Leder und Kunstleder decken als Flächenwerkstoffe ein breites Spektrum für Konsumgüter ab. Als Ersatz für etablierte Werkstoffe erscheinen am Markt spezielle Trendsubstitute, welche für sich in Anspruch nehmen, nachhaltig zu sein und Leder und Kunstleder vollständig ersetzen zu können.
Das Vorhaben diente der Entwicklung einer Methode und deren Anwendung für eine vergleichende Ökobilanz auf Basis der DIN EN 14040 auf dem Gebiet der Gebrauchsgüter aus Leder, Kunstleder und Trendsubstituten. Hauptziel war die Bewertung und der Vergleich der Nachhaltigkeit dieser Werkstoffe hinsichtlich Herstellung, Nutzung und Entsorgung. Mit dem Vorhaben sollten valide Entscheidungshilfen, essentielle Parameter und Benchmarks für Industrie und Verbraucher bereitgestellt und eine Schärfung des Bewusstseins im Kauf- und Nutzungsverhalten hinsichtlich ökologischer Produktmerkmale wie Ressourcenlage, Material- und Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Nutzungsdauer erreicht werden.
in einer branchenübergreifenden Zusammenarbeit von zwei mittelständischen Unternehmen und einer unabhängigen Industrieforschungseinrichtung wurde durch das Projekt an konkreten Produkten technologisches, werkstoffkundliches und ökologisches Know-how für eine vergleichende Ökobilanz zwischen Leder, Kunstleder und modischen Trendsubstituten gewonnen.
Die Arbeiten führten zu einer vergleichenden Produkt- und Verfahrensökobilanz für weiche Flächenwerkstoffe gemäß den Vorgaben der DIN EN 14040. Konkret wurden drei Möbelleder und zwei PVC-Schaumkunstleder untersucht. Zusätzlich wurden modische Trendsubstitute als "vegane Alternativprodukte" einbezogen.
Die Sachbilanzen konzentrierten sich auf gerbereitechnische Prozesse von der Rohware bis zum Fertigleder bzw. alle Streich- und Beschichtungsprozesse vom textilen Träger bis zum fertigen Kunstleder. Innerhalb der Sachbilanzen wurden außerdem die Ressourcenlage, Vorketten sowie die Produktqualität im Sinne der Nachhaltigkeit betrachtet. Zur Bewältigung der Aufgabe wurde eine spezielle Methodik durch die Anwendung des Pareto-Prinzips entwickelt und angewandt. Des Weiteren wurde in einer Modellrechnung gezeigt, wie der Vergleich auf eine Cradle-to-Grave-Bilanz erweitert werden kann. Dabei wurden die Einflüsse von Design, Verarbeitung und die mittlere Nutzungsdauer berücksichtigt.
Das Vorhaben erarbeitete eine vergleichende Ökobilanz nach DIN EN 14040 zwischen Leder, Kunstleder und alternativen Trendsubstituten. Der Vergleich wurde für die Anwendung als Möbelbezugsmaterial geführt. Die Ergebnisse stellen eine Momentaufnahme der betrachteten Produktsysteme dar. Schwerpunkt der Arbeiten waren Aussagen zur Nachhaltigkeit dieser Werkstoffe an Hand ihrer Ökobilanzen. Da der Aufwand für die Erstellung von Ökobilanzen sehr hoch ist, musste eine für die Ressourcen der beteiligten Unternehmen und den vorhandenen Projektmitteln angemessene Methode entwickelt werden. Dies gelang u. a. durch die Anwendung des Prinzips von Pareto (80:20-Regel). Maßgebliche Einflussfaktoren wurden im Sinne eines zweckgebundenen Modells
(Produktvergleich) verdichtet und ein vereinfachtes Abbild von Ausschnitten der Wirklichkeit hergestellt. Der Erkenntnisgewinn des Vorhabens basierte auf der Einheitlichkeit von Methode und Interpretation der betrachten Produktionssysteme in Proportion zueinander. Für das Projekt stellten die Projektpartner aus ihrer aktuellen Produktion Daten und Materialmuster von zwei Kunst- und drei Rindledern zur Verfügung. Es handelte sich um ein konventionelles PVC-Schaumkunstleder, ein PVC-Schaumkunstleder mit einem hohen Anteil biobasierter Weichmacher, ein Leder mit konventioneller Gerbung mit Chrom-III-salzen und zwei Ledertypen, welche unter ausschließlicher Verwendung vegetabiler und synthetischer Gerbstoffe hergestellt werden. Verschiedene Anbieter von Trendsubstituten wurden für die Bereitstellung von Informationen und Produktmustern herangezogen.
Jedes der untersuchten Produktsysteme wies für die verschiedenen Umweltaspekte individuelle Stärken und Schwächen auf. Ein hoher Anteil nachwachsender Rohstoffe führt im Vergleich zu konventionellen Technologien in der Regel zu höheren Aufwendungen in den Vorketten und zu Verschiebungen in den Umweltwirkungen. So bewirken bspw. PVC-Weichmacher auf Basis nachwachsender Rohstoffe einen energetischen Mehraufwand gegenüber dem konventionellen PVC-Schaumkunstleder. Die Ökobilanz der beiden chromfrei gegerbten Leder ist mit einem signifikant höheren Flächenbedarf gegenüber dem Chromleder verbunden. Eines der beiden Leder stellte ein vegetabil gegerbtes Anilinleder dar. Hier bewirkte der Verzicht auf eine polymere Deckzurichtung einen geringeren spezifischen Energieverbrauch.
Die Bilanzierung von alternativen Trendsubstituten wurde durch ein hohes Defizit an Daten zu Technologie, Gebrauchseigenschaften und der zu erwartenden Nutzungsdauer erschwert. Das Fehlen von industriellen Produktionslinien für Trendsubstitute schränkt die Vergleichsmöglichkeiten ein. Die angefragten Anbieter sahen sich in der Regel nicht in der Lage, die beworbene Nachhaltigkeit
ihrer Produkte durch valide Informationen zu untermauern.
Die folgende Auflistung bietet eine Übersicht durchgeführter und geplanter Maßnahmen sowie relevanter Organisationen und Veranstaltungen, welche der Verbreitung der Projektergebnisse dienen.
1) projektbegleitender Transfer:
- Kick-off Meeting mit Industrievertretern am 05.06.2020
- Präsentation mit Industrievertretern am 03.05.2022
- Kontakte zu diversen Anbietern von Trendsubstituten
- Kontakte mit Medienvertretern
- Critical Review vom 09.11.2022
2) relevante Organisationen:
- Verband der Deutschen Lederindustrie e. V. (VDL)
- Forschungsgemeinschaft Leder e.V. (FGL)
- Fachbeirat Leder Biopolymere
- Fachbeirat Kunststoffbahnen
- ÖKO-TEX®-Zertifizierung
- ECO₂L-Zertifizierung
3) geplante Präsentationen:
- Freiberger Ledertage
- Tech-Textil Frankfurt
- MTEX Chemnitz
- Fachpresse, Internetauftritt
- FILK Jahresbericht
Das Projekt verdeutlicht, dass die Ökobilanz eines jeden Produktes für sich steht und die Auswirkungen für jeden Umweltaspekt gesondert zu betrachten sind und nicht für ganze Werkstoffklassen pauschalisiert werden dürfen. Nachhaltigkeit entsteht nicht durch die Minimierung oder Maximierung eines Faktors, wie z. B. durch Substitution, sondern durch viele Schritte entlang der Wertschöpfungskette. Viele mittelständische Unternehmen engagieren sich für nachhaltige, ökologisch wertige Produkte, verfügen aber im Gegensatz zu großen Brands nicht über vergleichbare Marketing- und F&E-Kapazitäten. Die mit dem Vorhaben entwickelte Methode war in der Lage, auch mit begrenzten Ressourcen eine Ökobilanz zu erstellen. Eine Fortentwicklung und Verfeinerung dieses Werkzeugs könnte deshalb gerade für kleine und mittlere Unternehmen von Nutzen sein.