Projekt 26787/01

Optimierung der Wiedervernässung von Torfabbauflächen für den Vogelschutz

Projektträger

Naturschutzring Dümmer e. V. Arbeitsgemeinschaft der im Dümmerraum tätigen Naturschutzvereine
Am Ochsenmoor 52
49448 Hüde
Telefon: 05443/1367

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In zahlreichen Hochmooren in Niedersachsen wird noch auf großer Fläche Torf abgebaut. Nach Beendigung des Abbaus ist in der Regel eine Wiedervernässung vorgesehen, um eine Hochmoor-Regeneration einzuleiten. Allgemein geht man davon aus, dass eine Wiederherstellung der Hochmoore allenfalls nach sehr langen Zeiträumen möglich sein wird. Es gibt jedoch zahlreiche Hinweise, dass auch junge Wieder-vernässungsstadien eine hohe ökologische Bedeutung erlangen können, vor allem als Lebensraum für gefährdete Brut- und Rastvogelarten. Allerdings fehlen grundlegende Daten zu Arteninventar, Siedlungsdichten, Habitatwahl und Bruterfolgen der Avifauna auf derartigen Flächen. Diese Daten sollen im Rahmen des Projektes erhoben und daraus Managementempfehlungen für eine aus Vogelschutzsicht optimierte Wiedervernässung der Torfabbauflächen erarbeitet werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Barnstorfer Moor, einem von Torfabbau geprägten Hochmoor im Naturraum Diepholzer Moorniederung (Landkreis Diepholz, Niedersachsen) sind bereits in größerem Umfang Torfabbauflächen wiedervernässt worden. Art und Umfang der Wiedervernässung sind jedoch recht unterschiedlich, die verschiedenen Teilflächen unterscheiden sich somit in den für Brut- und Rastvögeln wichtigen Habitatparametern. Auf diesen Flächen wurden Arteninventar, Siedlungsdichte und Habitatwahl der Brutvögel über einen Zeitraum von drei Jahren ermittelt werden. Daneben wurden für die vorkommenden Watvogelarten auch die Bruterfolge bestimmt. Potentielle Prädatoren von Limikolenküken bzw. Gelegen (Raubsäuger) wurden durch Erfassung von Trittsiegeln und Kotmarkierungen erfasst.
Als Grundlage für die Beurteilung der Habitatnutzung der Brutvögel erfolgte eine Aufnahme von Habitatparametern, um Aussagen über den Vernässungsgrad sowie die Vegetationsstruktur der Flächen treffen zu können. Die Habitatstrukturen wurden mit den Daten der Brutvögel verschnitten, optimale Ausprägungen der verschiedenen Habitatparameter (Wasserstände, Vegetationsstruktur u. a.) abgeleitet und daraus Handlungsempfehlungen für die Wiedervernässung von Torfabbauflächen entwickelt.
Mit jeweils über 20 Zählterminen pro Jahr wurde die Bedeutung des Projektgebietes als Gastvogellebensraum untersucht, ferner erfolgten jeweils im Zeitraum von Oktober bis März Schlafplatzzählungen von Kranichen.
Auf einer ca. 80 ha großen Abbaufläche wurde zudem in Zusammenarbeit mit dem Torfabbauunternehmen und der Genehmigungsbehörde eine Wiedervernässung durchgeführt und begleitet. Die Ausprägung des Bodenreliefs als Parameter für den Wert von Vogellebensräumen wurde besonders betrachtet.


Ergebnisse und Diskussion

Die wiedervernässten Torfabbauflächen im Barnstorfer Moor besitzen eine hohe Bedeutung als Lebensraum für gefährdete Brutvogelarten, insbesondere für Limikolen und Enten, die stark und dauerhaft vernässte Flächen bevorzugen. Beide Artengruppen zeigen auf in Teilen überstauten Flächen die höchste Präsenz. Im Vergleich zu zwei, etwa 4 km bzw. 25 km entfernt liegenden Feuchtwiesengebieten mit ähn-lichem Arteninventar (NSG Boller Moor, Dümmerniederung) waren die von Limikolen erzielten Schlupf- und Bruterfolge in den Jahren 2009 bis 2011 auf den wiedervernässten Hochmoorflächen recht hoch. Potentielle Prädatoren waren während der gesamten Brutzeit im Gebiet präsent. Die festgestellte Gastvogelfauna war artenreich. Im Vergleich zu den genannten Wiesengebieten weist sie jedoch geringe Individuenzahlen auf. Landesweite Bedeutung erreichen die Rastbestände von sechs Vogelarten (Schwarzhalstaucher, Singschwan, Schnatterente, Spießente, Flussregenpfeifer, Kampfläufer). Hohe Bedeutung besitzt das Projektgebiet als Kranich-Schlafplatz. Die verschiedenen Habitatparameter wie Flächenanteil von offenem Wasser und offenem Torfboden sowie die Deckungsgrade verschiedener Pflanzenarten sind auf den Teilflächen des Untersuchungsgebietes sehr unterschiedlich ausgeprägt und spiegeln den unterschiedlichen Vernässungsgrad und das unterschiedliche Alter der hergerichteten Vernässungsflächen wider. Es wird deutlich, dass ein Nebeneinander von dauerhaften, d. h. bis in den Spätsommer hinein vorhandenen Wasserflächen und höherliegenden Bereichen die besten Habitatbedingungen für gefährdete Brutvogelarten, aber auch für Gastvögel bietet.

Zufallsbeobachtungen zeigen, dass das Untersuchungsgebiet auch für verschiedene andere Artengruppen eine hohe naturschutzfachliche Bedeutung besitzt. Die Wiedervernässung von Torfabbauflächen mit bewegtem Bodenrelief wurde auf einer Gesamtfläche von ca. 80 ha umgesetzt. Auf weiteren Flächenkomplexen mit insgesamt mehr als 50 ha wurde die Vernässungssituation optimiert.
Auswirkung der Habitatstrukturen auf die Bedeutung als Brutvogellebensraum,Vernässung, Vernässungsgradient/Brutbestand

Die Ergebnisse zeigen, dass es sich beim Projektgebiet um ein bedeutendes Vogelbrutgebiet handelt. Insbesondere Arten, die auf hohe Wasserstände angewiesen sind, wie Knäk- und Löffelente, Rotschenkel und Bekassine machen die Bedeutung des Gebietes aus. Daneben erreichen aber auch weitere Brutvogelarten des Offenlandes, wie Kiebitz, Wiesenpieper und Feldlerche hohe Dichten. Der Vernässungsgrad mit Höhe, Dauer und auch flächenhafter Ausdehnung stellt sich als wesentlicher Faktor dar, der auf die Besiedlung durch verschiedene Vogelarten einwirkt. Dies geschieht über verschiedenste Wege, u. a. über die Beeinflussung der Vegetation, der Bodenfeuchte, des Nahrungsangebotes, aber auch der Erreichbarkeit von Flächen durch Prädatoren, insbesondere Raubsäuger. Die Arten, die sich auf besonders nassen Flächen des Untersuchungsgebietes als Brutvögel eingestellt haben, sind typische und in ihrem Bestand in besonderem Maße bedrohte Arten der Feuchtgebiete, die hier einen adäquaten Lebensraum gefunden haben. Auch die Bereiche mit geringerem Vernässungsgrad weisen Arten auf, die andernorts stark rückläufig sind.

Die vorliegenden Ergebnisse deuten an, dass der entscheidende Faktor für die Besiedlung durch gefährdete Brutvogelarten der Wasserstand ist, die Bedeutung der Vegetationsdeckung tritt dagegen zurück. So wurden Rotschenkel, Kiebitz auch auf älteren Wiedervernässungsflächen festgestellt und erzielten hier auch Bruterfolg. Die häufig in der Literatur zur Habitatwahl als entscheidendbeschriebene Habitatparameter für diese beiden Arten - kurzrasige oder vegetationslose Bereiche - werden hier von flutenden Torfmoosrasen übernommen. Da die Limikolen- und Entenarten aber ihre Nester nur auf trockenem Untergrund errichten, ist ein bewegtes Relief, d. h. ein enges Nebeneinander von überstauten und nicht überstauten Bereichen erforderlich.
Berücksichtigt man die aktuelle Situation im Projektgebiet, dass von den Untersuchungsflächen nur ein Teil wiedervernässt ist, zeigt sich das hohe Potential von Wiedervernässungsflächen für den Vogelschutz.

Bruterfolg in Abhängigkeit vom der Vernässung/Habitatparametern
Das Maß der Bedeutung eines Vogellebensraumes liegt nicht nur im Brutbestand, sondern in besonderer Weise im Bruterfolg, der dort erzielt wird. Nur über ausreichende Anzahlen an Jungvögeln können Populationen dauerhaft aufrechterhalten werden. Bisher wurde vor allem das Feuchtgrünland als Lebensraum für Limikolenarten, wie Bekassine und Kiebitz, betrachtet und viele Anstrengungen unternommen, dort den Schlupf- und Bruterfolg der Arten zu erhöhen.
Die vorliegenden Untersuchungen über einen dreijährigen Zeitraum zeigen, dass einige Vogelarten in wiedervernässten Hochmooren deutlich höhere Reproduktionsraten erzielen. So lagen im Vergleich zu den Feuchtgrünlandgebieten NSG Boller Moor (KÖRNER 2009-2011) und Dümmerniederung (APFFEL-STAEDT et al. 2009-2011) die Schlupferfolge im Barnstorfer Moor bei Kiebitz, Rotschenkel und auch Bekassine in allen drei Untersuchungsjahren deutlich höher. Die im Barnstorfer Moor erzielten Bruterfolge übertrafen nahezu immer diejenigen der beiden Vergleichsgebiete. Nur der Große Brachvogel zeigte in den Grünlandgebieten höhere Erfolge als im Hochmoor.

Der Bruterfolg von Limikolen ist von verschiedenen Faktoren abhängig und schwankt meist stark zwischen den Jahren. Wichtige Einflussfaktoren sind Witterung und Prädation. Als wesentlicher Faktor des höheren Bruterfolges im wiedervernässten Hochmoor ist der recht konstante Wasserstand auf manchen Flächen anzusehen, der konstant bleibende Habitatfaktoren bewirkt, so dass auch bei Gelege- und/oder Kükenverlusten fortlaufend Nachgelege getätigt werden können. Grünland hat den großen Nachteil, dass der Wasserstand spätestens im Sommer abgesenkt werden muss, meist jedoch schon im Verlauf des zeitigen Frühjahres, um eine Bewirtschaftung zu ermöglichen. Sinkt der Wasserstand sogar noch früher, durch aktives Absenken, durch Versickern oder Verdunstung, bedeutet dies eine gravierende Veränderung der Habitatbeschaffenheit und oft den Verlust der Eignung zur Brut.

Durch Untersuchungen im Rahmen des Projektes ist belegt, dass auch in den nachhaltig wiedervernäss-ten Bereichen nachtaktive Säugetiere als potentielle Prädatoren durchgehend anwesend sind. Ob sie allerdings nur die Polderdämme nutzen, auf denen ihre Trittsiegel gefunden wurden, oder aber auch in den Poldern selbst Nahrung suchen, muss offen bleiben. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass eine starke Vernässung Prädatoren vergrämen kann (MARXMEIER & KÖRNER 2009).

Vögeln wird in vielen Gebieten nur eine geringe Rolle bei der Prädation von Limikolennestern und -küken zugeschrieben (LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005). Dies dürfte umso mehr für das Barnstorfer Moor gelten, da hier die Dichte potentieller Prädatoren, z. B. der Rabenkrähe, im Vergleich zu anderen Gebieten sehr niedrig ist.

Gegenüber dem Feuchtgrünland bieten die Wiedervernässungsflächen für Limikolen verschiedene Vorteile. So stehen auf den nachhaltig vernässten Flächen im Hochmoor bis zum Ende der Brutzeit offenes Wasser und vegetationsarme Uferbereiche zur Verfügung, die für die Ernährung von Limikolenjungen eine sehr wichtige Rolle spielen. In Feuchtgrünlandgebieten wird mit Rücksicht auf die landwirtschaftliche Nutzung meist so weit vernässt, dass die Flächen bereits längere Zeit vor dem Flüggewerden der ersten Küken abtrocknen. Eine Ausnahme ist ein kleinflächiger Polder im NSG Ochsenmoor in der Dümmernie-derung, auf dem nach längeranhaltender Vernässung deutlich höhere Bruterfolge beim Kiebitz beobachtet werden können (MARXMEIER & KÖRNER 2009). Auf den Wiedervernässungsflächen im Barnstorfer Moor standen sogar noch den sehr späten Bruten bis Anfang August geeignete Kükenhabitate zur Verfügung. Derartig späte Bruten werden bei der Steuerung der Bewirtschaftung im Feuchtgrünland in aller Regel nicht berücksichtigt.

Wesentlich für das Flüggewerden von Küken ist die Verfügbarkeit von Nahrung. Diese scheint auf den nassen Flächen im Hochmoor gegeben zu sein. Die Limikolenfamilien hielten sich konstant in ihren Bruthabitaten auf. Es wurden dementsprechend keine umfangreichen Wanderungen von Familien festgestellt, auch gab es keine Hinweise, dass Altvögel während der Brutzeit Flächen außerhalb des Moores zur Nahrungssuche aufsuchten. - MELTER et al. (2009) berichteten von der Wanderung einer Uferschnepfen-Familie über mindestens 3,6 km zu einer stark vernässten Fläche. - Dass es auf den sehr nährstoffarmen Hochmoorböden zu Nahrungsengpässen für die Limikolenküken kam, erscheint damit unwahrscheinlich.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Als Abschluss des Projektes Optimierung der Wiedervernässung von Torfabbauflächen für den Vogelschutz im Barnstorfer Moor fand am 12./13.04.2012 ein Symposium im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück statt, veranstaltet vom Naturschutzring Dümmer e. V. in Kooperation mit dem NABU Landesverband Niedersachsen. Titel der Tagung war: Wiesenvögel im Moor - Sumpfvögel in Wiesen?! - Ergebnisse und Perspektiven für den Vogelschutz in wiedervernässten Hoch- und Niedermooren. Der Naturschutzring stellte die Ergebnisse des Projektes vor, weitere Fachleute aus dem Moor- und Wiesenvogelschutz präsentierten Beiträge zum Thema Moorvernässung und Vogelschutz.
Über 80 Fachleute aus Deutschland und den Niederlanden diskutierten die Fragen: Welche Perspektive haben bedrohte Vogelarten in der heutigen Landschaft? Und welchen Stellenwert nehmen Moorlebensräume für den Erhalt der Vögel ein? Wiesenvögel wie Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel gehören zu den Arten mit den stärksten Bestandsrückgängen in der mitteleuropäischen Vogelwelt. Die Ursachen der Bestandsrückgänge trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen und zahlreicher Projekte zur Erforschung von Ursachen der Bestandsrückgänge in Schutzgebieten werfen viele Fragen auf. Welche Strukturen fehlen in wiedervernässten Moorlandschaften und im feuchten Grünland? Sind klassische Wiesenvogelgebiete auf Nieder- oder Hochmoorgrünland attraktiv genug? Welches Potenzial bieten wiedervernässte, nicht landwirtschaftlich genutzte Hochmoorstandorte?
Das Symposium spannte den Bogen vom Vogelschutz im landwirtschaftlich genutzten Niedermoorgrünland zu wiedernässten Hochmooren nach ihrer Nutzung durch die Torfindustrie. Erfahrungen aus aktuellen Projekten wurden vorgestellt und diskutiert.

Als wichtigstes Ergebnis der Tagung kristallisierte sich heraus, dass nur eine dauerhafte und durchgreifende Vernässung der Moorflächen, sowohl im Hoch- als auch im Niedermoor, zu merklichen Erfolgen bei Schutz bestandsbedrohter Wiesenvogelarten führt. Lang andauernde Vernässung gewährleistet sowohl auf wiedervernässten Abbauflächen im Hochmoor als auch im genutzten Grünland auf Niedermoorböden hohe Bruterfolge bei Kiebitz, Rotschenkel, Bekassine und anderen. Sie dient aber gleichermaßen der Wiederherstellung des Lebensraumes Moor insgesamt. Die Wiedervernässung muss langfristig begleitet werden und die Wasserstände unter Umständen im Abstand von einigen Jahren mehrfach angehoben werden. Großen Anklang fand ein Beispiel aus dem Ochsenmoor am Dümmer. Dort verbleiben auf einer seit mehreren Jahren eingepolderten Grünlandfläche bis in den Hochsommer hinein offene Wasserstellen - überlebenswichtige Bereiche für Vogelarten der Wiesen.
Für den Vogelschutz im Hochmoor, insbesondere für Limikolenarten, scheinen der Erhalt und die Schaffung eines Bodenreliefs von großer Bedeutung zu sein, das bewirkt, dass in größeren Wasserflächen auch weniger nasse, inselartige Bereiche zur Nestanlage für Brutvögel, wie Kiebitz und Rotschenkel vorliegen. So lassen sich Moorschutz und Vogelschutz erfolgreich miteinander verbinden.
Am 13. April 2012 wurden auf einer Exkursion zum Projektgebiet wiedervernässte Abbauflächen im Barnstorfer Moor vorgestellt und mit den etwa 60 Teilnehmern über verschiedene Vernässungsvarianten diskutiert.

Übersicht

Fördersumme

95.295,00 €

Förderzeitraum

12.01.2009 - 12.01.2012

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik