstehen. Insgesamt wurden bereits 5 Transferpublikationen in Fachzeitschriften wie dem Bioland Fachmagazin, der Zeitschrift Ökologie und Landbau oder im Radio veröffentlicht. Regelmäßige Anfragen für Referent*innen aus dem Projektteam zeugten von großem Interesse an dem Weideverfahren Mob Grazing im Dauergrünland. Insgesamt konnten die Ergebnisse und Erfahrungen so bei acht Vorträgen auf Praktikertagungen und Feldtagen und bei zwei Tagungsbeiträgen bei angewandten wissenschaftlichen Tagungen weitergegeben und diskutiert werden. Bei dem projekteigenen Feldtag im September 2022 in Liepe informierten sich 30 Teilnehmende aus Praxis, Beratung und Naturschutzverwaltung zum Mob Grazing. Durch die Einbindung des Projektes in die Lehrtätigkeiten an der Hochschule konnten die Ergebnisse zum Weideverfahren Mob Grazing auch direkt an die zukünftigen Akteure im Landwirtschafts- und Naturschutzbereich weitergegeben und diskutiert werden.

Netzwerk Mob Grazing

Fazit

Das in Mitteleuropa neuartige Weideverfahren Mob Grazing konnte erfolgreich in einem nordostdeutschen Mutterkuhbetrieb auf einer naturschutzfachlich wertvollen Dauergrünlandfläche umgesetzt werden. Im Projekt konnten die Weideparameter und das Weidemanagement so angepasst und erprobt werden, dass die wesentlichen Charakteristika von Mob Grazing wie lange Rastzeiten, schnelle Umtriebe, hohe Besatzdichten und die Erzeugung einer Mulchschicht erreicht wurden. Das nötige Wissen zur Umsetzung von Mob Grazing ist nun vorhanden und steht Praktiker*innen zur Verfügung, so dass zukünftig darauf aufgebaut werden kann.
Aus landwirtschaftlicher Sicht hat Mob Grazing zu einem deutlich geringeren Weideertrag pro ha geführt, während die Zunahmen der Kälber und Kühe sehr gut ausfielen. Im dreijährigen Versuchszeitraum konnte Mob Grazing (noch?) zu keiner messbaren Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und Trockenheitsresilienz führen. Negative Auswirkungen auf die floristische Artenausstattung wurden nicht beobachtet, können aber bei längerem Einsatz von Mob Grazing durch die dreijährigen Projektergebnisse nicht ausgeschlossen werden.
Mob Grazing könnte eine sehr gute Bewirtschaftungsalternative für extensive trockenheitsgefährdete Dauergrünlandflächen sein, wenn eine großzügige Flächenausstattung gegeben ist. Bei naturschutzfachlich wertvollen Flächen sollte allerdings die Entwicklung der Naturschutz-Zielparameter beobachtet werden.

Übersicht

Fördersumme

199.425,00 €

Förderzeitraum

01.01.2021 - 31.12.2024

Bundesland

Brandenburg

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz