Projekt 34585/01

Konzeption eines innovativen Holzbauquartiers in der Hamburger Hafencity / Baufeld 102

Projektdurchführung

Garbe WSH GmbH & Co. KG
Versmannstr. 2
20457 Hamburg



Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Mit einer Höhe von ca. 64 m und ca. 31.000 m² BGF (Bruttogeschossfläche) in Holzbauweise ist das Projekt roots (ehemals Wildspitze) nach momentanem Stand das höchste und auch eines der größten Holzgebäude Deutschlands.
Anders als bei anderen Holzhochhausprojekten sollten die Deckenplatten der Geschosse in massiver Holzbauweise hergestellt werden. Die erhöhte Nachhaltigkeit einer Konstruktion in Massivholz durch ihre vorteilhafte CO2-Bilanz, gute Wärmespeicherfähigkeit und monolithischen, schichtenarmen Aufbauten bietet ein optimales Verhältnis von Wärmeschutz und thermischer Speichermasse. Dies führt im Optimalfall zu ganzjährig verbesserter Behaglichkeit bei geringer Energieaufwendung. Gleichwohl gilt das Projekt aber auch als Indikator dafür, ob ein Bauen mit elementierten und teil-vorgefertigten Holzelementen im Rahmen der erforderlichen Nachverdichtung unserer Großstädte vermehrt zum Einsatz kommen kann. Eine Verkürzung der Bauzeit durch Elementierung kann die negativen Einflüsse innerstädtischer Baustellen auf ihre Umwelt signifikant vermindern. Das Konstruktionsmaterial Holz sollte sich, trotz Hochhaus, auch in der Fassade materialisieren. Hierfür wurde beabsichtigt ein belastbares sicherheitstechnisches Konzept zur Verhinderung eines Brandereignisses an der Fassade zu entwi-ckeln. Für die Planung eines vorelementierten Holzhochhauses waren Planungs- und Entscheidungsprozesse gegenüber einer „klassischen“ Planung maßgeblich zu verändern, da eine Vielzahl von Sonderthemen im Holzbau frühzeitig in hoher Detailtiefe ausgearbeitet und zu Entscheidungsvorlagen aufbereitet werden mussten.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür das Projekt roots war eine bis ins Detail strukturierte Vorgehensweise erforderlich, um ein optimales technisches und wirtschaftliches Ergebnis zu erhalten. Während im ersten Schritt die bauteilbezogenen Anforderungen formuliert wurden, erforderte der zweite Schritt eine Methodik, um mit den zahlreichen im Holzbau vorhandenen interdisziplinären Wirkungszwängen aber auch den verfügbaren Optionen umzugehen. Schließlich war im dritten Schritt eine Struktur erforderlich, die es ermöglicht mit der Vielzahl der Parameter umzugehen, um zielsicher die Vorzugsvarianten der Bauteile und so des gesamten Bauwerkes bestimmen zu können. So wurde ein Bauteilkatalog mit Bauteiloptionen erforderlich, der sämtliche Anforderungen an die Bauteile enthält, sowie sich daraus ergebende Konsequenzen der Planungsgewerke. Dabei war ein digitales Model zum frühestmöglichen Zeitpunkt herzustellen und zu pflegen. Dies erforderte entsprechende Leistungen innerhalb des Planungsteams sowie eines BIM-Koordinators.
Die branchenüblichen Prozesse und Verfahrensprinzipien sind und waren allesamt nicht auf den Holzbau zugeschnitten. Zur Herbeiführung einer bauordnungsrechtlich verbindlichen Planungsgrundlage ab der Entwurfsplanung war es daher erforderlich, bei der Stadt Hamburg, einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides zu einer Vielzahl grundsätzlicher Abweichungstatbestände beim Bauen mit Holz im Hochhausbereich zu stellen.
An die Wohnnutzung des Projektes wurden außerdem sehr hohe Anforderungen hinsichtlich der Bauakustik gestellt. Aus diesem Grunde wurden die ermittelten Wand- und Deckenaufbauten im Rahmen eines großdimensionalen Mock-Ups mit Hilfe von geeigneten messtechnischen Anordnungen, auf die selbst gesetzten Mindestanforderungen überprüft. Als zusätzliche Maßnahme der erforderlichen Qualitätssicherung wurde außerdem eine erhöhte Überwachung der Baustelle etabliert.
Die zuvor und im Folgenden beschriebenen Methodiken und Zielsetzungen sind beispielhaft für die komplexen Fragestellungen, mit denen sich der Holzbau in den kommenden Jahren auseinandersetzen muss, um nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch konkurrenzfähig zu sein:

- Entwicklung von Planungs-Routinen bei der interdisziplinären Entwicklung von Holzbaudetails

- Klärung der Fragestellung, welche bau- und anlagentechnischen Mehraufwendungen von Nöten sind, um die Genehmigungsfähigkeit eines Holzbaus im Bereich des Hochhauses herzustellen

- Bestimmung eines sinnvollen Elementierungs- und Standardisierungsgrads im Holzbau

- Entwicklung von Lösungen, die großvolumige, reine Holzgebäude robust gegen Leckage-Szenarien machen

- Entwicklung eine Tragwerkskonzeptes in Holz, das den Baustoff unter den Gesichtspunkten des Abbrandes und der Schwingungsanregung sinnvoll und effizient einsetzt



Ergebnisse und Diskussion

Der Planungsprozess führte häufig zu Änderungen der Bauteilaufbauten, da verschiedene Anforderungen, wie bspw. aus Architektur, Tragwerksplanung, Gebäudetechnikplanung, Bauphysik (thermisch & akustisch), Brandschutz aber auch fertigungsbedingte Anforderungen der ausführenden Holzbaufirma sowie Vertriebsbelange, berücksichtigt werden mussten. Wichtige Entscheidungen, wie die Sichtbarkeit von Holz im Wohnraum, sollten frühzeitig getroffen werden, da sie weitreichende Auswirkungen auf die Planung haben. Zudem beeinflussten fortlaufende Erfahrungen im Holzbau und gesetzliche Änderungen die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit, zwar hin zum Positiven, insbesondere in Bezug auf den Brandschutz, welche aber im laufenden Planungsprozess nurmehr bedingt umgesetzt werden konnten. Speziell die frühe Einbindung von ausführungsaffiner Holzbaukompetenz, gemäß dem Holzbauplanungsleitfaden „leanwood“, in den Planungsprozess, aber auch der Einsatz von holzbauerfahrenen Fachplanern, stellen eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung eines solchen Projektes dar. Planungsroutinen lassen sich aufgrund sich ständig ändernder Anforderungsparameter, bei einem Sonderprojekt wie diesem, mit nur geringem Normierungs- und Standardisierungsgrad, nur bedingt finden und umsetzen.

Anlagentechnische Mehraufwendungen zur Erreichung der Genehmigungsfähigkeit eines Holzhochhausprojektes wie dem roots konnten besonders im Bereich der Feuerlöschtechnik identifiziert werden. Hierzu gehören eine Sprinklerung der Wohnbereiche, eine Fassadensprinklerung mit 2-Wegeauslösung, Redundanzen in der Sprinkleranlagentechnik (Löschwasserbehälter, Pumpen, Steigleitungen) und die Erhöhung der Kapazitäten von Wandhydranten. Hierbei ist zu beachten, dass aufgrund nicht vorhandener bzw. nur geringer Erfahrung der Genehmigungsbehörden, aber auch der Feuerwehr, mit Holzhochhäusern, ein hoher Sicherheitsfaktor bei der Planung dieser Anlagen zugrunde gelegt wurde. Im Laufe des Planungsprozesses zeichnete sich ab, dass nach Durchführung eines großvolumigen Brandversuches ggf. auf die Wohnraumsprinklerung verzichtet hätte werden können. Die Zeitplanung und der Baufortschritt ließen einen solchen Versuch aber nicht mehr zu. Die getätigten Erfahrungen diesbezüglich, lassen eine Kosteneinsparpotential bezogen auf Art und Umfang der Feuerlöschtechnik als realistisch erscheinen.

Aufgrund der frühen Erkenntnis, dass ein gemeingültiger Elementierungs- und Standardisierungsgrad im Holzbau nicht aus einem Sonderbauvorhaben wie dem roots abgeleitet werden kann, wurde der Fokus schnell auf eine wirtschaftliche Umsetzung großvolumiger Sonderbauten gelegt. Ergebnis dessen war, die Lieferung und Montage von Rohdecken (Brettsperrholz), vormontierten (Wärmeschutz, Brandschutz, Technische Gebäude Ausstattung) Innenwänden (aufgelöster Holzständerbau) und modularen (3-D-Elemente mit zusätzlich zu den Innenwänden integrierten Fenstern und Loggien) Außenwänden (ebenfalls aufgelöster Holzständerbau). Mit dieser Kombination konnten die Vorteile der Elementierung, wie eine kurze Bauzeit bei hoher Bauteilqualität, mit der für ein solches Vorhaben notwendigen Flexibilität vollumfänglich genutzt werden.

Bei der Entwicklung von Lösungen, die großvolumige, reine Holzgebäude robust gegen Leckage-Szenarien machen, wurde der Fokus von Beginn an auf den Witterungsschutz während der Bauphase gelegt. Hierfür wurde ein Witterungsschutzkonzept ausgearbeitet was eine Dauerhafte, unzulässig hohe, Auffeuchtung von Holzbauteilen vermeiden sollte. Die Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit den ausführenden Firmen. Ziel war hierbei nicht, den Kontakt von Holzbauteilen mit Wasser gänzlich zu vermeiden, was aufgrund einer Bauzeit über 2 Jahre auch nicht möglich gewesen wäre, sondern ein gezieltes Wassermanagement mit klaren Handlungsanweisungen zu etablieren.
Zur Risikominimierung von Leckageschäden an Holzbauteilen während des Gebäudebetriebs wurde ein unvernetztes Feuchtedetektionssystem (RFID-Sensoren) auf allen Geschossdecken installiert. Dieses ermöglicht bei regelmäßiger Auslesung die frühzeitige Erkennung, Lokalisation und Beseitigung von Leckagen.

Bezüglich Entwicklung eines Tragwerkskonzeptes unter Berücksichtigung von Abbrand und Schwingungsanregung wurden die Einflüsse durch Schwingungen, insbesondere durch Bahnverkehr, aber auch durch resonante Windböen, zu Projektbeginn, untersucht und in erstem Fall durch einen Baudynamiker, im zweiten Fall durch einen rechnerischen Ansatz ausgeschlossen. Der Feuerwiederstand der Holzbauteile wurde in Abstimmung von Tragwerksplanung, Brandschutz und Feuerwehr auf 120 Minuten festgelegt. Hierbei wird die jeweils benötigte Feuerwiederstandsdauer, je nach Bauteil, entweder mittels Heißbemessung und eine Überdimensionierung des Holzquerschnittes oder durch eine brandschutztechnische Bekleidung, erreicht. Als zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Robustheit, in Anlehnung an den Eurocode DIN EN 1991-1-7, wurden Nachweise für Haupttragglieder (unverzichtbare Stü-zen) und Stützenausfälle in den Innen- und Außenwänden geführt. Des Weiteren erfolgte eine Umfassung der Geschossdecken durch UPN-Stahlprofile. In diesem Zusammenhang erfolgten die zusätzlichen Maßnahmen zur Erhöhung der Robustheit in Absprache mit den zuständigen Genehmigungsbehörden, da der Eurocode, Holz als Baustoff für Hochhäuser nicht vorsieht.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Projekterfahrungen & -ergebnisse wurden u. A. auf dem Hamburger Holzbauforum am 15.02.2023 & 13.03.2024 als Referat vorgestellt. Des Weiteren wurden über die Projektlaufzeit weit mehr als 100 Fachvorträge durch den/die BauherrIn bzw. die beteiligten Fachplaner und die ausführenden Firmen gehalten und zahlreiche Zeitungsartikel, Fernsehinterviews & Reportagen sowie Beiträge in Sozialen Medien, über das Projekt, veröffentlicht.

Der Abschlussbericht zum Projekt kann von der Garbe Immobilien-Projekte GmbH bezogen werden: info@garbe.de



Fazit

Das Projekt roots verdeutlicht, wie Holz als Baumaterial auch in Hochhäusern erfolgreich eingesetzt werden kann. Die Kombination von Nachhaltigkeit, innovativer Planung und technischer Präzision macht das Gebäude zu einem Modell für zukünftige Holzbauprojekte, insbesondere im urbanen Raum. Es zeigt, wie Holzbau in der Großstadt nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich konkurrenzfähig und technisch umsetzbar ist. Eine Adaption der technischen Lösungen auf andere Bauvorhaben, durch Dritte, scheint aufgrund der hohen Individualität und der besonderen Umgebungsbedingungen des Projektes nur teilweise als sinnvoll möglich. Die gewonnenen Erkenntnisse, angewendete Prozesse und Vorgehensweisen bei der Umsetzung von Holzbaugroßprojekten, wie dem hier beschriebenen jedoch, können einen Beitrag zur Umsetzung künftiger Folgeprojekte dieser Kategorie beitragen.

Übersicht

Fördersumme

492.300,00 €

Förderzeitraum

09.07.2018 - 08.01.2024

Bundesland

Hamburg

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik