StErn-Kita: Regionalentwicklung durch Steigerung und Einführung von Ernährungsbildung und regional-nachhaltig produzierten Lebensmitteln in Kölner Kitas und Familienzentren
Projektdurchführung
Ernährungsrat für Köln und Umgebung e. V.
Neven-DuMont-Str. 14
50667 Köln
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Das vorliegende Projekt bettet sich in die für die Stadt Köln erarbeitete Ernährungsstrategie ein und möchte am Beispiel von zehn beteiligten Kitas modellhaft zeigen, dass die flächendeckende Versorgung mit regional und nachhaltig produzierten Lebensmitteln funktionieren kann. Dazu wird die Ernährungsbildung in den Einrichtungen ein Schwerpunkt der Arbeit einer Regionalentwicklerin sein, die eng mit den Kindertageseinrichtungen zusammenarbeiten und ein Konzept entwickeln wird. Dieses soll die Steigerung und Einführung von Ernährungsbildung und regional und nachhaltig produzierten Lebensmitteln (StErn) für alle beteiligten Einrichtungen ermöglichen. Die Einrichtungen werden sich auf eine regionale Ernährungs- und Umweltbildung mit den Kindern fokussieren und ihre Einkaufswege hinterfragen und anpassen. Dies soll Landwirt*innen aus der Region ermöglichen, Versorgungswege vom Großmarkt und Großhandel unabhängig zu gestalten.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn der Planungsphase fand neben der Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse in den beteiligten Kitas die Datenauswertung des MehrWertKonsum-Projektes der Verbraucherzentrale statt, welches bereits in den Kitas durchgeführt wurde und den dortigen Ist-Zustand z. T. schon erfasst. Die Projektwebseite dient hierbei zum einen als Kommunikationstool, um die durch die Pandemie bedingten Einschränkungen in der persönlichen Betreuung aufzufangen, zum anderen als Grundlage zur operativen Umsetzung der im zum Abschluss erstellten Modellkonzept dargestellten Maßnahmen. Das Projektteam entwickelte Bildungsmodule und Materialien, die zum Download zur Verfügung stehen. Inhaltlich und stilistisch wurde die Form im Vorfeld mit den Kitas abgeklärt. Hinzu kamen neben Workshops und fortlaufenden Beratungstagen in den Kitas auch die Durchführung von fünf Fachtagungen mit den Kitaleiter*innen, Erzieher*innen und Hauswirtschaftskräften. Für die Fachtagungen konnten Referent*innen aus den zu behandelnden Sachbereichen gewonnen werden, die die Veranstaltungen begleiten. Die Beratung und Betreuung der Kitas wurde in einem Betreuungsleitfaden festgehalten und erfolgte stark individualisiert je nach Bedarf und Situation in der Kita. Die Bündelung und Listung aller regionalen Landwirte wurde zu Beginn durchgeführt und um eine umfangreiche Erhebung der Bedarfe unter den Landwirt*innen erweitert. Zu diesem Zwecke hat die Regionalentwicklerin mit zwölf Produzierenden aus der Region Gespräche geführt. Nach ausführlicher Recherche bei Produzierenden in der Region wurde deutlich, dass es zunächst einer Lösung für die Transportlogistik bedarf, um eine regionale Versorgung der Modell-Kitas umzusetzen. Aus diesem Grunde wurde Feldling, ein Logistik-Start-Up aus der Region, in das Projekt mit aufgenommen und fungiert als Vermittler zwischen Landwirt*innen und Großabnehmer*innen; sie helfen so bei der Etablierung einer regionalen Wertschöpfungskette. Die Kitas bestellen die Waren bis Freitag, Montagmorgens wird von den Landwirt*innen geerntet, danach fährt Feldling die Höfe ab und die Ware wird direkt an die Einrichtungen geliefert. Die Preise werden von den Erzeuger*innen wöchentlich neu angepasst, z. B. als Reaktion auf Ernteausfälle oder andere Gegebenheiten des Marktes, was eine faire Preisgestaltung darstellt. Die frische und qualitativ hochwertige Ware sorgt für eine Reduktion von Abfällen, da sie länger gelagert werden kann. Das Projekt wurde in zahlreichen Workshops und Vernetzungstreffen vorgestellt und stieß auf große Resonanz, was zu zahlreichen Beratungsanfragen führte. Eine Erfolgsmessung erfolgte zu mehreren Zeitpunkten innerhalb des Projektes und wurde dokumentiert und floss direkt in die Ergebnisse des Modellkonzepts ein.
Ergebnisse und Diskussion
Bei der Bedarfsanalyse in den Kitas wurde deutlich, dass nicht viele zeitliche Ressourcen für Fortbildungsmaßnahmen vorhanden sind. Dies bezieht sich sowohl auf die Kitaleitungen als auch auf pädagogische Fachkräfte und Küchenfachkräfte. Wir mussten daher bei der Planung der Ernährungsbildung und der Fortbildungsmaßnahmen diesen Umstand berücksichtigen und möglichst niederschwellige Angebote entwickeln. Alle Angebote stehen zum Download zur Verfügung, da die Kitas diese in Mappen in den Einrichtungen verteilen wollen, statt sie digital zu nutzen. Beiden Bildungsmodulen gegenüber wurden von Seiten des Steuerungskreises Bedenken bezüglich der angebotspädagogischen Ausrichtung der Bildungsmodule geäußert. Dies wurde durch die Erstellung von Verfahrensleitlinien zur Anwendung der Module in den Kitas gelöst.
Bezüglich der regionalen Versorgung sahen wir uns zwei besonders großen Herausforderungen gegenüber: Zum einen haben die Kitas wenig bis keinen finanziellen Spielraum und müssen knapp kalkulieren. Auch sind sie wenig flexibel bzgl. Lieferlogistik. Die landwirtschaftlichen Betriebe hingegen bevorzugen Abnahmegarantien, ohne dabei Preise voraussagen zu können. Auch würden sie gerne in größtmöglichen Mengen ihre Waren abgeben. Hinzu kommt, dass Landwirt*innen lediglich ihre eigenen Waren transportieren dürfen. Die Idee, dass verschiedene Betriebe im Zusammenschluss und abwechselnd mehrere Höfe abfahren, mussten wir leider verwerfen. Es würde dadurch ein Transportunternehmen entstehen, das steuerrechtliche Konsequenzen für die Produzierenden hätte. Wir haben in Feldling einen Kooperationspartner gefunden, der die Transportlogistik übernimmt, so dass kein Konflikt entsteht.
Die Waren werden frisch geerntet und kommen aus dem Umkreis von 30 km und erfüllen damit den im Projekt festgelegten Regionalitätsradius von 70 km. Wir können nach bisherigen Erfahrungen sagen, dass der Bedarf sowohl nach regionaler, saisonaler als auch vor allem frischer Versorgung in den Einrichtungen sehr hoch ist. Dadurch konnten noch zehn weitere projektexterne Einrichtungen für die Teilnahme am Testlauf Feldling gewonnen werden. Das Konzept ist etabliert und auf weitere Betriebe und Kitas ausgeweitet. Gerade die Erkenntnis, was wirklich in der Region wächst, und insbesondere ab wann es nicht mehr verfügbar ist, war ein wichtiger Punkt, deren Vermittlung gelungen ist.
Auch die praktische Begleitung wird dankend angenommen, wobei sich die Kitas vor allem Unterstützung bei der Umsetzung von Kitagärten und Aktionstagen wünschen. Wir konnten mehrere Einrichtungen bei dem Bau und der Bepflanzung von Hochbeeten und dem Anlegen von Gärten unterstützen. Dieser Ansatz erwies sich als besonders geeignet, um interdisziplinär verschiedene pädagogische Themen vermitteln zu können. In den Kitas stieg im Projektverlauf das Interesse an unserem Angebot von Seiten der Mitarbeitenden. Bereits während der Projektlaufzeit konnte eine Steigerung der Bereitschaft der Mitarbeitenden, Themen im Kitaalltag aufzugreifen, beobachtet werden. Alle Kitas konnten nach eigenen Aussagen durch unsere Maßnahmen dauerhafte Veränderungen etablieren und nachhaltig von den Ergebnissen profitieren. Die Kitaleitungen wurden in die Lage versetzt, sich trotz mangelnder finanzieller Ressourcen und Personal- und Zeitknappheit den Themen Ernährungsbildung und Nachhaltigkeit zu widmen, da die implementierten Maßnahmen individuell zugeschnitten und niedrigschwellig konzipiert wurden.
Die Hauswirtschaftskräfte wurden bedingt durch den Testlauf zur regionalen Versorgung sehr stark ins Projekt mit eingebunden. Einige Küchenkräfte kommunizierten dadurch auch mehr über das Essen innerhalb der Einrichtungen, sowohl mit anderen Fachkräften als auch mit den Kindern. Dies führte zu einer besseren Integration der Küchenkräfte, aber auch zu einer stärkeren Etablierung des Themas Ernährung. Die Kitaleitungen sahen hier einen Zusammenhang mit dem neuen Konzept, da sich der Fokus auf die Lebensmittel und somit auch die Zubereitung verlagert hatte.
Die Umstellung auf regionale Versorgung hatte unerwartet Einfluss auf die Kinder. Die Fachkräfte erzählten in den Kitas von der neu etablierten regionalen Versorgung, und allein das Wissen, dass die Lebensmittel frisch und direkt von Landwirt*innen geerntet worden waren, sorgte bei einigen für mehr Nachfrage nach Obst und Gemüse. Die Hofbesuche stellten im Projekt ein Highlight sowohl für die Kinder als auch für die Fachkräfte und Eltern dar. Das direkte Erleben von Natur und Landwirtschaft steigerte das Verständnis für die durch das Projekt vermittelten Ansätze enorm.
Durch die stattgefundenen Gespräche mit Kitaleitungen wurde ein unerwartet großer Bedarf an grundsätzlicher Ernährungs- und Gesundheitsbildung bei den pädagogischen Fachkräften evident. Die Regionalentwicklerin bekam die Möglichkeit, einige Unterrichtseinheiten im Berufskolleg Füssenich abzuhalten, um zukünftige Erzieher*innen auf das Thema Regionalitätssteigerung und Ernährungsbildung vorzubereiten. Da in jeder Ausbildungsform ein praktischer Teil obligatorisch ist, können gerade praxisbezogene Konzepte dort als eine Art Vorlage für die Umsetzung eines Projektes dienen. Der StErn-Kita-Ansatz stieß bei Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulleitung auf großes Interesse.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Webseite www.stern-kita.koeln dient als Fundament für die Projektkommunikation. Neben Informationen zum Hintergrund und den Zielen des Projektes enthält sie eine kurze Vorstellung des Teams und der Modell-Kitas. Ergänzt wurde sie im Projektverlauf um den Baukasten, der Bildungsmodule, Materialsammlungen etc. enthält. Um die während der Coronapandemie eingeschränkten Möglichkeiten zur Kommunikation und PR zu überbrücken, veröffentlichte das Projektteam anfänglich jede Woche einen Artikel unter Neuigkeiten. Über Social Media wurden zudem die Projektergebnisse im Verlauf regelmäßig kommuniziert. In zahlreichen Vernetzungstreffen, sowohl digital als auch persönlich, konnten wir unser Projekt vorstellen. Im Einzelnen waren dies: politische Vertreter*innen der Grünen Partei, CDU und SPD, verschiedener Ämtern der Stadt Köln, des Klimarats der Stadt Köln, weiterer Kitas und Schulen, von Akteurs-Bündnissen aus der Region (IWE, Verbraucherzentrale NRW, Forum für soziale Innovation, NEIS Projekt, Offener Kochtopf, Sarah Wiener Stiftung, Netzwerk e. V., Trägervertreter*innen u. a).
Im Sommer 2022 fand eine Messe für nachhaltige Ernährungsbildung auf dem Gelände des Umweltbildungszentrum Gut Leidenhausen in Köln-Porz statt. Vertreten waren rund 20 Ausstellende, neben zahlreichen Initiativen für Umwelt- und Ernährungsbildung, waren einige Anbieter*innen regionaler Lebensmittel sowie ein nachhaltiges Cateringunternehmen vor Ort. Gefördert durch die Stadt Köln erstellte das Projektteam zum Abschluss ein Kochbuch Damit Köln besser isst. Hier wurden je Monat ein saisonales Lieblingsrezept aus den beteiligten Kitas und ein Rezept von anderen Projektbeteiligten veröffentlicht. Abgerundet wurde das ganze durch Gemüsesteckbriefe und Tipps zur nachhaltigen Ernährung und Essenspädagogik. Dieses Kochbuch wird auch über das Projektende hinaus die Arbeitsergebnisse weitertragen. Im März 2023 wurde zum Abschluss des StErn-Kita-Projekts zusammen mit den beiden Stiftungen SUE und DBU feierlich das Konzept zur Steigerung und Einführung von Regionalität und Nachhaltigkeit in Kölner Kitas und Familienzentren der Stadt Köln überreicht.
Fazit
Obwohl die Coronapandemie sehr starken Einfluss auf die Situation in den Kitas nahm, konnten wir uns sehr schnell auf die neuen Bedingungen einstellen und Konzepte entwickeln, um die geplanten Beratungen und Maßnahmen durchzuführen. Die individuelle und flexible Begleitung der Kitas innerhalb des Projektes kristallisierte sich als eines der Hauptmerkmale heraus, die zum Projekterfolg beigetragen haben.
Durch das zahlreiche Feedback, welches wir sowohl projektintern als auch von externen Einrichtungen erhalten haben, wurde deutlich, dass es einen großen Bedarf an den Konzepten gibt, welche wir entwickeln. Das gilt vor allem für die regionalen Wertschöpfungsketten, naturnahen Lernorte/Kitagärten und Bildungsmodule zu Ernährung, Klima und Nachhaltigkeit.
Wir sehen uns darin bestätigt, dass eine Verknüpfung der Themenbereiche Gemeinschaftsverpflegung und Ernährungsbildung zu einer nachhaltigen Bewusstwerdung dieser komplexen Zusammenhänge beiträgt, vielleicht sogar als obligatorisch anzusehen ist, um gezielt Veränderungen und so die angestrebte Ernährungswende vorantreiben zu können. Wir sehen dieses Projekt daher als ein zentrales Instrument, um den Strukturwandel in der Region zu fördern.
Die Herausforderung wird in Zukunft darin bestehen, den Bioanteil der verwendeten Produkte mit den bisher vorhandenen finanziellen Ressourcen zu erhöhen. Die Vermittlung von grundlegendem Wissen über Zusammenhänge von Klima, Umweltbedingungen und Wetter auf die Landwirtschaft an die Abnehmer*innen sollte ein integraler Bestandteil beim Aufbau von Regionalvermarktungskonzepten sein.
Die Landwirtschaft stellt das Fundament unserer Versorgung dar und muss als solche vor allem politisch noch stärker in den Fokus des angestrebten Strukturwandels gerückt werden. Die Integration aller Mitarbeitenden inkl. der Hauswirtschaftskräfte in den Kitas trägt maßgeblich zum Erfolg von Ernährungsbildung bei. Die im Projekt erarbeiteten Ansätze sind skalierbar auf Schulen und Berufskollegs, wo ebenfalls ein steigender Bedarf an Ernährungs- und Nachhaltigkeitsbildung zu verzeichnen ist. Die Herausforderungen der Zukunft liegen sicherlich in der wirtschaftlich angespannten Lage durch die politischen Veränderungen der letzten Jahre, sind jedoch gleichzeitig auch wiederum die besten Argumente zur Fortführung von Projekten im Bereich der Nachhaltigkeitsförderung.
Das regionale Konzept bleibt nach Ablauf der Projektlaufzeit bestehen und wird momentan ausgeweitet. Auch finden Gespräche mit Vertreter*innen der Stadt Köln bezüglich der großräumigen Skalierung der erarbeiteten Konzepte statt. Der Kooperationspartner Feldling musste im Laufe des Projektes feststellen, dass die Akquise neuer Einrichtungen mit einem unerwartet hohen Zeitaufwand verbunden ist. In Zukunft wird sich die Frage der Rentabilität verstärkt stellen und es wird schwierig, den bisherigen Ansatz weiter beizubehalten. Die Möglichkeit der Expansion auf deutlich mehr Kitas ist mit großen Investitionen verbunden, bspw. der Anschaffung mehrerer Lieferwagen. Eine über die Woche verteilte Lieferung mit einem Fahrzeug ist nicht möglich, da die Kitas die Waren zu Beginn der Woche benötigen. Eine Ausweitung des Angebots auf die Gastronomie oder Großküchen scheitert bspw. oft daran, dass bereits gewaschenes oder vorgeschnittenes Gemüse benötigt wird. Diese Beispiele zeigen exemplarisch auf, dass eine gezielte Förderung von innovativen Konzepten als Voraussetzung einer nachhaltigen Implementierung anzusehen ist, die zudem in enger Zusammenarbeit mit der Kommune realisiert werden sollte. Um die nachhaltige Versorgung Kölns zu ermöglichen, müssen regionale Wertschöpfungsketten etabliert werden. Eine flexible Transportlogistik ist Voraussetzung für eine emissionsarme Verteilung der Waren. Für ein großflächiges Ausrollen eines solchen Konzeptes benötigt es einen Broker bzw. Vermittler und/oder Food Hub.