Projekt 34967/01

Effizienzsteigerung bestehender Kühlsysteme durch Integration effizienter Kaltwassersätze mit dem natürlichen Kältemittel Wasser

Projektdurchführung

Hochschule für angewandte Wissenschaften München (HM) Fakultät 05 Bereich Versorgungs- und Gebäudetechnik
Lothstr. 34
80335 München

Zielsetzung

Im Zeitraum 1990 bis 2016 verdreifachte sich der jährliche elektrische Energiebedarf zur Bereitstellung von Raumkälte für Wohnungs- und Nichtwohngebäude weltweit auf 2.020 TWh, dies entspricht rund 10 % des weltweiten Strombedarfs im Jahr 2016. Der Nettostromverbrauch in Deutschland lag indes im Jahr 2021 bei 505 TWh, hiervon sind 10 TWh zur Raumklimatisierung und 54 TWh zur Bereitstellung von Prozesskälte eingesetzt worden. Dies bedeutet, dass derzeit rund 13 % des gesamten elektrischen Strombedarfs in Deutschland auf die Kälteerzeugung entfallen.
Zur Bereitstellung der Kälteenergie werden in Deutschland mit einem Marktanteil von 90 % Kompressionskältemaschinen eingesetzt. Direktverdampfungssysteme mit variablen Kältemittelströmen (sog. VRF-Klimasysteme, engl. für „variable refrigerant flow“) werden in großer Stückzahl zur Raumkühlung eingesetzt. Wegen der direkten Wärmeübertragung zwischen der Raumluft und dem Kältemittel der Kälteanlage ist die Kühlfunktion zwingend mit dem Einsatz der Kältemittelverdichter verbunden. Die Möglichkeit zur Anwendung der freien Kühlung ist bei solchen Anlagen systembedingt nicht gegeben.
Bei Kompressionskälteanlagen zur Gebäudeklimatisierung wurden bisher in großem Umfang die Kältemittel R407C, R410A sowie R134a eingesetzt. Diese Kältemittel weisen jedoch hohe Treibhausgaspotentiale zwischen 1.530 und 2.256 auf. Insbesondere vor dem Hintergrund der F-Gase-Verordnung der Europäischen Union und der damit verbundenen schrittweisen Reduktion von Kältemitteln mit hohem Treibhausgaspotential wird eine Umstellung auf natürliche Kältemittel mit einem geringeren Treibhausgaspotential notwendig.
Mit dem Ziel der Aufwertung oder des Ausbaus von bestehenden Kühlsystemen wird in diesem Vorhaben im Rahmen einer Retrofitmaßnahme ein bestehendes VRF-Split-System zur Kühlung eines Rechenzentrums um eine Turbo-Kältemaschine mit dem natürlichen Kältemittel Wasser erweitert. Die Entwicklung zielt auf einen neuartigen Systemaufbau im Vergleich zur Installation getrennter Systeme unter Einbindung bestehender direktverdampfender Split-Geräte. Effizienzvorteile werden durch den koordinierten Einsatz von Kälteerzeuger und Rückkühler sowie die Nutzung der freien Kühlung erschlossen. Durch die Nutzung des Kältemittels Wasser und den geringeren elektrischen Energiebedarf zielt dieser Ansatz auf eine Verminderung des Beitrags zum Treibhauseffekt. Das entwickelte Hybridkältekonzept wird in einer Pilotinstallation an der Hochschule München umgesetzt.

Arbeitsschritte

Die Kühlung eines Rechenzentrums muss einigen speziellen Anforderungen genügen. Hierzu sind typische Rechenzentrumskonstellationen recherchiert, die technische Ausführung der Kälteversorgung beschrieben und der Kühlbedarf charakterisiert worden. Zur Umsetzung der Pilotinstallation werden die lokalen Anforderungen und Gegebenheiten ermittelt. Der Turbo-Kaltwassersatz eChiller mit dem Kältemittel Wasser besitzt aufgrund des Prozesses spezielle Betriebseigenschaften. Das Ziel ist die Sammlung und Analyse der Betriebseigenschaften und der gegebenen technischen Anforderungen für die Systemintegration.
Zur Analyse der hybriden Anlage wurden Modelle anhand der physikalisch-thermodynamischen Beschreibung der Geräte erstellt. Ziel war eine genaue Beschreibung des Energieumsatzes in Abhängigkeit aller relevanten externen Betriebsbedingungen (z.B. Temperaturen oder Leistungsanforderung).
Für die optimierte Steuerung sowie die Auswertung des Anlagenbetriebs ist ein detailliertes Mess-, Steuer- und Regelungskonzept erstellt worden. Für die wissenschaftliche Messtechnik wurde ein eigenes Messkonzept erstellt, um eine klare Trennung zwischen Anlagenbetrieb und wissenschaftlicher Auswertung zu erreichen. Das entwickelte Hybridkältekonzept ist in einer Pilotinstallation an der Hochschule München aufgebaut worden. Neben dem hydraulischen Aufbau wurde ein Messdatenerfassungssystem installiert, um eine Erfassung des Anlagenbetriebs zu ermöglichen.
Mit Abschluss der Inbetriebnahme wird die Betriebscharakteristik der einzelnen Systemkomponenten als auch die grundlegende Funktion des Gesamtsystems analysiert und dokumentiert. Für einen optimierten Anlagenbetrieb sind unterschiedliche Betriebsarten und zugehörige Kriterien für deren Aktivierung aufgestellt worden. Diese umfassen die Anwendung der freien Kühlung, den Einsatz der einzelnen Kälteerzeuger, die Zuschaltung der zweiten Stufe des Turbo-Kaltwassersatzes und die Hintereinanderschaltung von Turbo-Kaltwassersatz und Split-Klimasystem. Die Kriterien für den Wechsel der Betriebsarten sind die Kälteanforderung und die herrschenden Umgebungsbedingungen.
Zur Bewertung des Hybridkältesystems ist die Anlage hinsichtlich der erzielten Energieeffizienz und der Reduktion der Emissionen untersucht worden. Abschließend sind zur Verallgemeinerung des Konzepts weitere Rechenzentrumskonstellationen analysiert worden. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens wurden dokumentiert und in einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlicht.

Ergebnisse

Zur Einschätzung des Betriebsverhaltens sind sämtliche Anlagenkomponenten mithilfe des Simulationsprogramms EES modelliert worden. Hinsichtlich der Validierung und Anpassung des Simulationsmodells ist die Hybridkälteanlage als Pilotinstallation an der Hochschule München aufgebaut worden, die Anlage ist in Abbildung 1 in der Aufbauphase dargestellt. Die serielle und parallele Kältebereitstellung durch die Kälteerzeuger sind als Betriebsstrategien in der Regelung angelegt worden. Ein Tagesverlauf der seriellen Betriebsweise ist in Abbildung 2 dargestellt. Die Funktionsfähigkeit des Hybridkältekonzepts konnte im Systemtest der Anlage nachgewiesen werden. Die Messdaten des wissenschaftlichen Messkreises sind zur Anpassung des Simulationsmodelles eingesetzt worden. In Abbildung 3 ist der Abgleich des Simulationsmodells mit den Betriebsdaten für den Turbo-Kaltwassersatz dargestellt.
Für eine Optimierung der Betriebsstrategien sind Jahressimulationen zur Kühlung eines Rechenzentrums unter Verwendung der seriellen und parallelen Kälteerzeugung durchgeführt worden. In den Ergebnissen zeigte sich, dass die serielle Kälteerzeugung die energieeffizienteste Betriebsvariante darstellt. In Abbildung 4 sind die Ergebnisse der Jahressimulation der seriellen Betriebsstrategie dargestellt. Hierbei konnte eine Verringerung des elektrischen Energiebedarfs und der verursachten Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Einsatz einer konventionellen Split-Kälteanlage um rund ein Drittel festgestellt werden.
Hinsichtlich der Erweiterung des Systemkonzepts sind weitere Anwendungsfälle untersucht worden. Die Hybridkälteanlage weist in der Jahresbetrachtung eine Reduktion des elektrischen Energiebedarfs zwischen 10 % und 38 % im Vergleich zur Split-Kälteanlage auf. In Abbildung 5 sind die Leistungszahlen der betrachteten Systemkonfigurationen dargestellt.
Anhand der Betrachtung der jährlichen Verläufe wird es deutlich, dass für den effizienten Betrieb der Hybridkälteanlage eine hohe Kältegrundlast mit möglichst hohen Kaltwasservorlauftemperaturen vorteilhaft ist. Hieraus lässt sich ableiten, dass die konkrete Effizienz des Hybridkältekonzepts stark von der individuellen Versorgungssituation abhängt.
Es konnte gezeigt werden, dass die Umsetzung des Hybridkältekonzepts eine sinnvolle Maßnahme zur Steigerung der Systemeffizienz, zur Verbesserung der Versorgungssicherheit der Kältebereitstellung sowie zur Verringerung des Beitrags zum Treibhauseffekt sein kann.

Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen des Forschungsprojekts sind die Studierenden der Fakultät 05 der Hochschule München über die Ergebnisse des Projekts im Zuge des Anlagenpraktikums „Betriebscharakteristik einer Kältemaschine mit dem Kältemittel Wasser“ eingebunden worden. Das Laborpraktikum ist im Sommersemester 2022 und 2023 gehalten worden, für das Sommersemester 2024 ist es ebenfalls geplant.
Die Projektergebnisse sind unter Berücksichtigung der Geheimhaltung in den folgenden Publikationen dem Fachpublikum präsentiert und veröffentlicht worden:
Nguyen P., Schweigler C.: Effizienzsteigerung bestehender Kühlsysteme - Verbundbetrieb einer Wasser-Turbokälteanlage mit einem direktverdampfenden Klimasystem zur Nutzung der freien Kühlung (AA IV1.09); DKV-Tagung 2023, Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein, 2023.

Fazit

Die Funktionsfähigkeit des Hybridkältekonzepts konnte im Systemtest der Pilotanlage nachgewiesen werden. Für eine Optimierung der Betriebsstrategien sind Jahressimulationen zur Kühlung eines Rechenzentrums durchgeführt worden. Der erzielte System-EER der Kälteanlage (Energy Efficiency Ratio: Verhältnis von Kältelieferung und elektrischer Antriebsenergie) bezogen auf ein Betriebsjahr variiert zwischen 6,15 und 8,82 abhängig von der gewählten Betriebsstrategie. Unter Ausnutzung der Umgebungstemperaturen konnten ca. 52 % des Kälteenergiebedarfs durch den Einsatz der freien Kühlung gedeckt werden, bei weiteren 13 % der jährlichen Kälteenergiemenge war eine Vorkühlung durch das Rückkühlwerk mit entsprechend verringertem Einsatz des Turbo-Kaltwassersatzes möglich. Durch den koordinierten Einsatz der beiden Kälteerzeuger kann die Betriebscharakteristik der einzelnen Komponenten zur Verbesserung der Energieeffizienz des Gesamtsystems genutzt werden.
Insgesamt konnte eine maximale Verringerung des elektrischen Energiebedarfs und der verursachten Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Einsatz einer konventionellen Split-Kälteanlage von rund einem Drittel festgestellt werden.
Anhand der Betrachtung der jährlichen Verläufe wird deutlich, dass die Effizienz des Hybridkältekonzepts stark von der individuellen Versorgungssituation abhängt. Im Anlagenbetrieb zeigte sich großes Optimierungspotential im Einsatz der Frequenzumrichter der Verdichter und der geräteinternen Regelstrategie.

Übersicht

Fördersumme

265.574,00 €

Förderzeitraum

01.06.2020 - 30.09.2023

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik