rforschung und Wiedernutzbarmachung der biologischen und gestalterischen Vielfalt historischer Gärten am Beispiel des gartenkünstlerischen Werkes Eduard Petzolds als Beitrag zur Abmilderung der Auswirkungen des Klimawandels in historischen Gärten un[…]
Projektdurchführung
Stiftung "Fürst-Pückler-Park Bad Muskau"
Neues Schloss
02953 Bad Muskau
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Ziel des Projektes ist eine grenzübergreifende wissenschaftliche Untersuchung zur gartenkünstlerischen Gehölzverwendung im 19. Jahrhundert als Grundlage für Erhalt und Wiederherstellung der Arten- und Sortenvielfalt historischer Gehölzsortimente in Hinblick auf die durch den Klimawandel zu erwartende und teils bereits eintretende Einschränkung des derzeit verwendbaren Artenspektrums. Eine Revitalisierung des breiten historischen Arten- und Sortenspektrums ist sowohl für die praktische Gartendenkmalpflege als auch für Forstbotanik und Artenschutz von hohem Interesse.
Ein Großteil des historischen Artenspektrums ist heute jedoch nicht mehr in Baumschulen erhältlich. Die kommerzielle Ausrichtung, der ökonomische Sachzwang führten kontinuierlich zu einer stringenten Reduzierung auf ein Mainstream-Sortiment. Ein großer potenzieller Fundus an ökologisch und gestalte-risch bestens geeignetem Pflanzenmaterial ging bei dieser Entwicklung verloren. Ein weiteres wesentli-ches Ziel des Projektes ist es deshalb, eine Basis für die Anzucht und Aufschulung historischer Gehölzarten und -sorten zu schaffen, damit die Projektergebnisse praktisch umgesetzt und langfristig im Rahmen von gartendenkmalpflegerischen Maßnahmen, in der Forstwirtschaft und im Natur- und Artenschutz angewendet und genutzt werden können.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt gliederte sich in drei wesentliche Bestandteile:
1. Wissenschaftliche Untersuchung zur theoretischen und praktischen Gehölzverwendung des Gartenkünstlers Eduard Petzold mit dem Hintergrund im 19. Jahrhundert verfügbarer Gehölzsortimente.
2. Erfassung heute noch vorhandener historisch verwendeter Gehölzarten und -sorten und ihrer Standorte in Parkanlagen Petzolds in Polen, Tschechien, den Niederlanden und Deutschland.
3. Experimente zur Entnahme und Kultivierung von Derivaten seltener Gehölze im Rahmen der Revitalisierung der Muskauer Gärtnerei als Genpool für den Erhalt historischer Gehölzsortimente.
Ergebnisse und Diskussion
Während für die dendrologische Zuordnung vorwiegend die genetischen Identitäten von Bedeutung sind, spielen für die gärtnerische Verwendung, die Abweichungen in Habitus, Blatt, Blüte und besonders, im Sinne Petzolds, die Färbungen im jahreszeitlichen Wandel eine große Rolle. Eduard Petzold hat diese Beobachtungen in seinen Publikationen, häufig auch spezifisch für die Einzelpflanze, nicht nur in Empfehlungen umgesetzt. Die Darstellungen der Gestaltungsideen in seinen Arbeitsplänen zeugen von dieser Herangehensweise.
Die floristische Vielfalt wurde durch Carl Eduard Petzold als Chance begriffen und in seinen gartenkünstlerischen Schöpfungen eingesetzt. Dieses Kriterium seines Schaffens ist von großer Bedeutung und aktuell besonders im Hinblick auf die Authentizität der Gärten in Pflege und Erhaltung aus gartendenkmalpflegerischer Sicht. Dieses Ziel setzte Petzold auch vielerorts um, überdauern konnten jedoch nur Relikte seiner gartenkünstlerischen Kompositionen. Die Problematik der Entwicklung und Erhaltung der Anlagen liegt auch verbunden mit den Schwierigkeiten im hohen Pflegeanspruch den Petzold für die Erhaltung und Entwicklung der von ihm geschaffenen Anlagen forderte und dem die Eigentümer und Auftraggeber möglicherweise nicht in jedem Fall gewachsen waren.
Ein anderer Aspekt bezüglich des Strukturverlustes in den Gärten Petzolds lässt sich über die veränderten Nutzungsbedingungen als Folgen der fortschreitenden Industrialisierung zum Ende des 19. Jahrhunderts erklären. Häufige Besitzerwechsel, monetäre Interessen und Änderungen im Zeitgeschmack bedingten vielfach mangelndes Interesse an den Schöpfungen der landschaftlichen Gartenkunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Im Ergebnis der Vergleichsanalyse von Planung und Bestand wird deutlich, dass eine Fülle von vitalen Gehölzen in den untersuchten Gärten, in den historischen Arboreten und (Forst)Botanischen Gärten der Projektländer vorhanden ist, jedoch in den aktuellen Sortimenten der Baumschulen fehlen. Das bedeutet für den Erhalt und die Restaurierung des Gehölzbestandes in den historischen Gärten und Kulturlandschaften, dass aktuell ein stark eingeschränktes floristisches Spektrum zur Verfügung steht, mit der Folge des Verlustes von Authentizität im dendrologischen Bereich der Garten- und Landschaftskunst.
In den Untersuchungen wird deutlich, dass in Gärten und Landschaften vielfältige Spektren an genetischen Potentialen in Form von Bäumen und Sträuchern zur Verfügung stehen, die sich bereits über Jahrhunderte gegenüber Standortveränderungen und klimatischen Einflüssen als vitales Sortiment bewährten.
Die Gehölzvielfalt wird durch Publikationen und im umfangreichen Katalogmaterial der Gärtnereien und Baumschulen des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Einen standörtlichen Nachweis vermitteln die Herbarien, die Bestandslisten der Dendrologischen Gesellschaften oder die Dokumentationen in Zeitschriften und Archiven der historischen Gärten. Dennoch ist eine Vielzahl der Gehölze, bezüglich der nomenklatorischen Zuordnung in den aktuellen Publikationen, kaum erfasst. Die Bestimmung einzelner Spezies ist kompliziert und häufig mangelt es an Nachweisen zur Einordnung der Merkmale.
Fehlende Dokumentationen zum Wert und Erscheinungsbild im Entwicklungsverlauf von historischen Taxonen erschweren eine Alterszuordnung der Gehölze. Trägwüchsigkeit, Konkurrenzen und ein veränderter Habitus führen häufig zu Fehleinschätzungen in der Alterszuordnung und nicht selten zum Verlust wertvoller Exemplare.
In den Untersuchungen und tabellarischen Auflistungen bestätigt sich, dass eine Fülle der Gehölze erst seit der Mitte bzw. der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kultiviert oder dokumentiert wurde. Demzufolge ist die 1. Generation dieser Spezies heute erst max. 150 Jahre alt.
Die Beschäftigung mit den Vermehrungstechniken und dem aktuellen wirtschaftlichen Aspekt in der Baumschulbranche verdeutlicht, dass die finanziellen Zwänge und monopolistische Strukturen die Sortimente beeinflussen und ausdünnen. Kleinbetriebe im Baumschulsektor werden durch das Großmarktwesen und die Konkurrenzproduktionen verdrängt oder müssen sich anpassen. Die vergleichsweise aufwändigen und intensiven Vermehrungstechniken in Handarbeit und die Vermarktungsschwierigkeiten für seltene Spezies, beeinflussen die Struktur der Betriebe in Richtung Verkaufscenter.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Einer Einladung der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf folgend, wurde das Projekt im Rahmen der Veranstaltungsreihe WEIHENSTEPHANER SYMPOSIUM zur Gartendenkmalpflege am 25. Juni 2010 in einem Referat vorgestellt. Die Vortragsreihe behandelte die Thematik historischer Pflanzen und Pflanzungen des 18. bis 20. Jahrhunderts im Kontext mit den Problemen und Strategien zum Erhalt der Sortimente.
Am 20. Januar 2012 konnte die Thematik und der aktuelle Projektstand im Rahmen der jährlich stattfin-denden Veranstaltung Kolloquium zur Sächsischen Gartengeschichte der Forschungsgruppe Sächsische Gartengeschichte in Dresden vorgestellt werden.
Die Abschlusstagung vom 26.-28. April 2012 in den Räumen des Marstallgebäudes im Schlossvorwerk der Stiftung Fürst-Pückler-Park Bad Muskau in Bad Muskau befasste sich mit der Projektarbeit und Dokumentation der bearbeiteten Thematik im Kontext. Für die Präsentation der viersprachigen Projektarbeit wurden die Tagungssprachen englisch und deutsch gewählt.
Fazit
Grundsätzlich lässt sich resümieren, dass die Thematik des fortschreitenden Verlustes der historischen Gehölzsubstanz in unseren Kulturlandschaften vielschichtig zu bearbeiten ist. Dabei wird auch zukünftig dringend erforderlich sein, die Problematik im öffentlichen Rahmen zu diskutieren.
Der Erhalt von Vielfalt in den Kulturlandschaften ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten und in den entsprechenden öffentlichen Einrichtungen zu lancieren. Um das Bewusstsein für Vielfalt in den Sortimenten bspw. der Baumschulen zu schärfen, muss für dieses Thema geworben werden. Das Wissen um die Hintergründe des Verlustes kann möglicherweise ein Umdenken in den Marktstrategien bewirken, wie es bereits im Bereich der Obst- und Gemüsebranche ansatzweise gelingt. Das Thema ist gleichbedeutend mit dem Naturschutz und im Komplex zu betrachten.
Deshalb ist der Genpool Historische Gehölze in den öffentlichen Institutionen, wie bspw. in einer Stiftung, sinnvoll angesiedelt. Der zusätzlich hohe Aufwand für die Einrichtungen kann jedoch nicht durch den laufenden Betrieb übernommen werden, sondern muss zusätzlich ausgestattet und finanziert werden. Eine erfolgreiche, strategische Umsetzung der Aufgabe kann dauerhaft auch zum Amortisieren des Standortes führen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projektes war die europaweite Zusammenarbeit für einen wissenschaftlichen Austausch auf den theoretischen und praktischen Ebenen. Für langfristig vergleichbare Ergebnisse im grenzübergreifenden Kontext war der Projektzeitraum zu kurz. Die wissenschaftlich-praktischen Analysen konnten innerhalb des Projektablaufes nicht dokumentiert werden.
Ein langfristiges Monitoring ist jedoch notwendig, um aussagekräftige Ergebnisse zur Entwicklung des historischen Gehölzsortimentes in den Projektländern zu erhalten und diese bspw. unter dem Aspekt der Klimaveränderungen mit den Auswirkungen auf die Vitalität und Stabilität der Gehölze (Phythopatholgie) dokumentieren und vergleichen zu können.
Fördersumme
119.950,00 €
Förderzeitraum
28.09.2009 - 30.05.2012
Bundesland
Sachsen
Schlagwörter
Klimaschutz
Kulturgüter
Naturschutz
Umweltforschung