Projekt 35164/01

BeeLife – Eine situativ eingebettete mobile Lernapp zur Sensibilisierung für Umweltthemen

Projektdurchführung

Universität Stuttgart Fakultät 10: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Institut für Erziehungswissenschaft Abt. Lehren und Lernen mit intelligenten Systemen
Geschwister-Scholl-Str. 24 d
70173 Stuttgart

Zielsetzung

Die Bedrohung der Lebensräume von Insekten stellt ein wichtiges ökologisches Problem dar, denn Insekten sind unersetzlich für den Erhalt der Biodiversität und bilden die Grundlage eines komplexen trophischen Netzwerks. Auch die landwirtschaftliche Ernteerträge sind von der Bestäubung durch Insekten abhängig, dadurch besitzen sie eine wichtige Rolle für die Sicherung der menschlichen Nahrungsversorgung. Speziell Wildbienen leisten einen erheblichen Beitrag zur Bestäubung, beispielsweise von Obstsorten wie Äpfeln, und sind dabei sogar effizienter als Honigbienen. Dabei sind Insekten, darunter auch viele Wildbienenarten, in Deutschland seit Jahrzehnten vom Aussterben bedroht, insbesondere durch den Rückgang qualitativ hochwertiger, artgerechter Lebensräume und den damit verbundenen Verlust von Nahrungsquellen. Von den rund 560 bekannten Wildbienenarten in Deutschland sind bereits mehr als die Hälfte auf der Roten Liste zu finden und einige Arten sind inzwischen ausgestorben. Im Gegensatz zu den Honigbienen, denen im gesellschaftlichen Diskurs einige Aufmerksamkeit zukommt, ist dies bei den Wildbienen, trotz ihrer enormen Bedeutung für ein funktionierendes Ökosystem, nicht der Fall.

Bezugnehmend auf die skizzierte Problematik hatte sich das vorliegende Projekt zum Ziel gesetzt, an dieser Stelle aufzuklären und am konkreten Beispiel der Wildbienen Handlungsmöglichkeiten zum Erhalt der Biodiversität aufzuzeigen. Im Fokus stand dabei die enorme Bedeutung von Wildbienen für die Umwelt, konkrete Anregungen zum Erhalt ihrer Vielfalt und die Rolle des Menschen beim Aussterben von Insekten generell. Dabei sollte das Projekt bereits im jungen Alter ansetzen und ein nachhaltiges Bewusstsein für die Bedeutung von Wildbienen und anderen Insekten für unser Ökosystem schaffen, um diese Einstellungen und Verhaltensweisen in das Erwachsenenalter hineinzutragen und gesellschaftliche Multiplikationswirkung zu entfalten. Einen niedrigschwelligen Zugang zur Thematik sollte dabei eine mobile App mit spielbasierten Ansätzen der Wissensvermittlung bieten, die im virtuellen Raum die positiven Folgen des eigenen Handelns erfahrbar machen und daran anknüpfende Diskussionen anregen kann. Eine Verortung im schulischen Rahmen sollte ferner dazu beitragen, die digital vermittelten Wissensbausteine durch Naturerfahrungen in thematisch anknüpfenden Projektwerkstätten in realweltliche Handlungskonzepte zu überführen und damit einen direkten Bezug zur Natur herzustellen.

Arbeitsschritte

In Phase 1 (Dezember 2020 bis Juni 2022) standen die inhaltliche und didaktische Konzeption der App und Projektwerkstätten und die softwareseitige Implementierung im Vordergrund. Zur Gestaltung der App wurden durch die Universität Stuttgart (US) zwei Fokusgruppenworkshops durchgeführt, bei denen Mitglieder des Projektteams, Lehrkräfte eingebundener Schulen und externe Expertinnen und Experten für Umweltdidaktik und Artenschutz beteiligt waren. Ein zentrales Ergebnis bildete das Leitmotiv der App, den Geheimnissen der Wildbienen auf die Spur zu gehen, um den Aufbau eines persönlichen Bezugs der Zielgruppe zur Thematik zu fördern. Dies konkretisierte sich in der Erarbeitung spielbasierter Zugänge zu zentralen Inhalten wie Artenvielfalt, Ernährungsgewohnheiten oder natürliche Feinde. Die iterative Einbindung von Wildbienenexpertise ermöglichte die Entwicklung von Wildbienencharakteren mit artspezifischen biologischen Attributen und damit in Einklang stehenden Persönlichkeitsmerkmalen. Zur didaktischen Gestaltung der Projektwerkstätten wurden seitens der Technischen Universität Chemnitz (TUC) Interviews mit Lehrkräften beteiligter Schulen durchgeführt. Dabei standen die Einbindung digitaler Lehr- und Lernformate und Ressourcen zur Gestaltung praktischer Umweltaktivitäten im Fokus. Aus den Ergebnissen entstand ein Unterrichtskonzept mit Potenzial zur nachhaltigen Verortung im schulischen Rahmen.

In Phase 2 (Juli bis Dezember 2022) stand die durch US und TUC gemeinsam durchgeführte Erprobung von App und Projektwerkstätten an ausgewählten Schulen im Fokus, um Erkenntnisse zur Zielgruppenakzeptanz und dem Aufbau umweltbezogenen Wissens zu gewinnen. Eine Befragung der Lehrkräfte beleuchtete die langfristige Verankerung des Projektkonzepts im schulischen Alltag. Die Befunde zeigten Begeisterung und Wissenszuwachs der Zielgruppe und eine hohe Passfähigkeit der zur curricularen Infrastruktur.

In Phase 3 (Januar bis Mai 2023) wurden die App und die Projektwerkstätten auf Basis der Evaluation erweitert. Zwei weitere Level in der App und ein erweitertes Begleitheft (beides verantwortet durch US) sollten die Bedarfe der Zielgruppe und Lehrkräfte stärker ansprechen. Die öffentliche Verfügbarkeit der App in den Appstores bildete einen zentralen Meilenstein zur nachhaltigen Verankerung und Zugänglichkeit des entwickelten Konzepts. Zur weiteren Förderung der Sichtbarkeit wurde die App beim Pädagogischen Medienpreis und dem deutschen Kindersoftwarepreis TOMMI eingereicht.

Ergebnisse

Zum Projektabschluss steht eine umweltdidaktische Intervention aus einer mobilen App und begleitenden Projektwerkstätten zur breiten Nutzung zur Verfügung. Die App umfasst acht Level und ist in Deutsch und Englisch verfügbar. Die enthaltenen Level beginnen mit der Sensibilisierung für die Vielfalt und Charakteristika von Wildbienen durch die Vorstellung der Wildbienencharaktere, spannen den Bogen über artgerechte Nisthilfen, Feinde und Gegenspielerinnen sowie Ernährungsgewohnheiten, und enden mit angemessenen Verhaltensweisen im Umgang mit Wildbienen. Jedes Level setzt einen inhaltlichen Schwerpunkt, der sich vom informationsgeleiteten Kennenlernen zu anwendungsorientierten Strategien umweltgerechten Handelns entwickelt. Anknüpfend an die förderliche Wirkung spielbasierter Mechanismen auf die Lernleistung, Motivation und Begeisterung in Bildungskontexten nutzt die App unter anderem Quizfragen, Geschicklichkeits-, Such- oder Merkaufgaben. Ein zentrales Wirkelement bilden sechs virtuelle Charaktere, deren visuelle Erscheinung an Erkenntnisse der multimedialen Lernforschung zur Anthropomorphisierung und Alterskohärenz angelehnt ist. Die Projektwerkstätten, die in Form eines Begleithefts vorgestellt werden, bilden anknüpfend an die Level der App den Rahmen für digital angereicherten handlungsorientierten Unterricht. Ein detaillierter Stundenverlaufsplan skizziert dabei die Verzahnung von App und Projektwerkstätten.

Die Erprobung des Konzepts fand in drei Schulen im Rahmen von Projektwochen mit begleitenden Befragungen (Prätest, Posttest nach einer Woche, zweiter Posttest nach drei Wochen) statt. Dabei konnten 44 Kinder in den Klassenstufen vier und fünf einbezogen werden. Die Ergebnisse zeigten eine positive Resonanz der Zielgruppe und unterstrichen ferner, dass die kompakte und altersgerechte Inhaltsvermittlung Umweltwissen als Basis ökologischen Verhaltens im schulischen Kontext fördern kann. Lehrkräfte hoben in begleitenden Interviews hervor, dass sich die kompakten Level der App ohne größeren Aufwand in reguläre Unterrichtsformate einbetten lassen. Eine stärkere Einbindung problem- und handlungsorientierter Elemente könnte zukünftig beitragen, zusätzlich auch Änderungen umweltbezogener Einstellungen und Handlungsstrategien anzustoßen, die in der vorliegenden Evaluation nicht beobachtet werden konnten. Konkret könnten hier beispielsweise die enthaltenen Wildbienencharaktere direkt dazu auffordern, in die Natur zu gehen und dort eine Nisthilfe zu bauen.

App im Apple AppStoreApp im GooglePlay StoreBegleitheft für Lehrkräfte

Öffentlichkeitsarbeit

Die Projektergebnisse wurden der (Fach-)Öffentlichkeit in Form von Pressemeldungen, Fachvorträgen, Posterpräsentationen, Videos oder praktischen Vorführungen bei verschiedenen Anlässen vorgestellt (u.a. Weltbienentag, Tag der Wissenschaft, LEAD-Tag “Schule & Wissenschaft”, NaturschutzDigital Tagung des BfN). Dabei konnte mit den teilnehmenden Kindern, deren Eltern und Verwandten, den Lehrkräften und Schulen sowie Forschenden und Praxistätigen aus der Umwelt- und Ingenieurpsychologie, Mensch-Computer-Interaktion, multimedialen Lernforschung und Biologiedidaktik ein breites Publikum von den Einblicken und Erfahrungen profitieren.

Mit der öffentlichen Verfügbarkeit der App und des darin verlinkten Begleithefts ist das entstandene didaktische Konzept auch nach Projektende breit nutzbar. Zusätzlich wird ein Artikel in einer englischsprachigen Fachzeitschrift die Projektergebnisse in der wissenschaftlichen Fachcommunity verankern. Zur nachhaltigen Etablierung der Projektergebnisse im Portfolio ökologischer Bewusstseinsbildung sollen diese in Zusammenarbeit mit den Schulnetzwerken der Professional School of Education Stuttgart-Ludwigsburg und der Tübingen School of Education in die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften Eingang finden.

Projektwebseite der Abteilung Lehren und Lernen mit intelligenten Systemen an der Universität StuttgartProjektbezogener Beitrag im Alumni-Newsletter der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz im April 2021 (S. 32–35)Posterbeitrag für den LEAD-Tag „Schule & Wissenschaft“ im April 2022Projektbezogene Pressemeldung zum Weltbienentag im Mai 2021Projektbezogene Pressemeldung zum Weltbienentag im Mai 2022Projektbezogene Pressemeldung zum Weltbienentag im Mai 2023Twittermeldung zur Teilnahme am Tag der Wissenschaft 2022 der Universität Stuttgart im Juni 2022Vorstellung des Projekts im Rahmen eines selbst erstellten Imagefilms unter Mitwirkung der zu diesem Zeitpunkt eingebundenen Projektmitglieder im Mai 2022Aufzeichnung des Vortrags im Rahmen des Symposiums „Green Ergonomics: An Engineering Psychology Perspective on Sustainable Development“ auf dem Vortrag 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Hildesheim im September 2022Vorstellung des Projekts mit Poster und praktischer Demonstration (siehe Bild 2) bei der NaturschutzDigital Tagung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) im Mai 2023

Fazit

Das Projekt realisiert einen innovativen Bildungsansatz, der Erkenntnisse der multimedialen Lernforschung nutzt, um ein vernachlässigtes Umweltthema für eine junge Zielgruppe im formalen Bildungsumfeld zugänglich zu machen. Dabei schaffen virtuelle Charaktere, spielbasierte Gestaltungsansätze und interaktive Gruppenelemente in der Natur vielfältige Möglichkeiten der Identifikation, die Kinder dabei unterstützen, ihre Zuneigung zur besonders gefährdeten, jedoch eher unbekannten Vielfalt der Wildbienen zu entdecken.

Die erfolgreiche Umsetzung des Projekts zeichnet sich durch die enge Zusammenarbeit und den regelmäßigen transdisziplinären Austausch mit unterschiedlichen Expertise- und Interessensgruppen aus. Besonders die partizipative Einbindung von Lehrkräften und Kindern erwies sich als entscheidend für die Gestaltung sympathischer Charaktere, zielgruppenadaptiver Interaktionsmodalitäten und geeigneter Informationsbausteine. Die Befunde der schulischen Erprobung zeigen, dass sich das Wissen der teilnehmenden Kinder steigerte, sie das Konzept mit hoher Begeisterung aufnahmen und dieses auch von den Lehrkräften als passfähig erachtet wurde.

Zusammenfassend ist im Projekt eine fesselnde und ansprechende Lernerfahrung entstanden, die ein großes Potenzial für nachhaltigen Wissensaufbau und ökologische Sensibilisierung birgt. Die perspektivische Erweiterung über die Schule und das aktuelle Thema hinaus bereitet den Weg für einen breiteren gesellschaftlichen Bewusstseinswandel.

Übersicht

Fördersumme

125.000,00 €

Förderzeitraum

01.12.2020 - 31.05.2023

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Umweltkommunikation